Beilage der „Freien Erde“
Als die meisten Neubrandenburger noch jünger als 30 waren
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Simon Voigt
Stadtjubiläen kommen und gehen. Im 775. Jahr seit seiner Gründung hat nun auch Neubrandenburg schon einige große und kleine Feste erlebt. Im Jahr 1973 feierte Niegenbramborg (Volksmund) den 725. Jahrestag seiner Gründung und die „Freie Erde“, die Vorgängerin des heutigen „Nordkurier“, widmete dem Jubiläum eine Beilage. Diese erschien am 8. Juni 1973. Genau 50 Jahre später ist es nun interessant zu lesen, wie damals auf diesen Jahrestag geblickt wurde – aus dieser speziellen Sicht der SED-Bezirkszeitung, die die „Freie Erde“ damals noch war.
Redakteurin Ulrike Streckenbach würdigt in ihrem Artikel direkt die Arbeiterschaft und den Wiederaufbau der Stadt, immerhin lag der Zweite Weltkrieg damals noch keine 30 Jahre zurück. Dabei hätten auch „sowjetische Genossen“ mitgeholfen. Ihre Rolle bei der Zerstörung derselben Stadt wird dabei nicht erwähnt. 5000 Bauarbeiter würden inzwischen im Wohnungsbaukombinat arbeiten, so viele, wie die Stadt 1817 überhaupt Einwohner hatte.
Durchschnittsalter um mehr als 16 Jahre gestiegen
Bemerkenswert: „Das Durchschnittsalter der Neubrandenburger liegt bei 30 Jahren. Es muss mit dem Teufel zugehen, sollte diese Bilanz schlechter werden, schließlich ist ein Drittel der über 50.000 Einwohner jünger als 16“, schrieb die Redakteurin.
Beeindruckende Zahlen, die sich komplett gewandelt haben. Heute leben 63.000 Menschen in der Stadt, die im Schnitt 46,8 Jahre alt sind. Bis zur Wende galt Neubrandenburg noch als eine der jüngsten Städte der DDR, was sich in den Jahren danach schlagartig änderte – massenhaft zogen die jungen Menschen damals weg, weil es keine Arbeit mehr gab.
Heirat zur Festwoche hält bis heute
Prominent erwähnte die „Freie Erde“ damals zwei dieser jungen Stadtbewohner: „Morgen jedenfalls eröffnen die Studentin Margot Walter und der Angestellte Dieter Langschwager auf dem Standesamt gewissermaßen die Festwoche der Stadt. Möge die Liebe ein ganzes Leben lang frisch und der Stadt nützlich sein!“ Ein großer Wunsch, der tatsächlich in Erfüllung ging.
Im Februar hatte ein Nordkurier-Reporter die Eheleute besucht, die noch immer vergnügt verheiratet in der Oststadt leben. Wie sie das geschafft haben? „Wir sind immer gleichberechtigt durchs Leben gegangen, das war das Wichtigste. Das liegt vor allem an der gleichen Bildung, die wir haben“, sagte die nun 68–jährige Margot Langschwager und fügte lachend hinzu: „Gefragt, ob wir in die Zeitung wollen, hatte uns aber keiner.“ Den Artikel haben sie aufgehoben.
Und so können nun auch Sie nachlesen, was damals über den 725. Geburtstag von Neubrandenburg geschrieben wurde. Sehenswert sind auch die Grafiken von Werner Schinko (1929 - 2016), der für die Beilage ein modernes Bild der Innenstadt fertigte und ihre Zerstörung im Mittelalter dazu stellte. Aufbruch und Neuanfang, diese Themen bleiben immer aktuell und der Artikel endete mit den Worten: „Nova Brandenborth hieß es 1248 bei seiner Gründung, neu ist es heute anders als je zuvor.“
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