NS-Luftwaffe
Stehen diese Nazi-Bunker bald unter Denkmalschutz?
Qualzow / Lesedauer: 4 min

Tobias Lemke
Werden die Überbleibsel der einstigen Luftfahrt-Erprobungsstelle Rechlin im Wald bei Qualzow bald unter Denkmalschutz gestellt? Denn aktuell läuft eine Prüfung von konkret vier Objekten auf Aufnahme in die Denkmalliste der Mecklenburgischen Seenplatte. Dabei handelt es sich um eine Bombenabwurfplatte direkt am Ortsrand von Qualzow, um ein Autobahnsegment, die sogenannten „Weißen Häuser“ und einen Spitzbunker.
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Angeschoben hat den Prozess ein Bürgerbegehren. Thomas Linn aus Qualzow hat als Privatperson einen Antrag auf Prüfung der Denkmalwürdigkeit bei der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises gestellt und in der Sache auch mit dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Schwerin Kontakt aufgenommen. In der Landesbehörde ist man von der Denkmalwürdigkeit der Bauten überzeugt: So hat das Landesamt bereits im Januar 2022 bei der Unteren Denkmalschutzbehörde in der Seenplatte um Eintragung der Objekte in die Denkmalliste gebeten, kann Linn anhand des Schriftverkehrs nachweisen.
Zeugnisse von NS-Aufrüstung
Die noch vorhandenen Reste der Erprobungsstelle müssen seiner Ansicht nach als Mahnmal verstanden werden. Mit seiner Forderung nach Denkmalschutz gehe es ihm keinesfalls darum, alte Nazi-Bauten erhalten zu wollen, sondern vielmehr, dass die Spuren eines menschenverachtenden Systems, das hier unter anderem durch den Einsatz von Kriegsgefangenen und mit Zwangsumsiedlung gewirkt hat, nicht in Vergessenheit geraten.
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Die vier Objekte seien Zeugnisse nationalsozialistischer Aufrüstungspolitik, in deren Folge es zu europaweiten Verbrechen und großem Leid kam, heißt es in der Bewertung durch das Landesamt. „Diese Geschichte gehört zur Region dazu. Es gibt eine historische Verantwortung, darauf aufmerksam zu machen“, findet Linn.
Geschichte in den Köpfen verankert
Von 1926 bis 1945 befand sich in und bei Rechlin eine zentrale Erprobungsstrecke für Luftfahrzeuge. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurden die Anlagen massiv für Tests der Luftwaffe ausgebaut. Unter anderem die Platte, Bunker und das Autobahnsegment wurden für Bomben- und Lufttorpedo-Tests genutzt.
„Als ich vor 20 Jahren ins Dorf zog, erzählten mir fast alle Qualzower den geschichtlichen Hintergrund der Ortschaft. Die Geschichte ist in den Köpfen der Einwohner fest verankert“, sagt Linn. Als Projektleiter für Technische Gebäudeausrüstung hatte er früher viel in Museen gearbeitet und war dabei oft mit Fragen des Denkmalschutzes konfrontiert.
Von der Kirche sind die Grundmauern noch da
Auch im Dorf selbst hat die Geschichte um die Erprobungsstelle Spuren hinterlassen. Orte wie Qualzow und Schillersdorf mussten verschwinden, weil sie den Fliegern und den Bombenabwürfen im Weg waren. In Qualzow wurde 1936 die Dorfkirche abgetragen. Wer genau hinschaut, kann aber heute noch die Grundmauern auf dem Friedhof entdecken. „Es ist buchstäblich Gras darüber gewachsen“, zeigt Linn vor Ort.
Für die Reste der Qualzower Kirchenmauern hat er ebenfalls einen Antrag auf Denkmalschutz gestellt. Das verbliebene Fundament stehe stellvertretend für alle anderen rückgebauten Häuser und Bauerngehöfte des alten Qualzows. Eine Infotafel an der Stelle würde Linn für sinnvoll erachten. So etwas koste nicht die Welt und eventuell gebe es Fördermöglichkeiten über Denkmalschutzstiftungen, sagt Linn. Eine Freilegung des Fundaments könnte zudem mit einem freiwilligen Arbeitseinsatz umgesetzt werden.
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Bislang könne der Qualzower aber nur wenig Aktivität seitens des Landkreises erkennen, die beschriebenen Objekte in der Denkmalliste eintragen zu wollen, obwohl dies vom Schweriner Landesamt für Denkmalpflege erbeten wurde. Vom Landkreis heißt es, dass der Vorgang noch nicht abgeschlossen sei. Zum jetzigen Zeitpunkt könne lediglich mitgeteilt werden, dass „das denkmalrechtliche Verfahren in den genannten Fällen läuft“. Bis wann dieses zum Abschluss gebracht werden soll, wurde nicht mitgeteilt.
Funkturm-Pläne als Auslöser
Torsten Heinrichs, Vorsitzender des Fördervereins des Luftfahrttechnischen Museums in Rechlin, würde es sehr begrüßen, wenn die verbliebenen Bauten der Erprobungsstelle unter Denkmalschutz gestellt werden. Auch das Museum in Rechlin sei teils in „historisch belasteten Gebäuden“ untergebracht, nämlich der einstigen Hauptwache der Erprobungsstelle und der Fahrbereitschaft der Kommandantur. Für die Gebäude hatte der Verein in der Vergangenheit ebenfalls versucht, Denkmalschutz zu erwirken. „Leider hatte das damals nicht geklappt, worüber wir sehr enttäuscht waren“, berichtet Heinrichs.
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Den Stein ins Rollen hatten jetzt noch mal die Pläne für einen Funkturm auf der Bombenabwurfplatte bei Qualzow gebracht. Zumindest dieses Bauvorhaben, das im Dorf kritisch gesehen wurde, ist inzwischen jedoch vom Tisch, hieß es kürzlich in der Stadtvertretung von Mirow.