StartseiteRegionalMüritzWarener treibt seine frühere Freundin fast in den Tod

Stalking

Warener treibt seine frühere Freundin fast in den Tod

Waren / Lesedauer: 5 min

Die große Liebe dauerte nicht einmal drei Monate. Als sie sich trennt, sucht ihr Ex vehement den Kontakt zu ihr. Diese Besessenheit brachte einen Mann aus Waren nun vor Gericht.
Veröffentlicht:12.02.2020, 08:54

Von:
  • Susann Salzmann
Artikel teilen:

An einem fehlt es einem Warener Handwerker nicht, als er auf der Anklagebank vor dem Warener Amtsgericht Platz nimmt: an einem riesigen Selbstbewusstsein. Von Reue oder Scham keine Spur, stattdessen wirkt der Angeklagte fast selbstherrlich.

Seiner Ex-Freundin soll der Mann am 30. Mai des vergangenen Jahres eine Heidenangst eingejagt haben. Das tragische Ende einer nicht einmal dreimonatigen Beziehung und offenbar die Konsequenz einer unerwiderten Liebe.

Bedrohliche Sprachnachrichten

Dass sich der Mittzwanziger nicht mit dem Aus dieser Beziehung abfand und seiner Ex stattdessen beharrlich nachgestellt haben soll, warf der Staatsanwalt dem Angeklagten vor. Letzterer verneinte vehement, doch das nützte wenig. Denn sein impulsives Verhalten war in digitalen Sprachnachrichten via WhatsApp dokumentiert.

Die bedrohlichen Sprachnachrichten brachten die 23-jährige Ex-Freundin im Zeugenstand zum Zittern. Nervös wippte die gelernte Krankenschwester aus dem Neustrelitzer Amtsbereich mit den Füßen auf und ab. Spürbar verkrampft vermied sie jeglichen Blickkontakt mit dem Angeklagten. Als sie an jenem Maiabend 2019 nach Hause fahren wollte, kam ihr der Angeklagte im Schmachthägener Wald auf der Gegenspur entgegen. Aneinander vorbeifahren? Das konnte sich der Ex nicht gefallen lassen.

An Selbstmord gedacht

Umgehend nahm er spätabends die Verfolgung auf. Der 49 Jahre alte Vater der jungen Frau beobachtete das Treiben. Er wollte seine Tochter auf seinem Motorrad nach Hause begleiten. Denn der Ex seiner Tochter habe die ohnehin psychisch labile Frau schon Monate vorher stark bedrängt. Das führte so weit, dass „ich mich nicht mehr frei bewegen wollte, ich Selbstmord-Gedanken hatte und mich meine Eltern wochenlang zur Arbeit begleiten mussten, weil ich mich alleine nicht mehr getraut habe“, erzählte die Zeugin. Die Beziehung war gut ein Vierteljahr zuvor von ihr beendet worden. Doch auch vor Gericht macht ihr die Sache immer noch zu schaffen. Ihr Zittern im Zeugenstand verstärkte sich, je mehr sie erzählen musste.

Der Angeklagte winkte derweil selbstsicher ab. Immerhin habe es für sein Verhalten einen guten Grund gegeben. Er zahlte zwei Monate lang ihre Miete und die wollte er sich zurückholen. Und um in jener Nacht seinem Ansinnen neben dem beklemmenden Nachfahren noch eines draufzusetzen, übermittelte er ihr während der Fahrt fortlaufend Sprachnachrichten. Nachrichten, in denen er von „Krieg“ spricht und von beauftragten Leuten, „die dich platt machen“.

