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Politische Bildung

Jüdisches Museum besucht  Schulen in der Seenplatte

Möllenhagen / Lesedauer: 3 min

Die Regionale Schule „Heinrich Schliemann“ ist einer von drei Schulen im Land, die an einem besonderen Projekt teilnehmen – das sogar direkt aus Berlin zu ihnen kommt. 
Veröffentlicht:23.09.2023, 18:04

Von:
  • Ingmar Nehls
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„Für die Schüler gibt es hier in ihrem Umfeld keine Berührungspunkte zu jüdischer Kultur und Religion“, sagt Toni Gramß. Darum ist der Lehrer für Geschichte und Philosophie auch dankbar, dass die „Heinrich Schliemann“ Regionalschule in Möllenhagen neben Alten­treptow und Rostock-Evers­hagen eine von drei Stationen auf der Tour des Jüdischen Museums Berlin (JMB) ist.

Bisher 3000 Klassen besucht

Mit der neuen mobilen Aus­stellung sind drei aus­gebildete Ver­mittler im Tour­bus unterwegs und besuchen achte bis zwölfte Klassen, um die Inhalte des Museums auch Jugend­lichen nahe zu bringen, die nicht ohne Weiteres nach Berlin reisen können. 2019 wurde dieses Bildungs­programm weiter­entwickelt. Das neue JMB on.tour startete 2022 in Berlin und Branden­burg. Nach Stopps in Nieder­sachsen ging es nun auch in Mecklen­burg-Vorpommern und dann in den anderen Bundes­ländern auf Tournee.

Bis Ende August 2023 hatte das mobile Museum alle 16 Bundes­länder mehr­fach bereist, bundes­weit mehr als 3000 Klassen an weiter­führenden Schulen besucht. Mehr als 76.000 Schülern setzten sich dabei aktiv mit der Vielfalt jüdischer Kultur, Religion, Geschichte und Gegenwart aus­einander.

Lerngruppen zur jüdischen Geschichte

Nach der Ankunft in der Schule laden die Ver­mittler gemein­sam mit den Schülern die Kisten mit Exponaten, Tafeln mit Erklär­texten, Vitrine, Tablets und Bild­schirm und methodischen Werk­zeugen wie Abstimmungs­karten aus dem Tour­bus aus. Dann setzen sich die Jugend­lichen in ihrer jeweiligen Lern­gruppe mit jüdischer Geschichte und Gegen­wart aus jüdischer Perspektive in einer drei­stündigen Unterrichts­einheit aus­einander. Das Material ist in die Themen­felder „Worte & Sprachen“, „Rituale & Feste“, „Orte & Migration“, „Liebe & Sexualität“, „Konflikte & Ent­scheidungen“, „Zivilisations­bruch“ und „Wer bin ich?“ gegliedert.

Gerade im ländlichen Raum, wo es mit großem Aufwand verbunden ist, Schüler an Lernorte zu bringen, sei es toll, wenn Lernangebote an die Schule kommen, sagt Toni Gramß und darum habe man sich auch dafür beworben. Denn der Bedarf sei groß, das Vorwissen sehr gering und Antisemitismus oder auch generell Vorurteile gegenüber unbekannten Gruppen ein echtes Problem. „'Jude' ist immer noch ein Schimpfwort auf dem Schulhof“, sagt Toni Gramß.

Große Unterschiede zwischen Stadt und Land

Die Ursachen dafür seinen vielfältig, angefangen von antisemitischer Jugendkultur bis hin zu geringer Präsenz jüdischer Gemeinden in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch Adi Liraz aus dem Team des Museums hat bei ihren vielen Besuchen an Schulen einen großen Unterschied zwischen Städten und dem ländlichen Raum feststellen können. Überall dort, wo sie mit Schülergruppen arbeitet, die Unterschiedlichkeit in Religion und Herkunft haben, herrsche eine größere Offenheit, was wiederum einen konstruktiven Diskurs ermögliche.

Adi Liraz hat mit den neunten Klassen aus Möllenhagen einen Workshop zum Thema Antisemitismus durchgeführt und dabei verschiedene Filme aus der Dauerausstellung des Museums gezeigt, die sich mit der Vielfalt jüdischer Identität beschäftigen und mit Fallbeispielen von Antisemitismus aus der Gegenwart. 

Besuche in KZ-Gedenkstätten und Stasi-Archiven

Toni Gramß hat den Anspruch, mit den zehnten Klassen eine KZ-Gedenkstätte und auch Lernorte in der Region wie Alt Rehse oder das ehemalige KZ-Außenlager Neubrandenburg und das Stasi-Unterlagen-Archiv Neubrandenburg zu besuchen. „Nationalsozialismus und Diktaturen haben ja nicht nur irgendwo in den großen Städten stattgefunden, sondern auch hier vor der Haustür und das möchte ich den Schülern zeigen“, sagt der Geschichtslehrer. 

Bis zum 14. Januar 2024 zeigt das Jüdische Museum Berlin übrigens die erste große Aus­stellung über jüdische Erfahrungen in der DDR. Die kultur­historische Schau unter­nimmt eine doku­mentarische Forschungs­reise durch einen bisher wenig erkundeten Teil deutsch-jüdischer Geschichte und verknüpft sie mit Bildender Kunst, Film und Literatur, mit viel­schichtigen Biografien und außer­gewöhnlichen Exponaten.