Politische Bildung
Jüdisches Museum besucht Schulen in der Seenplatte
Möllenhagen / Lesedauer: 3 min

Ingmar Nehls
„Für die Schüler gibt es hier in ihrem Umfeld keine Berührungspunkte zu jüdischer Kultur und Religion“, sagt Toni Gramß. Darum ist der Lehrer für Geschichte und Philosophie auch dankbar, dass die „Heinrich Schliemann“ Regionalschule in Möllenhagen neben Altentreptow und Rostock-Evershagen eine von drei Stationen auf der Tour des Jüdischen Museums Berlin (JMB) ist.
Bisher 3000 Klassen besucht
Mit der neuen mobilen Ausstellung sind drei ausgebildete Vermittler im Tourbus unterwegs und besuchen achte bis zwölfte Klassen, um die Inhalte des Museums auch Jugendlichen nahe zu bringen, die nicht ohne Weiteres nach Berlin reisen können. 2019 wurde dieses Bildungsprogramm weiterentwickelt. Das neue JMB on.tour startete 2022 in Berlin und Brandenburg. Nach Stopps in Niedersachsen ging es nun auch in Mecklenburg-Vorpommern und dann in den anderen Bundesländern auf Tournee.
Bis Ende August 2023 hatte das mobile Museum alle 16 Bundesländer mehrfach bereist, bundesweit mehr als 3000 Klassen an weiterführenden Schulen besucht. Mehr als 76.000 Schülern setzten sich dabei aktiv mit der Vielfalt jüdischer Kultur, Religion, Geschichte und Gegenwart auseinander.
Lerngruppen zur jüdischen Geschichte
Nach der Ankunft in der Schule laden die Vermittler gemeinsam mit den Schülern die Kisten mit Exponaten, Tafeln mit Erklärtexten, Vitrine, Tablets und Bildschirm und methodischen Werkzeugen wie Abstimmungskarten aus dem Tourbus aus. Dann setzen sich die Jugendlichen in ihrer jeweiligen Lerngruppe mit jüdischer Geschichte und Gegenwart aus jüdischer Perspektive in einer dreistündigen Unterrichtseinheit auseinander. Das Material ist in die Themenfelder „Worte & Sprachen“, „Rituale & Feste“, „Orte & Migration“, „Liebe & Sexualität“, „Konflikte & Entscheidungen“, „Zivilisationsbruch“ und „Wer bin ich?“ gegliedert.
Gerade im ländlichen Raum, wo es mit großem Aufwand verbunden ist, Schüler an Lernorte zu bringen, sei es toll, wenn Lernangebote an die Schule kommen, sagt Toni Gramß und darum habe man sich auch dafür beworben. Denn der Bedarf sei groß, das Vorwissen sehr gering und Antisemitismus oder auch generell Vorurteile gegenüber unbekannten Gruppen ein echtes Problem. „'Jude' ist immer noch ein Schimpfwort auf dem Schulhof“, sagt Toni Gramß.
Große Unterschiede zwischen Stadt und Land
Die Ursachen dafür seinen vielfältig, angefangen von antisemitischer Jugendkultur bis hin zu geringer Präsenz jüdischer Gemeinden in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch Adi Liraz aus dem Team des Museums hat bei ihren vielen Besuchen an Schulen einen großen Unterschied zwischen Städten und dem ländlichen Raum feststellen können. Überall dort, wo sie mit Schülergruppen arbeitet, die Unterschiedlichkeit in Religion und Herkunft haben, herrsche eine größere Offenheit, was wiederum einen konstruktiven Diskurs ermögliche.
Adi Liraz hat mit den neunten Klassen aus Möllenhagen einen Workshop zum Thema Antisemitismus durchgeführt und dabei verschiedene Filme aus der Dauerausstellung des Museums gezeigt, die sich mit der Vielfalt jüdischer Identität beschäftigen und mit Fallbeispielen von Antisemitismus aus der Gegenwart.
Besuche in KZ-Gedenkstätten und Stasi-Archiven
Toni Gramß hat den Anspruch, mit den zehnten Klassen eine KZ-Gedenkstätte und auch Lernorte in der Region wie Alt Rehse oder das ehemalige KZ-Außenlager Neubrandenburg und das Stasi-Unterlagen-Archiv Neubrandenburg zu besuchen. „Nationalsozialismus und Diktaturen haben ja nicht nur irgendwo in den großen Städten stattgefunden, sondern auch hier vor der Haustür und das möchte ich den Schülern zeigen“, sagt der Geschichtslehrer.
Bis zum 14. Januar 2024 zeigt das Jüdische Museum Berlin übrigens die erste große Ausstellung über jüdische Erfahrungen in der DDR. Die kulturhistorische Schau unternimmt eine dokumentarische Forschungsreise durch einen bisher wenig erkundeten Teil deutsch-jüdischer Geschichte und verknüpft sie mit Bildender Kunst, Film und Literatur, mit vielschichtigen Biografien und außergewöhnlichen Exponaten.