Interview

Passt eine Lachsfarm zum Tourismus in Malchow, Herr Bürgermeister?

Malchow / Lesedauer: 7 min

Fischfabrik, Straßenverkehr, Umweltziele – und natürlich Corona. Susann Salzmann sprach mit Bürgermeister René Putzar über das, was war, und das, was kommt.
Veröffentlicht:04.01.2022, 18:27

Von:
  • Susann Salzmann
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Zu Beginn ein Rückblick: Was war das Beste für Sie am vergangenen Jahr 2021?

Mit Abstand die Eröffnung des neuen Hortgebäudes auf dem Areal der Goetheschule, aber auch das tolle Ergebnis von bürgerschaftlichem Engagement und Verwaltungsarbeit, der Spielplatz „Mecklenburger Arche“. Die tolle und beeindruckende Arbeit des Volksfestvereins im 30. Jahr seines Bestehens, dem wir, trotz Corona, das Volksfest 2021 zu verdanken haben. Die technische Wiederinbetriebnahme unserer alten schönen Windmühle und die Erfolge bei den baulichen Projekten der Stadt.

Was lief 2021 nicht gut? Welche Pläne mussten „beerdigt“ werden?

Trotz Corona gab es keine Totalausfälle. Betroffen waren natürlich vor allem die Belange des öffentlichen Lebens, die Feierlichkeiten, Feste und Treffen, aber „beerdigen“ mussten wir keine wichtigen Pläne.

2021 war das zweite Jahr in Folge im „Corona-Modus“. Menschen protestierten gegen Maßnahmen und Corona-Politik auch in Malchow. Wie haben Sie die Situation wahrgenommen und was wünschen Sie sich für 2022?

Für das kommende Jahr wünsche ich mir, dass wir zur Normalität zurückkehren können. Ich würde mir auch wünschen, dass uns Zuversicht und Hoffnung und nicht nur Angst und Bedenken durch das Jahr 2022 begleiten. Proteste und Kundgebungen aller Art gehören zur demokratischen Vielfalt und sind Ausdruck unserer zivilisierten Gesellschaft. Wichtig ist aber auch hinzuhören, um die Sorgen und Nöte und das Anliegen verstehen zu können.

Mehr zum Thema: Peta-Protest im Fischkostüm – Diskussionen über Lachsfarm

Zu den Themen, die 2021 polarisiert haben, gehört die geplante Lachsfarm. Massentierhaltung in einem Tourismusort: Wie passt das für Sie zusammen? Sehen Sie darin Widerspruch oder Chance?

Auch ich war sehr skeptisch, zunächst. Wie wird sich so eine Anlage auswirken auf Malchow, wird es dann nach Fisch oder Produktion riechen, und wie soll das in einem Luftkurort gehen? Darum waren Vertreter der Politik, des Landkreises, der Wirtschaftsförderung und des Veterinäramtes in Polen, um sich eine ähnliche Anlage anzusehen. Es roch nach Wasser, die Anlagen waren sauber, und alle Teilnehmer haben nur Positives berichtet. Zudem wird bei einer großen Landwirtschaftsanlage immer auch behördlich geprüft, ob und wie diese verträglich ist. Für Malchow war die Anfrage der Auftakt, ein lange schwelendes Thema, die Grundversorgung der Stadt mit Strom und Wasser, endlich zukunftsorientiert anzugehen. Unabhängig vom Verlauf des Antragsverfahrens brauchen wir in Zukunft in Malchow mehr Strom und mehr Wasser. Dazu reicht unsere derzeitige Versorgung dann nicht mehr aus.

In Summe ist es also als Chance zu sehen. Zukunftssicherheit bei Strom und Wasser – egal, wer künftig anfragt –, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Bekanntheit der Stadt – stellen Sie sich vor, Lachs aus Malchow! Und ja, auch Sicherung des künftigen Fischbedarfes für Deutschland. Wenn das Unternehmen dann auch noch ein Outlet anbietet, haben wir sogar Fischtourismus.

Der Sommer 2021 hat wieder einmal gezeigt, dass sich viele Fahrzeugkolonnen über die Insel wälzen. Gibt es Pläne, den Verkehr auf der Insel zu beruhigen? Wann und wie ist die Umsetzung dessen geplant?

Seit ich als Bürgermeister im Amt bin, versuche ich, dafür Lösungen zu finden. Ich halte nichts davon, das Problem der Insel in einen anderen Stadtteil zu verlagern, zum Beispiel mit einer Brücke an einem anderen Wohngebiet. Was wir brauchen, ist eine tatsächliche Entlastung. Der Instrumentenkasten ist dabei umfangreich: Temporäre Sperrung für den Durchgangsverkehr, Verringerung des Einkaufsverkehrs durch einen Discounter auf der Klosterseite, das alte Projekt Parkhaus gehört ebenfalls dazu. Wir wollen Auffangkapazitäten am Stadtrand für Fahrzeuge erhöhen und idealerweise in der Saison einen touristischen Stadtverkehr aufbauen, der es ermöglicht, auf das eigene Auto zu verzichten.

