Zivilschutz

Alte Bunker und keine Sirenen in Neubrandenburg bei Notfall

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Wie gut ist die Stadt beim Bevölkerungsschutz derzeit aufgestellt? Welche Vorkehrungen müssen für den Kriegsfall in Neubrandenburg getroffen werden?
Veröffentlicht:04.04.2022, 06:09

Von:
  • Tim Prahle
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Es ist für Politiker auf allen Ebenen ein schmaler Grat zwischen unbeabsichtigter und unnötiger Panikmache und rationalen Vorsichtsmaßnahmen. Nur so ist es wohl zu erklären, dass sich auch in Neubrandenburg Stadtvertreter zusammensetzten, um über notwendige Vorkehrungen im Bereich Zivilschutz zu beraten – der Ausschuss für Umwelt, Ordnung und Sicherheit im März jedoch nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagte. „Es sollte keiner beunruhigt werden“, betont der Vorsitzende Hans-Jürgen Schwanke.

Wohin im Falle eines Krieges?

Der Beratungsbedarf nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sei dennoch hoch gewesen, so unwahrscheinlich ein Krieg in Deutschland derzeit ist. „Diese Brutalität ist für uns alle kein Begriff mehr“, räumt diesbezüglich auch Vize-Oberbürgermeister Peter Modemann (CDU) auf Anfrage ein. Man müsse sich in die Situation erst wieder neu hineindenken. Und dann etwa die Frage stellen, wo die Bürger der Stadt unterkommen könnten, um sich zu schützen. „Da haben wir im öffentlichen Raum beinahe nur die Tiefgarage des Marktplatz Centers“, sagt Modemann. Die Bahnhofunterführung komme kaum infrage, ebenso wenig die beiden Bunkeranlagen im Stadtgebiet. Die seien schon uralt, sie böten keinen wirklichen Schutz, bezweifelt Modemann.

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Die Herangehensweise bei diesem Gedankenspiel gehe in eine andere Richtung: Kelleranbauten und das Einplanen von Kellern bei Neubauten sollten künftig mit bedacht werden, nennt der Vize-OB Beispiele. Nun wolle sich die Stadt zumindest einen Überblick der möglichen Rückzugsorte verschaffen.

Die fehlenden Schutzräume sind dabei kein ausgemachtes Neubrandenburger Problem. In der ganzen Republik wurden einstige Schutzräume im Angesicht des eher stabilen Friedens auf dem Kontinent nach und nach umgenutzt, aufgegeben oder abgerissen, wie auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) informiert. Dort ist der Zivilschutz zuvorderst angesiedelt, die Stadt habe selbst kaum nötige Kompetenzen, sagt Modemann.

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Absage des Landkreises sorgt für Unverständnis

Doch Stadtvertreter Hans-Jürgen Schwanke sieht dennoch einigen Nachholbedarf, der direkt in der Region umgesetzt werden müsste. Als Vorsorgemaßnahme, die auch bei möglichen Naturkatastrophen wichtig sei. „Wir haben ja nicht mal die Möglichkeit, die Bürger im Katastrophenfall zu informieren“, klagt er in Richtung des Landkreises, der für den Katastrophenschutz zuständig ist. Sirenen gebe es in der Stadt keine einzige, der Kreis wolle auch keine anschaffen. „Stinksauer“ sei er darüber, meint der Stadtvertreter. „Ich verstehe auch nicht, wieso sich der Landkreis da so zickig anstellt.“

Bereits vor dem Krieg in der Ukraine hatte der Landkreis der Neuanschaffung von Sirenen eine Absage erteilt. Zu wenig nützlich und vor allem zu teuer seien sie, sagte Ordnungsamtsleiter Peter Handsche bereits im Januar dem Nordkurier. In der gesamten Mecklenburgischen Seenplatte seien nur noch 180 von einst knapp 1000 Sirenen übrig, die Neuanschaffung und die jährliche Wartung würden zu sehr ins Geld gehen. Das hatte bei einigen Kommunen und Feuerwehren bereits für Unverständnis gesorgt.

Doch an dieser Einstellung hat sich beim Landkreis auch durch den Krieg in der Ukraine nichts geändert, wie es nun auf Nordkurier-Anfrage heißt. Nach wie vor setze man lieber auf „intelligente Lösungen” wie Apps, teilte die Verwaltung mit. „Damit lassen sich Informationen wesentlich genauer und zielgerichteter an die Bevölkerung übermitteln als mit einer Sirene.“ Eine Kombination aus Sirenen als erste Warnung und den Apps für die genaue Informationsvermittlung ist offenbar nicht vorgesehen.

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