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Wirres Flugblatt in Waren aufgetaucht

Waren / Lesedauer: 4 min

In einigen Warener Briefkästen wurden Flugblätter eingeworfen. Was darauf zu lesen ist, stimmt die Empfänger allerdings ratlos.
Veröffentlicht:22.02.2022, 18:14

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Ist es eine Reaktion auf den „Warener Appell”? Das hat sich Gisela Dunker, eine von fünf Verfassern des Appells, gefragt, als sie das Flugblatt in ihrem Postkasten gefunden hat. „Ich habe bei meinen Nachbarn gefragt. Da hat aber niemand so ein revanchistisches Schreiben bekommen“, berichtete die Ärztin dem Nordkurier.

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Es sei nicht das erste Mal, dass etwas anonym in ihrem Briefkasten gelandet ist. „Auch der Brief, den Pastor Marcus Wenzel an den Bundespräsidenten schrieb, steckte jemand in meinen Briefkasten. Doch das hier ist Staatsverhetzung“, sagt Gisela Dunker und hat darum auch die Polizei informiert.

Flugblatt aus Güstrow?

Auf dem DinA4-Zettel heißt es unter anderem, dass ein „Gruselkabinett aus therapiebedürftigen Politikern der Bevölkerung ohne Evidenz unbedingt eine Gen-Spritze verpassen“ wolle. Dann folgt eine wirre Passage über die Schreibweise des Familiennamens des bayerischen Ministerpräsidenten.

Verfasser des Flugblattes ist vermutlich das Portal www.volldraht.de, weil sich ein entsprechender Hinweis auf dem Blatt befindet. Im Impressum auf der Internetseite wird Janet Timm aus Güstrow als Inhaberin angegeben und Jörn Baumann als Hauptredakteur.

Blatt wird Reichsbürger-Szene zugeschrieben

Das Regionalzentrum für demokratische Kultur Mecklenburgische Seenplatte weist darauf hin, dass das Blatt „Volldraht“ – „Bürger informieren Bürger“ laut dem Verfassungsschutzbericht 2020 eindeutig dem Reichsbürger-Milieu zugeschrieben wurde. „In dem Infoblatt wird als vermeintlicher Beleg der Rechtswidrigkeit von Verordnungen zur Pandemiebekämpfung Bezug genommen und auf eine in Auszügen abgebildete Verordnung des Landes Bayern, auf welcher der Familienname des bayerischen Ministerpräsidenten in Sperrschrift gedruckt sei“, sagt Kathrin Nepperschmidt vom Regionalzentrum.

Auf der Internetseite von Volldraht gibt es verschiedene Schreiben und Blätter, die man sich herunterladen kann, wie beispielsweise ein Musterschreiben zur „Bürgermeister Entsorgung“ oder ein Antrag auf Zugehörigkeit zur „kreisfreien Weltanschauungsgemeinschaft Samtgemeinde Alte Marck“.

Flyer in anderen Regionen auch schon aufgetaucht

Tatsächlich scheint Gisela Dunker nicht die einzige Warenerin zu sein, die das Flugblatt bekommen hat. Eine Nordkurier-Abfrage bei Haushalten in verschiedenen Ecken der Stadt lässt aber vermuten, dass es entweder keine flächendeckende Verteilung gegeben hat, oder das Blatt ungesehen im Altpapier gelandet ist.

Es ist nicht das erste Flugblatt, das Fragen hinterlässt. Zuletzt sorgte im vergangenen Mai der selbst ernannte „Großherzog Friedrich Maik“ für Aufsehen. Mit Flyern verbreitete ein Immobilienmakler aus dem Schweriner Raum, der sich selbst für den „König von Preußen“ hält, krude Welterklärertheorien und wollte 128.000 Stimmen aus dem „Großherzogthum Mecklenburg Strelitz, Großherzogthum Schwerin und Herzogthum Pommern“ sammeln, um die Demokratie in einem „friedlichen Wandel in eine „parlamentarische Monarchie“ zu überführen. Von der Neubrandenburger Polizeiinspektion hieß es dazu, dass die Informationen auf dem Flyer der sogenannten Reichsbürgerszene zuzuordnen seien.

Schriften oder Flyer vom selbst ernannten Großherzog Friedrich Maik tauchten in der Vergangenheit immer wieder auf. Sie machten unter anderem in Teterow, aber auch im Neustrelitzer Raum sowie in Neubrandenburg bereits ihre Runde. Recherchen des Nordkurier ergaben, dass der Herausgeber von „Volldraht“ in sozialen Medien keinen Hehl aus seinen rechtsradikalen und verschwörungsgläubigen Ansichten machte.

Holz-Spenden für Galgen

Auf einer russischen Facebook-Alternative, auf der sich auch so einige deutsche Rechtsradikale tummeln, teilte er Beiträge der früheren regionalen Führungsfigur des mittlerweile verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“, Sven Liebich. Jörn Baumann versprach außerdem im Namen von seiner Zeitung, dass er Seile und Holz spendieren wolle, um Galgen für die deutschen Regierungsmitglieder zu bauen.

Der Verfassungsschutz MV hat „Volldraht“ im Blick, im letzten Verfassungsschutzbericht wurde die Publikation erwähnt. Die Anzahl der Reichsbürger in Mecklenburg-Vorpommern stieg demnach um 100 von 450 auf 550. Und: „Überschneidungen mit dem rechtsextremistischen Spektrum finden sich bei circa 40 Personen.“

„Aber der Staatsschutz kennt die Leute“

Das neue Schreiben liegt dem Staatsschutz der Kriminalpolizeiinspektion Neubrandenburg zur Prüfung vor. Eine Einschätzung gab es am Dienstag dazu noch nicht.

In der Vergangenheit hieß es von der Polizei, dass die Handhabe gering sei, solange keine Straftaten wie Volksverhetzungen oder Beleidigungen vorliegen. „Aber der Staatsschutz kennt die Leute und beobachtet das“, hieß es.