Die junge Frau fuhr unter panischer Angst die Bundesstraße in Richtung Penzlin. Getrieben von ihrem Ex-Freund, der ihr nur noch fürchterliche Angst einjagt. Ihr sehnlichster Wunsch – dass sie der Angeklagte in Ruhe lässt – schien sich nicht zu erfüllen. Unablässig piepte ihr Handy. Nachrichten à la „Ich bin überall in deiner Nähe, immer“ oder „Solch ein Spiel hast du noch nie gespielt“ verstärkten die Angst der 23-Jährigen, die allein in ihrem Auto einen Weg suchte, dem Angeklagten zu entkommen. Fast allein auf der schnurgeraden Landstraße. Eingeschüchtert und panisch. Verfolgt vom offenbar unberechenbaren Ex.

Tiefe seelische Wunden

Ihre Reaktionen lassen ihn zumeist kalt. Wegen der Sprachnachrichten, tönte er vor Richterin Alexandra Sprigode-Schwencke, könne er nicht bestraft werden. Statt sich für die nachweislichen Sprachnachrichten zu entschuldigen, hielt der Angeklagte während der rund zweistündigen Schöffenverhandlung lieber dagegen. Vielmehr inszenierte er sich als Gutmensch. Immerhin habe er seiner ehemaligen Liebe geholfen, als diese von ihren Eltern vor die Tür gesetzt wurde. Und er habe sie zu einer Therapie gedrängt, nachdem er sie mit aufgeschnittenen Pulsadern in seiner Wohnung gefunden habe.

Für die Gerichtsbarkeit war schnell klar, dass die kurze Beziehung zum Angeklagten der Zeugin alles andere als gut getan hat. Ja, räumte das Stalking-Opfer vor Gericht ein, sie habe sich in ihrer Jugend schon einmal geritzt. Durch das penetrante Verhalten des Angeklagten habe sie Anfang 2019 aber wieder damit angefangen. Nun befinde sie sich auf einem Pfad geradewegs in eine stabile Zukunft mit einem neuen Partner. Um die seelischen Wunden zu heilen, begab sie sich in eine zehnwöchige Therapie in die Röbeler Psychiatrie. Damit die junge Frau – bei ihr wurde eine Borderline-Erkrankung diagnostiziert – keinen Rückfall erleidet, wird diese Behandlung gegenwärtig ambulant fortgesetzt.

Die richterliche Befragung in unmittelbarer Nähe zu ihrem Ex schien der jungen Frau den allerletzten Funken Selbstbeherrschung abzufordern. Mehrfach wurde die Befragung unterbrochen, damit die 23-Jährige nicht noch zusammenbricht. Als der Angeklagte schließlich Worte der Reue für die Verfolgungsfahrt samt der Nachrichten fand, hatte seine Ex mit ihrer Familie den Gerichtssaal längst verlassen.

Gefängnisstrafe ohne Bewährung

„Das mit den Sprachnachrichten tut mir leid. Dafür kann ich mich nur entschuldigen“, nutzte der junge Mann sein letztes Wort vor der Urteilsverkündung. Für die Kontaktversuche – auch die persönlichen vor der Tür ihrer Eltern – und anderweitige Beschimpfungen gegenüber seiner Stiefmutter zeigte der Warener keine Reue. Etwas, dass bei Richterin Sprigode-Schwencke beim Strafmaß mit einfließt. Für sein nachstellendes Verhalten verurteilte sie ihn schließlich zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten – ohne Bewährung. Heißt: Der Warener müsste sechs Monate hinter Gitter, sofern er gegen das Urteil nicht in Berufung geht.

Eine Freiheitsstrafe gehört zu den höheren und eher selten verhängten Strafen am Amtsgericht. Im Fall des Wareners sei dies jedoch aufgrund des penetranten Kontaktsuchens, fehlender Einsicht und angesichts seiner acht Vorstrafen wegen Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung notwendig gewesen, hieß es. Zudem befindet sich der Angeklagte ohnehin auf Bewährung. Er war nämlich zuletzt wegen versuchter Nötigung zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden, erachtete es aber nicht für nötig, den verordneten Kontakt zu seinem Bewährungshelfer aufrecht zu halten.