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Prozess

Selbst gestohlen oder günstig gekauft? Haftstrafe für obskuren Handwerker

Möllenhagen / Lesedauer: 4 min

Aus einem Gebäuderohbau ist so einiges herauszuholen ‐ wenn man weiß, wann Bauteile geliefert werden. Ein solcher Fall hat ein Gericht in Waren beschäftigt. 
Veröffentlicht:20.11.2023, 05:55

Von:
  • Winfried Wagner
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Die Nacht zum 12. September 2020 wird Unternehmer Robert K. wohl nie vergessen. Unbekannte trennten mit einem Bolzenschneider die Kette am Bauzaun auf, brachen in die Baustelle an der B 192 in Möllenhagen ein und stahlen die Hälfte der neuen Fenster. „Das waren alles Sonderanfertigungen“, sagte eine Bekannte, als der Diebstahl jetzt vor dem Amtsgericht in Waren/Müritz verhandelt wurde. Genau diese Sonderanfertigungen wurden einen Tag später in einem Nachbarort auf dem Hof eines selbstständigen Handwerkers gefunden, der schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war.

Drei Jahre später sitzt der 30-Jährige nun deswegen vor Gericht. Der Angeklagte gibt an, dass er inzwischen privat im Zentrum von Berlin wohnt ‐ wenn er nicht gerade hinter Gittern sitzt. Im Augenblick ist das Gefängnis in Berlin-Moabit seine Adresse. Der Mann mit einem langen Vorstrafenregister muss bereits eine zweieinhalb Jahre lange Freiheitsstrafe absitzen. Die Palette der kriminellen Karriere seit 2015 reicht von Betrug, Fahren unter Alkohol und auch ohne Führerschein über Diebstahl, Nötigung und Nachstellung bis zur Körperverletzung und Beleidigung.

Er habe alles gebraucht, um sein Haus zu erneuern

Fast scheint es, der Beschuldigte wolle reinen Tisch machen. Schließlich hat er ein vierjähriges Kind zu versorgen, das bei dessen Mutter lebt, aber für das er Unterhalt zahlt. „Ja, ich hatte die Fenster“, gibt der Angeklagte das Nicht-mehr-Leugbare zu. Aber er habe sie „von meinem Polen“ gekauft. „Ich wusste, dass das nicht ganz astrein ist, aber sie waren sehr preiswert“, versucht der 30-Jährige, seine Motivation darzulegen. Statt neu um die 3000 Euro habe er nur 700 Euro bezahlt. Da er damals sein altes Haus völlig erneuern wollte, habe er einfach alles gebraucht.

Richterin Alexandra Sprigode-Schwencke sieht ihn skeptisch an. „Und warum wurde dann auch der Bolzenschneider bei ihnen gefunden, der wohl ein Tatwerkzeug war?“, fragt sie. Den habe er wohl auch mitgekauft, meint der Angeklagte lapidar.

Fenster letztlich doppelt bezahlt

Der eigentliche Fensterbesitzer Robert K. muss in den Zeugenstand. Die Richterin will wissen, wie hoch der Schaden genau war und welche Auswirkungen die Tat auf die Baustelle hatte. Ja, er habe alle Fenster zurückbekommen, sagt der Unternehmer, aber erst etwa ein Jahr später von der Polizei. Für den Bau habe er sich neue Fenster bestellen müssen. Und die Versicherung habe leider nichts bezahlt, da das Diebesgut ja wiedergefunden worden sei.

Verwundert zeigen sich die Geschädigten darüber, dass alle mehr als 30 gestohlenen Fensterverriegelungen bei dem Angeklagten auftauchten. Wenn dieser 15 Fenster von „seinem Polen“ gekauft habe, hätte er ja vielleicht auch nur 15 Verriegelungen gebraucht? Das ficht den 30-Jährigen wenig an. Er bleibt bei seiner Aussage, weiß aber angeblich keinen vollständigen Namen seines polnischen Bekannten. Er kann auch nicht erklären, warum ausgerechnet seine Fußspuren in dem Rohbau zu finden waren.

Sich selbst noch als Zeuge angeboten 

Und es wird noch dreister: Am Tag nach dem Einbruch fuhr er nach Möllenhagen. Dort teilte er Robert K. und dessen Bekannten mit, dass er gesehen habe, wie nachts ein Transporter mit Licht am Rohbau gestanden habe und „die Polen dort drin waren.“ „Ich wollte einfach von meinem Hof ablenken“, räumt er ein. Da erwähnte er aber noch nicht, dass die gestohlenen Fenster bei ihm gelandet waren. Das förderte dann eine Durchsuchung zutage.   

Da es keine direkten Tatzeugen gab, kann man die Version des Angeklagten nicht ganz widerlegen, sagt die Richterin, lässt sich aber trotzdem nicht beirren. Wegen Hehlerei verhängt sie eine sechsmonatige Freiheitsstrafe gegen den erstaunten Angeklagten. „Mit einer Geldstrafe, wie von Staatsanwaltschaft und Verteidiger gefordert, sind sie nicht mehr erreichbar“, sagt sie mit Blick auf die lange Vorstrafenliste. Als Richterin halte sie die Fenster-Geschichte des Mannes für sehr konstruiert und nicht besonders glaubhaft. Erschwerend komme noch hinzu, dass der ganze Vorfall in eine Bewährungszeit des Verurteilten fiel.

Richterin geht über Antrag der Staatsanwältin hinaus

Deshalb geht das Gericht deutlich über die Forderung der Staatsanwältin hinaus. Diese hatte eine Geldstrafe von 12 000 Euro gefordert. Verteidiger Uwe Pagel hatte auf eine Geldstrafe von lediglich 2250 Euro plädiert, da sein Mandant „nur 300 Euro Arbeitsgeld im Monat im Gefängnis bekommt“. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Es könnte sogar noch in eine deutlich längere Freiheitsstrafe einfließen: Gegen den 30-Jährigen, der in Fußfesseln gleich wieder in die JVA Berlin-Moabit gefahren wurde, läuft ein weiteres Verfahren wegen Verdachts der schweren räuberischen Erpressung. Damit dürfte der „selbstständige Zimmermann“ für längere Zeit nicht wieder in Möllenhagen auftauchen. „Den will auch niemand mehr dort sehen, der hat uns nach der Tat sogar noch bedroht“, sagte eine der etwas erleichterten Frauen nach der Verhandlung.