Aktion „Offene Kirchen”

Kirchturm-Aufstieg in Röbel besonders beliebt

Röbel / Lesedauer: 4 min

Mehr als 20.000 Menschen haben sich die Röbeler Marienkirche angesehen. Aussicht von ganz oben meist inklusive.
Veröffentlicht:09.08.2022, 16:22

Von:
  • Carina Göls
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Es ist der weite tiefe Blick in die Kindheit. Ilona Nych muss beim Blick vom Kirchturm der Röbeler Marienkirche die Tränen zurückhalten. „Die sind aber schon geflossen, als wir in die Stadt reingefahren sind“, gesteht die Hanauerin. Nahezu 50 Jahre ist es her, dass die Kindheit in den Ferien an der Müritz Geschichte ist. Seit genau dieser Zeit war sie nicht mehr in der kleinen Müritzstadt. Um so größer ist die Freude, Dinge von einst wiederzusehen. Und das beginnt schon mit dem Wasser. „Die Ferien für uns Kinder waren natürlich geprägt vom Baden in der Müritz, vom Spielen auf den Wiesen und in den Feldern, vom Seefest mit all seinen Abenteuern“, erinnert sich die 61-Jährige, die in diesen emotionalen Momenten umringt ist von Menschen, die wie sie und ihr Mann Reiner die Aussicht vom Marienturm genießen wollen.

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Kirchturm-Aufstieg beliebt

Urlauber nahezu ausnahmslos, wie eine der fünf ehrenamtlich für die Aktion „Offene Kirchen“ engagierte Frau erzählt. Gut 20 000 Leute seien seit Anfang Mai mit der Aktion der Offenen Kirchentür ins Gotteshaus gekommen. „Die meisten wollen nach oben!“, zeigt die junge Frau auf die Wendeltreppen zum Kirchturm. Aber auch der Gang in die Kirche selbst, das Staunen über den Altar und der „zunehmende Wunsch, eine Kerze zu entzünden“, gehörten für die meisten dazu. Das Lichtlein sei offenbar für viele ein Symbol des stillen Gebets für Dank oder Hilfe.

Dankbar ist auch Ilona Nych, als sie mit den starken Emotionen im Blick beginnt, aus jenen unbeschwerten Kinder- und Jugendtagen zu erzählen. Und so viele Namen fallen ihr da ein. Menschen, denen sie leider nicht mehr in allen Fällen begegnen könne. Ihre Großeltern sind da plötzlich wieder besonders präsent: „Wilhelm Dietz war mein Großvater. Viele in Röbel kennen vielleicht auch noch Bruno und Inge Dietz. Meine Oma hat in der Mühle sauber gemacht.“

Süßes kommt mit ins Gepäck für Zuhause

Der Duft von Bouletten – „Opa hat immer viel Fleisch mitgebracht. Und Oma stand dann am Herd und formte die Bouletten“ – gehöre ebenso dazu wie das Baden den ganzen Sommer lang. „Manfred Freyer hat uns Kindern das Schwimmen beigebracht. Es war eine gute Zeit“, sagt die Hanauerin. Und Bäcker Gryphan, den habe es ja damals schon gegeben. „Und Kuchen für uns.“ Inzwischen lenkt der Sohn die Geschicke der Tradtions-Bäckerei, die Reiner und Ilona Nych natürlich bereits entdeckt und etwas von dort geschlemmt haben während ihres Urlaubs an der Müritz. „Und bevor wir abreisen, werden wir Brote und Süßes dort kaufen. Dann freuen sich auch noch Verwandte bei uns zu Hause in Erinnerung an Röbel“, sagt Ilona Nych, die nun wieder die Region verlassen muss. Und noch eins wird die aufgeschlossen fröhliche Frau mitnehmen: den Muskelkater nach 149 Stufen auf den Turm und wieder hinab. Aber da wird sie nicht die Einzige sein, die mit Muskelkraft den ausgetretenen Backstein-Wendeltreppen mit Blick nach oben folgt. Und hofft, dass kein Gegenverkehr“ kommt.

Schmale Holztreppe führt nach oben

Das dicke Seil dient als Geländer. Und auf der Hälfte der Strecke muss man quasi umsteigen auf eine schmale Holztreppe. Dass man diese nur langsam passiert, das liegt nicht an dem abenteuerlichen Aufstieg allein. Denn auf dem Weg zum Turm tauchen plötzlich die alten schweren Kirchenglocken auf. Fast auf Augenhöhe und besonders gut von oben sind sie zu bestaunen. Und vielleicht lässt der eine oder andere mehr als die erwünschter Spende als Obolus für die Turmbesteigung da. Denn die Kirchgemeinden St-Marien und St-Nicolai – diese Kirche ist übrigens auch täglich geöffnet – wünschen sich neue Glocken für ihre Gotteshäuser. Mit vielen Ideen und Freiwilligen haben sie längst begonnen, das Geld dafür zusammenzubekommen.

Gäste aus vielen Nationen besuchen die Kirchen

Und ein bisschen Zeit ist auch noch, das über die Aktion „Offene Kirchen“ von St- Marien und St. Nicolai anzugehen. Denn diese dauert in Röbel noch bis Ende September. Die Ehrenamtlichen, die dafür sorgen, dass Besucher das beschauliche Ackerbürgerstädtchen nicht nur aus der Vogelperspektive auf dem Turm, sondern in seiner Architektur und der (Stadt-)Geschichte erleben, seien meistens sehr angetan, wie eine „Kirchen-Öffnerin“ erzählt. Sie würden viel erfragen und vor allem staunen, dass Röbel gleich zwei große Kirchen hat. Aus Deutschland, England, Frankreich kämen die Gäste. Und es sei auch umgekehrt eine Bereicherung, wenn die Menschen, die ihren Urlaub an Deutschlands größtem Binnensee verbringen, auch von ihrer Heimat erzählen. Und Geschichten dadurch lebendig werden, wie sie ebenfalls Ilona Nych kennt und im Herzen trägt.