Humor
Legendäres Kabarett auf Tour im Nordosten
Heringsdorf/Waren / Lesedauer: 6 min

Susanne Schulz
„Tunnel in Sicht“ heißt das Programm, mit dem Sie in den nächsten Tagen im Norden unterwegs sind. Sind Sie das Licht am Ende des Tunnels?
Das wollen wir doch ganz stark hoffen, dass wir das an diesen Abenden sind! Wir spielen ja ein Kabarett–Theaterstück mit drei unterschiedlichen Charakteren: Die arbeitslose Verkäuferin Dörte aus Dorte, die Superstar werden will, ein natürlich viel bodenständigerer Sargtischler und ein Schlaumeier, der über alles Bescheid weiß, diskutieren beim Warten auf den Zug die Welt- und Gefühlslage. „Tunnel in Sicht“ klingt vielleicht erst mal etwas pessimistisch, aber es geht natürlich nicht nur düster zu.

Immerhin verspricht der Untertitel auch „Lachen, wenn’s zum Heulen ist“. Wann vergeht Ihnen das Lachen?
Natürlich gibt‘s solche Momente und Themen. Das Schöne ist, dass man das auf der Bühne alles mitverhandelt. Das kann auch mal bitter, leise oder philosophisch werden. Aber letztlich wollen wir Freude am Leben haben und werden uns unsere Zukunft und unsere Träume nicht vermiesen lassen.
Kabarett hat ja auch den Vorzug, durch Überzeichnung über die gar nicht so lustige Realität lachen zu können. Wie hat es sich aber über die Jahre verändert, nicht nur mit dem Ende der DDR, auch mit der Entwicklung eines riesigen Comedy–Aufgebots?
Ich habe ja wirklich alles miterlebt. Die völlig stagnierende DDR Ende der 80er Jahre, als wir uns in Dresden allerhand erlaubten, was in Berlin schon nicht mehr ging: Das war eine spannende Zeit! Dann kam die Wende, und viele waren erst mal damit beschäftigt, alles schön zu finden. Da spielten wir hier vor leeren Sälen — bis man in den alten Bundesländern neugierig wurde, was die da aus dem Osten für seltsame Seelen sind.
Das hat sich wiederum in den 2010er Jahren verändert, die Gastspiele in Westen wurden weniger, aber hier zu Hause strömt das Publikum. Klar kam inzwischen Comedy auf, die schon anders ist als das, was wir machen. Kompatibler mit dem, was Leute hören wollen. Bei uns geht es um Anstupser, auch mal die eigene Meinung zu hinterfragen, da werden die Hirnzellen mittrainiert, nicht nur die Lachmuskeln. Wir sind aber keine Polit–Agitateure, auch wenn wir Haltung und Meinung zeigen, und auch mal solche, die nicht alle im Saal teilen.
Wie sehr sind Sie dabei in einer Kabarett–Rolle Schauspieler und wie sehr Sie selbst?
Man ist da schon viel mehr man selbst. Wenn ich Richard III. spiele, erwartet niemand, dass ich so bin wie er. Aber im Kabarett merken die Leute, dass da persönliche Haltung gezeigt wird. Deshalb sind schon die Proben so aufregend, weil wir viel diskutieren, damit sich letztlich jeder wohlfühlt mit dem, was er da auf der Bühne sagt.
Sie sind mit dem langjährigen Herkuleskeule–Chef Wolfgang Schaller verheiratet, der auch das aktuelle Programm geschrieben hat. Findet da diese Auseinandersetzung schon am Frühstückstisch statt?
Klar, das passiert vom Frühstück bis zum Schlafengehen! Das ist nicht immer angenehm, auch nicht für ihn, wenn ich meine Ideen durchsetzen will. Aber trotzdem halten’s wir schon fast 40 Jahre miteinander aus. Gerade haben wir auch mein drittes Soloprogramm zusammen gemacht. Das ist natürlich intensiver und kräftezehrender, macht aber auch doppelt so glücklich.
Ursprünglich haben Sie Musik studiert, bevor Sie zum Theater und zum Kabarett kamen. Was macht für Sie das Beste daran, solo oder im Ensemble, aus?
Mich zog es schon als Studentin zum Schauspiel. Aber ich wurde abgelehnt, Mädchen gab es da immer zu viele, also suchte ich mir was anderes. So kam ich auch zu einer kleinen Dresdner Amateurbühne, dann zum Schicht–Theater, und begegnete dort Wolfgang Schaller, dem Leiter der Herkuleskeule. Dort zu spielen, wäre natürlich das Größte! Tatsächlich durfte ich als Elevin anfangen und nach dem externen Studium an der Schauspielschule „Ernst Busch“ auch bleiben. Kabarett ist für mich genau das Richtige, weil ich so ein Unruhegeist bin und so gern vorlaut meine Gusche aufreiße, weil ich mich da auch persönlich einbringen kann, außerdem singen und meine musikalischen Fähigkeiten einsetzen kann. Diese Vielfalt hat mich immer beim Kabarett gehalten.
Sie hält sicher auch ein angestammtes, vertrautes Publikum – gewinnt sie überdies neue Zuschauer, die nicht schon damit aufgewachsen sind?
Bei uns zu Hause auf jeden Fall. Natürlich gibt es ein Stammpublikum, das jede Inszenierung besucht, oft auch mehrmals. Aber auch Zuschauer, die zum ersten Mal kommen, zum Beispiel in Abiturklassen, und nicht gedacht hätten, dass es sie so begeistern würde. Kabarett ist ja nicht unbedingt das, worauf ganz junge Leute anspringen, klar, es richtet sich vor allem an Menschen, die sich für Politik interessieren.
Wobei viele Politiker nicht besonders markant sind. Auch darüber gibt‘s ja schon Sketche, dass von manchen Ministern noch nie jemand was gehört hat.
Ja, dass Gesichter so austauschbar sind, macht es uns natürlich etwas schwerer. Wie will man denn bitte einen Olaf Scholz erkennbar parodieren?
Da hatten Sie es bei Angela Merkels Raute, Mundwinkeln und Tonfall tatsächlich einfacher. Und welche Unterschiede erleben Sie beim Publikum, ob zwischen Ost und West, Nord und Süd, Stadt und Land?
Gar nicht mal so gravierende. In ländlichen Gegenden ist ein Gastspiel natürlich ein größeres Event als in einer Stadt, wo an jeder Ecke was zu erleben ist. Die Norddeutschen sind etwas schwieriger aus der Reserve zu locken. Und das Ost–West–Thema gibt es schon auch noch, zumal wir mit einer östlichen Sichtweise spielen, die nicht immer auf Gegenliebe trifft.
Wie halten Sie’s mit gegenwärtigen Aufregern wie der Gender–Debatte?
Ganz klar, dass wir uns damit beschäftigen! Auch wenn wir uns da selbst gar nicht alle einig sind. Gerade deshalb ist das eine Spielwiese, auf der man sich sehr vielfältig bewegen kann. Da geht es nicht darum, was richtig oder falsch ist, wer Recht oder Unrecht hat. Das können wir alles auf der Bühne ausfechten.
Und wer oder was bringt Sie zum Lachen?
Das ist eine schwierige Frage – oder auch gar nicht: Ich bin kein sehr kritischer Zuschauer, ich freue mich an dem, was andere machen. Es gibt so viele tolle Schauspieler, die Komik und Tragik gleichermaßen hinbekommen. Henry Hübchen gehört dazu und Corinna Harfouch, ich liebe auch die Filme von Andreas Dresen und mag viele Kabarett-Kollegen, die sich zwischen diesen Welten bewegen und mit Komik was zu sagen haben.