Tele-Medizin
Mangelware Notarzt − Rettung gibt es nun per Video
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Carsten Schönebeck
Lange Wege und knappes Personal – der Rettungsdienst an der Mecklenburgischen Seenplatte, aber auch anderswo im ländlichen Raum, steht immer wieder in der Kritik. Auch Nordkurier-Leser berichten regelmäßig von langen Wartezeiten auf Sanitäter, bei denen die sogenannte Rettungsfrist deutlich überschritten wird.
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Schwerer Unfall – lange Wartezeit
Erst vor wenigen Tagen gab es einen Fall in der Müritz-Region, bei der eine verunglückte Radfahrerin mindestens 25 Minuten – statt der vorgeschriebenen 10 – auf den Rettungswagen warten musste. Eine Zeitspanne, die im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden kann.
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Und selbst wenn der Rettungsdienst vor Ort ist: Bis auch ein Notarzt eintrifft, dauert es meist deutlich länger. In Schwerin gibt man zumindest vor, das Problem auf Landesebene angehen zu wollen. Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) sprach erst kürzlich davon, dass in Zukunft landesweit sogenannte Tele-Notärzte zum Einsatz kommen sollen. Neu ist die Idee nicht. Im Gegenteil: Der Nachbarlandkreis Vorpommern-Greifswald setzt bereits seit rund fünf Jahren auf Notfall-Mediziner, die sich aus der zentralen Leitstelle zuschalten, wenn der Rettungsdienst vor Ort ist. Flächendeckend funktioniert das noch nicht, entlastet aber stückweise die Ärzte, die per Auto oder gar Hubschrauber im Außeneinsatz unterwegs sind.
Sanitäter dürfen vieles nicht alleine
Das Konzept: Per Zuschaltung in Bild und Ton können sich Notärzte ein Bild von der Lage machen, erste Diagnosen stellen, die Sanitäter beraten und abwägen, welche Erstbehandlung angebracht ist. Dahinter steckt auch eine rechtliche Zwickmühle im Rettungsdienst. Denn selbst erfahrene Rettungsassistenten dürfen bestimmte Behandlungsmethoden oder Medikamente nicht ohne Rücksprache mit einem Arzt einsetzen.
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Enorme technische Herausforderungen
Doch die simpel klingende Idee stellt die Rettungsdienste vor enorme technische Herausforderungen. Gerade dort, wo Notfall-Patienten schlecht erreichbar sind, fehlt oft auch die Netz-Abdeckung. Funklöcher kennen die Einwohner kleinerer Ortschaften an der Seenplatte nur zu gut.
In Vorpommer-Greifswald setzt man deshalb auf eine enorme technische Aufrüstung in den Rettungsfahrzeugen. Gebraucht werden nicht nur Monitore und Mikrofone für den Einsatz innerhalb und außerhalb des Wagens. Spezielle Antennen und entsprechende Chips sollen dafür sorgen, dass mehrere Mobilfunknetze wahlweise und sogar gleichzeitig genutzt werden können, um den Notarzt virtuell an den Einsatzort zu bringen.
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Sehr teure Rettungswagen
Das alles ist nicht gerade günstig. Schon bei der Einführung des Konzepts im Nachbarkreis war die Rede von rund 40 000 Euro – pro Rettungswagen. Eine Investition, die man längst nicht flächendeckend leisten wollte. Beim Start des Projektes 2017 gab es gerade mal zwei entsprechende Fahrzeuge. Sukzessive sollte die Flotte auf sechs Rettungswagen mit Video-Funktion ausgeweitet werden. Hinzu kommen die Personalkosten für die Ärzte selbst, die in der Rettungsleitstelle vorgehalten werden.
Und es bleibt eine weitere Frage, die beim Thema Tele-Medizin immer auftaucht: Soll der Arzt auf dem Monitor eigentlich den direkten Kontakt ersetzen? In der Vorbereitung des Projektes gab es aus der Politik noch ein deutliches Nein. Der Tele-Notarzt solle lediglich eine Ergänzung sein. Schnellere Hilfe bieten, wenn der Kollege noch unterwegs zum Einsatzort ist – oder auch als Ansprechpartner dienen, falls der Arzt vor Ort eine zweite Meinung einholen will.
Doch die guten Vorsätze hatten sich bis zum eigentlichen Start schon teilweise zerstreut. Da war bereits die Rede davon, dass der Arzt per Video durchaus den klassischen Notarzt ersetzen könne – in Fällen, bei denen nicht von lebensbedrohlichen Situationen auszugehen sei. Das scheint man jetzt auch in Schwerin im Hinterkopf zu haben, wenn man die landesweite Ausdehnung des Konzepts ankündigt. „Telenotärzte im Rettungsdienst können Teil der Lösung sein. Notarzteinsätze haben sich reduziert. Das zeigt die Auswertung des Modellprojektes in Vorpommern-Greifswald“, so Gesundheitsministerin Stefanie Drese.