Streit um neuen Netto
Sind zwei Supermärkte zu viel für Möllenhagen?
Möllenhagen / Lesedauer: 4 min

Ingmar Nehls
„Unter Geschwistern gibt es auch mal Streit“, so hatte sich der Demminer Awo-Geschäftsführer Klaus Schmidt noch vor zwei Wochen sehr diplomatisch zum Netto-Krimi in Möllenhagen geäußert. Die Awo Demmin baut den jetzigen Edeka-Markt, der zum 31. Dezember schließt, um und eröffnet dort im Frühjahr 2023 einen Cap-Markt. Dafür gab es auch grünes Licht der Gemeindevertreter.
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Nachdem Investor Heiko Anker und Patrick Muranko, Netto-Gebietsleiter Expansion Ost, nun deutlich gemacht haben, weiter an einem zweiten Markt für Möllenhagen festzuhalten und Möllenhagener Bürger schon über 800 Unterschriften für den Netto neben dem Autohof Hoyer gesammelt haben, meldet sich auch Klaus Schmidt, um seinem Ärger Luft zu machen und einige Aussagen klarzustellen, die aus seiner Sicht falsch seien.
Wie viel Kaufkraft hat die Region wirklich?
So zweifelt Schmidt die Annahmen der Auswirkungsanalyse an, die der Investor Heiko Anker bei der Firma Stadt+Handel beauftragt hat. Die Analyse prognostiziert einen perspektivischen Jahresumsatz von etwa 3,6 Millionen Euro durch die beiden Märkte. Diesem Jahresumsatz stehe ein sortimentsspezifisches Kaufkraftpotenzial im Einzugsgebiet in Höhe von 10,4 Millionen Euro gegenüber.
Klaus Schmidt glaubt nicht, dass die Region um Möllenhagen, in der 2511 Einwohner leben, nach den Preissteigerungen von Kraftstoff, Gas und Strom eine Kaufkraft von 10,4 Millionen Euro besitzt. Er verweist wiederum auf ein Edeka-Gutachten der Cloppenburg GHB Nord Expansionsabteilung aus dem November 2021. In dem wird von einer Kaufkraft von 5,7 Millionen Euro ausgegangen, bei einem Marktanteil von 30 Prozent, denn viele aus der Gemeinde arbeiten in Stavenhagen, Waren oder Neubrandenburg und würden dort auf dem Arbeitsweg ihre Einkäufe erledigen. Im Ort selbst könne man vor allen Bürger mit geringer Mobilität versorgen. In dem Edeka Gutachten wird auch auf die stark rückläufige Einwohnerentwicklung von -17,5 Prozent bis 2040 hingewiesen.
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Die von der Gemeindevertretung beschlossene Planung sei darauf gerichtet, dass Invest-Ruinen und damit zukünftige Schandflecken vermieden werden sollen. „Auch wenn sich in dieser Angelegenheit einige Bürger Kapitalismus und Kannibalismus aus vermutlich egoistischen Gründen wünschen, sind diese Bürger meist froh darüber, dass sie in einer sozialen Marktwirtschaft leben, sobald es ans eigene Portemonnaie oder den eigenen Arbeitsplatz geht“, sagt Klaus Schmidt. Er sei aber gerne bereit, sich einer sachlichen Diskussion mit harten, belastbaren Zahlen, Daten und Fakten zu stellen, sollten die „bislang nicht vollumfänglich“ informierten Bürger wirklich daran interessiert sein.
Awo Demmin will nicht „Lückenbüßer“ sein
Man müsse starke Zweifel daran haben, dass Anker und Muranko kommunale Interessen verfolgen. „Der eine verdient Geld mit jedem Markt, den er baut und der andere als Expansionsleiter Geld mit jedem neuen Markt, der eröffnet wird“, sagt Klaus Schmidt. In eine bestehende Immobilie zu investieren, sei auch nachhaltiger, als eine zusätzliche Fläche zu versiegeln. In einer sozialen Marktwirtschaft gebe es Ordnungspolitische Maßnahmen mit einer Regionalplanung des Regionalen Planungsverbandes des Landkreises, die ebenfalls die Aussage getroffen habe, dass nur ein Markt im Lebensmitteleinzelhandel lebensfähig sei und am Standort Möllenhagen betrieben werden sollte.
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Die Awo Demmin habe nicht vor, mit der Sanierung des bestehenden Marktes der ,,Lückenbüßer‘‘ zu sein, um dann abzuschließen, wenn der Netto endlich fertig gebaut sein sollte. „Ganz oder gar nicht. Wir werden nicht eine Million Euro unseres Verbandes in die Hand nehmen, sofern nicht klar ist, ob ein zweiter Markt dazukommt. Das sind wir unseren Mitarbeitern und Mitgliedern schuldig. Jetzt hat die Gemeindevertretung für Klarheit gesorgt und wir haben den Gemeindevertretern unser Wort gegeben und stehen damit ein“, sagt Klaus Schmidt.