Wir haben den Kontakt zum Landkreis wieder aufgenommen, um das Thema in 2022 tatsächlich auf ein neues Niveau zu heben, und auch eine Einwohner-Versammlung zur Thematik Entwicklung der Insel als Wohnquartier ist im Frühjahr geplant. Da das im Detail eine sehr komplexe und auch rechtlich nicht einfache Angelegenheit ist, bei der wir Ministerien und Landkreis mit im Boot haben müssen, dauert das schon noch zwei bis drei Jahre, vermute ich.

Im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) sind Ziele festgeschrieben, mit welchen Maßnahmen die Attraktivität der Stadt noch erhöht werden könnte. Wie sieht es im ISEK mit Zielen zum Klima- und Umweltschutz aus? Welche davon sind umgesetzt, und welche sollen 2022 umgesetzt werden?

Schwerpunkte aus dem ISEK sind unter anderem die Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität, die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, die Belebung der Innenstadt, die Verbesserung und Modernisierung der Schullandschaft und das Schärfen des touristischen Profils mithilfe des Klosters.

Die Klimaschutzziele sind eher in unserem Klimaschutzkonzept verankert. Sie dürfen aber natürlich nicht getrennt werden vom ISEK und von der Entwicklung der Stadt.

Dinge, die wir festgelegt haben und auch schon umsetzen, sind zum Beispiel die Umstellung der Beleuchtung auf digitale LED-Technik. Das machen wir bereits in den Schulen und Turnhallen, das machen wir bei der alten und neuen Straßenbeleuchtung und auch in der Eissporthalle zum Beispiel oder im Rathaus. Wir tauschen alte Feuerwehrfahrzeuge aus und achten bei der Anschaffung insbesondere auf die Schadstoff-Emission. Ebenso erneuern wir die zum Teil schon über 30 Jahre alte Technik des Stadtbauhofes.

Dann soll durch die Verkehrsberuhigung auf dem Wasser und auf der Insel natürlich auch der Schadstoffausstoß reduziert werden. Wir haben einen Aufstellungsbeschluss für eine Photovoltaikanlage gefasst, die grünen Strom produzieren wird und zum Teil den Stadtwerken, also der Stadt, gehören wird. Unsere Stadtwerke beteiligen sich mit der eigenen Biogasanlage auch an der Verstromung des Biogases und sondieren Möglichkeiten zur Wasserstoffproduktion. Wir haben inzwischen mehrere Ladestellen für Elektro-Pkw und es kommen in 2022 noch weitere dazu.

Durch das Angebot an Fernwärme leisten die Stadtwerke ebenfalls einen Beitrag zum Klimaschutz. So ist etwa auch das neue Hortzentrum an das Fernwärmenetz angeschlossen. Die Liste ist noch länger. Ob wir auf dem richtigen Weg sind und was wir darüber hinaus noch tun können, wollen Verwaltung und Politik im kommenden Jahr gemeinsam mit einer Beratungsfirma überprüfen lassen.

Ein Blick auf die Entwicklung der Stadt Malchow: Was wird 2022 für die Malchower bringen? Welche Investitionen sind geplant?

Ich wünsche uns Malchowern vor allem die Rückkehr von Sicherheit, Vertrauen und Zufriedenheit. Wichtig für uns alle ist darum, dass wir endlich die Corona-Pandemie hinter uns lassen können. Den Gewerbetreibenden wünsche ich, dass sie die lange Durststrecke endlich überwinden können und richtig tolle Umsätze mit zufriedenen Kunden machen. Uns wünsche ich, wieder feiern zu können bis zum Abwinken. Ob Pfingsten, Volksfest, Klosternächte, Hafenkonzerte, Wikingerfest, Brückenfest oder, oder, oder. Wir sind ein feierlustiges Inselvolk und haben uns das nach den letzten zwei Jahren auch verdient.

Wir wollen weiter unser marodes Straßennetz sanieren und insbesondere weiter die Gehwege und die Straßenbeleuchtung verbessern. Auch auf dem Kloster wird es weiteres Baugeschehen geben. Die Schulen werden digitalisiert und viele öffentliche und private Bauvorhaben werden unterstützt: Edeka investiert in die Zukunft, genau wie unsere Landesfeuerwehrschule. Das Feriendorf an der alten Ziegelei, das auch für uns Malchower geöffnet wird, und die weitere Entwicklung im Kurgebiet. Der Abschluss der Strandstraße, mit Strandbad und Promenade, gern auch weitere Fortschritte auf dem Waldsportplatz. Malchow wird, was die Stadtentwicklung betrifft, sicher weiter große Schritte machen.

Malchow ist bekannt für seine leidenschaftliche Diskussionskultur in den Ausschüssen und Stadtvertretungen. Was wünschen Sie sich für die künftige Arbeit in politischen Gremien?

Eine konstruktive Streitkultur ist unbedingt nötig, wollen wir uns weiterentwickeln. Mit den meisten Vertretern lässt sich sehr gut um die Sache streiten. Von dem einen oder anderen wünsche ich mir eine Versachlichung der politischen Diskussion, Offenheit und wirkliches Interesse an der Stadt und nicht am eigenen Ego oder Vorteil. Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang mit meinen Mitarbeitern und Amtsleitern. Nicht zuletzt wünsche ich mir, dass jeder sich uns gegenüber einfach nur so verhält, wie er selber gern behandelt werden will.