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▶ So endet eine Gutshof-Ära an der Müritz – und wie geht es weiter?

Woldzegarten / Lesedauer: 4 min

Vor 21 Jahren wurde der Woldzegartener Gutshof aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Rund 200 000 Gäste kamen seither. Doch nun wurde der Betrieb stillgelegt.
Veröffentlicht:31.12.2021, 10:40

Von:
  • Susann Salzmann
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Zu Silvester knallen im Gutshof Woldzegarten keine Korken. Kein Gast wird mehr dort empfangen. Denn die Silvesternacht läutet nach knapp 21 Jahren ganz offiziell das Ende der Gutshof-Ära ein. Der Betrieb ist nun offiziell stillgelegt. Ausnahmslos alle zwölf Mitarbeiter, zwei Azubis und fünf Aushilfen wurden gekündigt. Obwohl hinter dem Gutshof-Team der besucherstärkste Sommer in der Geschichte liegt. Kamen anfangs noch 6000 Gäste pro Jahr, steigerte sich die Auslastung auf bis zu 16 000 jährlich. Im aktuellen Jahr hätte ohne Lockdown sogar die20 000er Marke geknackt werden können, so Betriebsleiterin Sandra Kallisch-Puchelt.

Kein Kaffee mehr im Restaurant

Nun ist es auf dem Gelände leer geworden. Im Regen des 30. Dezembers fuhr ein junges Paar aus Berlin vor. Sie hatten den Gutshof in guter Erinnerung und wollten spontan einen Kaffee im Restaurant trinken. Vergeblich. Kein Koch, keine Küchenhilfe ist mehr da. Die Betriebsleiterin Sandra Kallisch-Puchelt, die als eine der letzten vom „Gutshof-Schiff“ geht, erklärte den Besuchern schweren Herzens die Situation. Kurz bevor die potenziellen Gäste umdrehten, zückten sie ihr Handy und nahmen den Gutshof als Foto-Erinnerung mit.

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Hochzeiten in Wohlfühlatmosphäre

„Seit dem Jahr 2000 hatten wir hier etwa 200 000 Gäste und bis 2019 jedes Jahr bis zu 20 Hochzeiten“, resümierte Kallisch-Puchelt. Und so manche Feier bleibt wohl auch den Mitarbeitern im Gedächtnis. So eine im Sommer 2018. Als Dresscode zur Hochzeit galt: Wohlfühlkleidung. Der Bräutigam nutzte diese Chance. Seine Verlobte stand im Meerjungfrauen-Kleid anmutig auf der hofeigenen Hochzeitswiese, während der Bräutigam sich mit weißen Sneakern und einem roten Jogginganzug dem Traualtar näherte. „Die Braut war nicht schockiert, deshalb gehe ich davon aus, dass es abgesprochen war“, muss Kallisch-Puchelt noch heute schmunzeln. Im neuen Jahr wollte im Gutshof übrigens die Tochter von Margarethe von Flotow-Lang heiraten. Das wäre ein geschichtsträchtiger Moment geworden, denn der Gutshof befand sich jahrelang im Besitz des Uradelsgeschlechtes.

Haus mit Charme und Charakter

Am Gutshof hängen viele Herzen – die der bisherigen Mitarbeiter, aber auch die der Gäste und nicht zuletzt die der Familie Droll aus Berlin. Im Jahr 1996 erwarb der Berliner Psychiater Dr. Wolfgang Droll das seit 1993 komplett ungenutzte Gelände und ließ es denkmalgerecht sanieren. Das prägnante Fachwerk konnte zum Teil erhalten werden und verleiht dem Gutshof nach wie vor einen unverwechselbaren Charme. Insgesamt wirkt alles bodenständig. Der Inhaber setzte viel auf Holz – und Antiquitäten. Wer Luxus und „Bling-Bling“ sucht, war hier in den letzten Jahren falsch.

Von Anfang an soll der inhabergeführte Hotel- und Restaurantbetrieb dem Credo folgen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Anfangs fehlten genau aus diesem Grund auch die Fernseher auf den Zimmern, erzählte Maike Sidik, die Tochter des Inhabers. Schnell stellte sich heraus, dass das „Ruhe-Konzept“ inmitten der Natur so ganz ohne TV nicht aufgeht.

Viele Mitarbeiter anderswo untergekommen

Im November traf Familie Droll die Entscheidung, den „Woldzegarten“ zu schließen. Mitarbeiter wurden zum 31. Dezember sowie zum 31. Januar 2022 gekündigt. „Etwa 80 Prozent unserer Mitarbeiter haben inzwischen andere Jobangebote bekommen“, sagte Kallisch-Puchelt über diejenigen, von denen sie um die weitere berufliche Zukunft wisse.

Zukunft der Anlage ist bisher noch offen

Ein Quartett hält bis zum letzten Januartag die Stellung; ist täglich vor Ort, um die letzten Sachen abzuwickeln. So auch die Betriebsleiterin selbst. Zu ihren letzten Aufgaben gehören neben einem täglichen Technikrundgang auch Gespräche mit der Inhaberfamilie, was nun mit den 20 Hotelzimmern, acht Ferienwohnungen, zehn Scheunenquartieren, sieben Seminarräumen, einem großzügigen Konzertsaal in der Kulturscheune werden soll. Noch ist das offen. Vermietung, Verpachtung, Verkauf – es kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage. Noch immer ist das Gebäude nicht komplett leergezogen. Noch immer steht Mobiliar in den Räumen – so, als wenn der Betrieb demnächst wieder aufgenommen wird. Unter Drolls wird der Gutshof aber nicht wieder aufleben. Das stellte Maike Sidik klar. Die Unwägbarkeiten der Pandemie und das Alter ihres Vaters als einzigem und privaten Investor und Förderer des Gutshofes waren Gründe, das Kapitel zu beenden. Doch: „Wir würden uns wünschen, dass die Gebäude erhalten bleiben“, sagte Sidik mit melancholischem Unterton.