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Gedenken

Schüler erinnern an die Pogrome an der Müritz

Waren / Lesedauer: 3 min

Der Alptraum für jüdische Menschen im Deutschen Reich begann schon früher, erreichte einen traurigen ersten Höhepunkt im November 1938. Dem wurde am Donnerstag in Waren gedacht.
Veröffentlicht:09.11.2023, 17:30

Von:
  • Miriam Brümmer
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Schüler der 11. Klasse des Richard-Wossidlo-Gymnasiums hatten sich am Donnerstagmittag vor dem Haus Neuer Markt 16 in Waren zusammengefunden, um an die Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November vor 85 Jahren zu erinnern.

Erinnerung an verfolgte Warener Familie

Dieses Haus gehörte einst der Familie Löwenberg, einer angesehenen Kaufmannsfamilie, die Kolonialwaren und Bekleidung verkauften und einen Kohlehandel hatten und seit über 100 Jahren in Waren lebte, wie die Religionslehrerin Dorothea Rother, weiß. Aus persönlichen Gesprächen mit Zeit- und Augenzeugen kann sie ganz genau wiedergeben, was sich am Morgen des 10. Novembers zugetragen hatte und was dieser und anderen jüdischen Familien widerfahren war.

Weil die Familie so angesehen war, habe sich selbst von den Nazis zuerst niemand getraut, Steine auf das Haus und die Schaufenster zu werfen – bis ein 17-Jähriger den Anfang machte. „Danach gab es kein Halten mehr, alles wurde rausgeholt, auf den Markt geworfen und verbrannt“, berichtet sie. Dennoch sei das, was dort geschah, für viele unbegreiflich gewesen. Leider weniger im Mitmenschlichen. Ein damals junger Mensch habe gemeint, „die Sachen sind doch noch gut“. An den Überfluss der heutigen Zeit war noch lange nicht zu denken. Als alles zu Asche zerfallen war, musste Vater Max Löwenbergs die Reste selbst zusammenfegen, entsorgen und für die Kosten aufkommen.

Dorothea Rother lässt Bilder von der Familie durch die Schülerrunde gehen. Sie zeigen Fotos der Familie, von glücklichen Kindergeburtstagen, mit so vielen Gästen, da würden heute Kinder von träumen, ist die Lehrerin überzeugt. „Das zeigt, wie beliebt diese Familie war.“ Um an diese Nacht und die Schicksale zu erinnern, wurden vor Jahren sogenannte Stolpersteine vor dem Haus eingelassen. Damit sie besser sichtbar sind, wurden sie wieder auf Hochglanz poliert. Seit 2015 hat das Gymnasium die Patenschaft für alle Mahn-Steine übernommen, die mit der Schule zu tun haben und putzt diese mindestens einmal im Jahr.

Schülerfilm erinnert an Überlebende

Am Nachmittag wird gemeinsam mit der Stadt und dem Film „Gerdas Geheimnis“ im Gymnasium an die Ereignisse in der Reichspogromnacht erinnert. Der Film beschreibt das Schicksal der einzigen Überlebenden der Warener Familie Löwenberg. Sie hatte es nach Amerika geschafft und dort eine Familie gegründet. Ihre Tochter habe erst im Alter von 60 Jahren erfahren, dass sie jüdisch sei. Das geht aus dem E-Mail-Austausch der Tochter und der Lehrerin hervor. Es sei das Schicksal zahlreicher Juden, die überlebt haben, sagte Dorothea Rother. Viele hätten aus Angst in den Jahren nach dem Nationalsozialismus versucht, ihre Religion zu verheimlichen.

Der Film „Gerdas Geheimnis“ wurde 2015 durch Schüler des Richard-Wossidlo-Gymnasiums erarbeitet, mit Unterstützung der Religionslehrerin Dr. Dorothea Rother und der Medienpädagogin Anja Schmidt.

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