Notfall

Wenn auch Kinder von häuslicher Gewalt betroffen sind

Müritzregion / Lesedauer: 3 min

Die häusliche Gewalt ist durch die Pandemie nicht weniger geworden – eher im Gegenteil. Unterstützung finden Betroffenen in Beratungsstellen – etwa bei „Klara”.
Veröffentlicht:02.11.2022, 06:12
Aktualisiert:02.11.2022, 06:15

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„Was Gewalt in der Familie angeht, haben Corona und die damit verbundenen Einschränkungen wie ein Brandbeschleuniger gewirkt.“ Dieses ernüchternde Fazit zieht Claudia Schwemer nach zweieinhalb Jahren Leben mit der Pandemie. Sie ist Leiterin der Beratungsstelle „Klara“ bei der Diakonie Mecklenburgische Seenplatte gGmbH, die Betroffenen von häuslicher Gewalt hilft. Die Beratungsstelle hat ihren Sitz in Waren.

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Mehr Fälle häuslicher Gewalt registriert

Zwar waren die strukturellen Machtverhältnisse in den Familien und Beziehungen vorher bereits vorhanden, weiß sie. Doch in der zeitweise erzwungenen Isolation kam es häufiger zu Konflikten innerhalb der eigenen vier Wände. Das macht sich in den Fallzahlen der Beratungsstelle bemerkbar. „Bis zum Oktober hatten wir in diesem Jahr bereits so viele Fälle in der Beratungsstelle wie im ganzen Jahr 2021“, berichtet Schwemer.

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Nicht überall gibt es Anlaufpunkte

Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die häusliche Gewalt drastisch zugenommen hat. Vielmehr gelangt das Thema – auch durch die Berichterstattung in den Medien – zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Das wiederum macht vielen Betroffenen Mut, sich doch endlich die notwendige Hilfe zu suchen. Wenn sie sie denn finden – in Röbel oder Malchow gibt es aktuell gar keine entsprechenden Hilfs- und Beratungsangebote. Andere Beratungsstellen schließen aus Geld- und Personalmangel, wie zuletzt Ende September in Demmin.

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Häufig auch Kinder betroffen

Besonders zu schaffen macht Claudia Schwemer und ihren Kolleginnen, dass so häufig Kinder von den Fällen mit betroffen sind – allein in ihrer Warener Beratungsstelle waren es in diesem Jahr schon mehr als 80 Kinder und Jugendliche. Zumeist geht es dabei um Zwangskontrolle, die – fast immer – vom männlichen Partner über die anderen Familienmitglieder ausgeübt wird. Das muss nicht zwangsläufig mit physischer Gewalt einhergehen. Oft ist es der psychische Druck, der die Betroffenen zermürbt.

Was die Situation noch unerträglicher macht

Gemeinsame Kinder mit dem „Zwangskontrolleur“ verkomplizieren die Situation sehr häufig. Ihr Vorhandensein macht das endgültige Entkommen aus der Problematik nicht selten unmöglich. Selbst nach einer Trennung von ihrem Peiniger finden sich betroffene Mütter oft in einer Zwickmühle wieder: Sich fügen – oder die gemeinsamen Kinder aufgeben.

„Denn die Partner und Väter, die Zwangskontrolle ausüben, erscheinen in der Öffentlichkeit und bei Behörden oft fürsorglich und charismatisch“, weiß Claudia Schwemer. Daher werde die betroffene Mutter oft nicht ernst genommen nach dem Motto: „Sie müssen schon bereit sein, Kompromisse einzugehen.“ Damit aber wird ein Entkommen aus der Situation unmöglich, denn Abstand ist eine Grundbedingung dafür, die belastende Situation hinter sich zu lassen. „Und das schließt eben auch ein, gemeinsame Gespräche bei Mediatoren oder Termine im Jugendamt zeitweise auszusetzen. Die traumatisierten Frauen müssen buchstäblich Abstand gewinnen“, ist Schwemer sicher.

Die Beratungsstelle in Waren ist unter der Telefonnummer 03991 165111 erreichbar.

Die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking in Neubrandenburg hat die Telefonnummer 0395 5584384.