Reform
„Wohngeld plus” wird für Städte zum Minusgeschäft
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Mirko Hertrich
Die zu Jahresbeginn in Kraft getretene Wohngeldreform stellt die Kommunen in der Region vor große Herausforderungen. Neubrandenburgs Fachbereichsleiter für Stadtplanung, Wirtschaft und Bauordnung, Frank Renner, sagte am Mittwoch im Finanzausschuss: „Wir werden gerade überschwemmt mit Anträgen.“ Die Zahl der Anspruchsberechtigten werde sich in Neubrandenburg voraussichtlich vervierfachen, während der Bund nur von einer Verdreifachung ausgegangen sei. Dabei gebe es allerdings noch mehr Anträge als Antragsberechtigte, da viele einen Anspruch prüfen ließen, die Anträge aber „negativ beschieden“ würden.
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Die Stadtverwaltung hat nach den Worten Renners für die Antragsflut personell vorgesorgt, sei dabei „sehr verantwortungsbewusst“ vorgegangen und habe lediglich vier neue Stellen etabliert. Darüber hinaus habe das Land angesichts der Problematik der Stadt unterstützend unter die Arme gegriffen und fünf Auszubildende für ein halbes Jahr zur Verfügung gestellt.
Nach Reform mehr als drei Mal so viele Wohngeldberechtigte
Aktuell gibt es noch keine belastbaren Angaben, wie sich in der Region die Wohngeldreform auf die Zahl der Anträge auswirkt. „Das ist momentan noch wie Glaskugellesen“, sagte Friedlands Bürgermeister Frank Nieswandt (Linke) dem Nordkurier, der von einer Verdoppelung in seiner Stadt ausgeht. Nieswandt bemängelt, dass die Bundespolitik den Kommunen „keinen Vorlauf“ für die Umsetzung der Reform gegeben hat.
Mit dem „Wohngeld plus“ haben seit dem 1. Januar 2023 deutschlandweit zwei Millionen Haushalte mit kleinen Einkommen Anspruch auf Wohngeld – zuvor waren es 600.000. Der staatliche Zuschuss wird um durchschnittlich 190 Euro im Monat aufgestockt. Damit erhalten die berechtigten Haushalte im Schnitt rund 370 Euro monatlich.
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Wohngeld können Haushalte beantragen, die zwar keine Sozialleistungen beziehen, trotzdem aber wenig Geld haben. Das gilt sowohl für Mieter als auch für Eigentümer von Wohnungen und Häusern, die ihr Eigenheim selbst nutzen. Jetzt sollen auch Menschen in den Genuss von Wohngeld kommen, die den Mindestlohn verdienen oder eine Rente in vergleichbarer Höhe haben.
Neue Sachbearbeiter nur schwer zu bekommen
Wohngeld wird nur auf Antrag gewährt. Dafür braucht es in den Rathäusern mehr Sachbearbeiter, die aber schwer zu bekommen sind. „Wir haben eine Stelle ausgeschrieben, sind aber bislang nicht fündig geworden“, sagte Bürgermeister Nieswandt. Seine Verwaltung hat die Wohngeldstelle daher auf mehrere Monate befristet von einer halben auf eine ganze aufgestockt.
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Die Verwaltung in Burg Stargard ist sich des „vermehrten Aufwands“ bewusst, will die Aufgabe aber mit dem bestehenden Personal stemmen, wie Christian Walter vom Standesamt dem Nordkurier sagte. Mit längeren Bearbeitungszeiten rechnet der Verwaltungsmitarbeiter nicht.
In Neverin wurden die Aufgaben in der Verwaltung so verschoben, dass die Sachbearbeiterin mehr Zeit hat für die Bearbeitung der Wohngeld-Anträge. Nils Alexander, Leiter Fachbereich Zentrale Dienste, Wahlen, Vergaben, sagte, bislang sei von einem Anstieg der Antragszahlen aber auch „noch nicht viel zu merken“.