Mutter klagt an

Nach Unfall mit E-Bike nur knapp dem Tod entkommen

Seenplatte / Lesedauer: 4 min

Eine Frau stürzte mit dem E-Bike und verletzte sich schwer. Die Rettungskräfte, das räumt auch der Landkreis ein, brauchten viel zu lange bis zur Unfallstelle. Kein Einzelfall.
Veröffentlicht:07.08.2022, 07:23
Aktualisiert:07.08.2022, 07:25

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Eine 55-Jährige hatte vor wenigen Wochen wohl einen Schutzengel, als sie die tragischen Umstände ihres Unfalls in diesem Sommer überlebte. Mit ihrem E-Bike stürzte sie vor wenigen Wochen wegen eines Stolpersteins bei Poppentin zwischen Malchow und Waren, schlug mit dem Gesicht aufs Kopfsteinpflaster, brach sich Schädel und Augenhöhle. Doch ein Rettungswagen kam und kam nicht.

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Wie lange war der Rettungsdienst unterwegs?

Fast eine Stunde habe die Radfahrerin blutend auf dem Boden gelegen, bis endlich Hilfe eintraf, das berichtet die Mutter der Gestürzten dem Nordkurier. Sie macht die späte Ankunft der Rettungskräfte fassungslos: „Das kann nicht sein“, sagt die Malchowerin. Sie sei dankbar, dass Anwohner sich bis zum Eintreffen des Rettungswagens um ihre Tochter gekümmert hätten. Auch die Rettungskräfte hätten nach ihrer Ankunft mit viel Einsatz reagiert, als sie die Verunfallte gleich in eine Spezialklinik nach Güstrow fuhren. Doch sie kamen aus ihrer Sicht einfach viel zu spät. Ein Notarzt sei überdies gar nicht aufgetaucht.

In der Rettungsleitstelle des Landkreises widerspricht man allerdings der Mutter und ihrer Behauptung, dass es derart lange gedauert habe, bis Hilfe eintraf. Wie dem Nordkurier aus der Kreisverwaltung mitgeteilt wird, sei der alarmierte Rettungswagen laut Einsatzprotokoll 25 Minuten nach dem Notruf an der Unfallstelle gewesen. Allerdings liegt auch dieser Wert noch immer eine Viertelstunde über der sogenannten Hilfsfrist, die in Mecklenburg-Vorpommern landesweit per Gesetz vorgegeben ist.

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Zu wenige Wachen im Landkreis Seenplatte

Die Gründe dafür werden noch ermittelt, heißt es knapp aus der Verwaltung. Der nächste Rettungswagen, von der Unfallstelle aus betrachtet, stehe in Bollewick – also nur rund 15 Kilometer entfernt. Ein Notarzt sei nach erster Einschätzung des Disponenten, der den Notruf entgegennahm und bearbeitete, offenbar nicht nötig gewesen. Die Mitarbeiter seien darin geschult, die Lage zu beurteilen, heißt es von der Leitstelle des Landkreises.

Die Frage bleibt: Handelt es sich um ein grundsätzliches Problem? Fahren die Rettungsteams möglicherweise einfach zu viele Einsätze und können nicht überall sein? Aus Sicht der Behörden nicht: Pro Schicht fahre die Besatzung eines Rettungswagens bis zu acht Fahrten. „Eine Überlastung wurde bisher nicht angezeigt“, heißt es aus der Kreisverwaltung. Wo etwa Rettungswege im Landkreis verkürzt werden müssen, legte den Behördenangaben zufolge ein Gutachten im vergangenen Jahr offen. Die Hilfsfrist werde im ländlichen Raum der Mecklenburgischen Seenplatte in rund 75 Prozent der Fälle eingehalten. In den kommenden Jahren sollen im Gutachten empfohlene Verbesserungen umgesetzt werden. Erste Maßnahmen würde man bereits planen. Wohin Rettungsfahrten im Landkreis besonders lange dauern, wird laut Verwaltung dagegen nicht statistisch ermittelt.

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Gutachten sieht massive Probleme im Rettungsdienst

Allerdings wurde erst vor wenigen Monaten im Sicherheitsausschuss des Kreistages offenbart, dass insbesondere im ehemaligen Müritz-Kreis nahe der Autobahn 19 weitere Rettungswachen entstehen müssten, um die vorgegebenen Einsatzzeiten einhalten zu können. Wie dort berichtet wurde, gibt es dringende Bedarfe an zusätzliche Wachen und Einsatzwagen unter anderem in Stuer, Penkow, Neukalen, Rosenow, Neustrelitz, Altentreptow, Feldberg, Friedland, Malchin, Mirow und Moltzow.

Bekannt ist das Problem der langen Wege für die Rettungswagen im Landkreis allerdings schon deutlich länger. Bereits 2014 gab es Überlegungen, das Netz aus Rettungswachen an der Seenplatte völlig neu zu beplanen. Am Ende geschah es nicht, unter anderem weil Land, Kreis und Krankenkassen sich nicht darüber einig wurden, wer bei einer solchen Planung eigentlich für was zuständig sei.