Interview

Altentreptow setzt sich große Ziele

Altentreptow / Lesedauer: 9 min

Das von Krisen überschattete Jahr ist auch an Atentreptows Bürgermeisterin Claudia Ellgoth und ihrem Team nicht spurlos vorbeigegangen. Tobias Holtz prach mit ihr.
Veröffentlicht:28.12.2022, 17:26
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  • Author ImageTobias Holtz
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Trotz einiger kultureller Lichtblicke wie der Festwoche zum 777-jährigen Stadtjubiläum war 2022 für die meisten Altentreptower wahrscheinlich eher ein Jahr zum Vergessen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise haben vieles auf den Kopf gestellt. Wie hat sich diese Situation auf ihre Arbeit als Bürgermeisterin ausgewirkt?

Es sind vor allem viele neue Aufgaben hinzugekommen, die nicht nur mich, sondern unser ganzes Team in der Verwaltung täglich vor ungeahnte Herausforderungen stellen. Gerade als es zum Kriegsbeginn um die Versorgung und Unterbringung der ukrainischen Flüchtlinge ging, waren wir sehr froh, dass uns so viele ehrenamtliche Helfer unterstützt haben. Dieser gelebte Zusammenhalt in Altentreptow macht mich als Bürgermeisterin richtig stolz. In den vergangenen Monaten wurde sehr viel Zeit investiert, um Notfallpläne für den gesamten Amtsbereich zu erarbeiten. Wir haben einen eigenen Krisenstab gegründet, der sich intensiv mit möglichen Worst-Case-Szenarien auseinandersetzt.

Wie sehen diese denn aus?

Um Panikmache zu vermeiden, haben wir uns bislang bewusst dazu entschieden, keine Details, die sich noch ändern können, öffentlich zu diskutieren. Aber die Bürger werden Anfang 2023 über die getroffenen Maßnahmen informiert. Natürlich hoffen wir, dass alle unsere Pläne in der Schublade bleiben können.

Es gibt aber auch im Amtsbereich nicht wenige Bürger, die regelrecht verzweifelt sind, nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Wie kann man diesen Menschen die Angst vor der Zukunft nehmen?

Diese Sorgen sind natürlich nachvollziehbar. Aber ich kann jetzt schon versichern, dass die Sicherheit der Bürger für uns oberste Priorität hat und wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles daransetzen, um sie im Ernstfall zu unterstützen. Außerdem kann auch jeder selbst helfen, indem man auf Nachbarn, Freunde und Familie achtet und sich gegenseitig hilft. Gemeinsam kriegen wir auch diese Krise gemeistert. Und als Bürgermeisterin habe ich selbstverständlich immer ein offenes Ohr für jegliche Probleme, die den Altentreptowern auf der Seele liegen. Deswegen war es mir wichtig, die Akteure aus verschiedenen Branchen mit dem neuen Stadtgespräch-Format an einen Tisch zu holen, um herauszufinden, wo bei den Gewerbetreibenden, Gastronomen und Handwerkern in unserem Amtsbereich der Schuh drückt. Stadtentwicklung funktioniert nur Hand in Hand.

Dass wir von einer Krise in die nächste stolpern, macht sich aber auch auf anderer Ebene bemerkbar. So ist in diesem Jahr kaum eines der geplanten Bauprojekte über die Planungsphase hinausgegangen. Nach außen hin entsteht oft der Eindruck, dass die Stadt auf der Stelle tritt.

Es ist tatsächlich so, dass viele der im Haushalt eingestellten Investitionsmaßnahmen durch fehlende Genehmigungen, Lieferschwierigkeiten oder ausstehende Förderbescheide ausgebremst wurden. Wir hätten uns gewünscht bei einigen größeren Bauvorhaben, die für 2022 auf der Agenda standen, schon einen Schritt weiter zu sein, beispielsweise bei der Sanierung der Pestalozzi-Straße. Doch es ist kein Geheimnis, dass sich mit den eigenen Mitteln, die der Stadt zur Verfügung stehen, nur wenig realisieren lässt und wir allein kaum agieren können. Wir müssen immer den Schulterschluss mit der großen Politik hinbekommen, sonst geht nichts voran. Bei der Zwei-Felder-Turnhalle an der Kooperativen Gesamtschule (KGS) konnte wenigstens schon die Vergabe für die Planungsleistungen erfolgen. Aber sonst stockt es leider fast überall. Und wir können einen bestimmten Eigenanteil, der für ein Projekt in den Haushalt eingestellt wurde, auch nicht einfach beliebig an anderer Stelle einsetzen, weil das Geld zweckgebunden ist. Ein Problem, das ärgerlich ist, sich aber nicht lösen lässt.

Trotzdem wurde in den vergangenen Monaten gemeinsam mit der Stadtvertretung einiges für die weitere Entwicklung von Altentreptow angeschoben. Was würden sie als besonderen Fortschritt werten?

Die grünen Gewerbegebiete, die wir auf den Weg gebracht haben, sind auf jeden Fall eine zukunftsweisende Maßnahme, um die lokale Wirtschaft langfristig zu stärken und gleichzeitig neue Arbeitsplätze zu schaffen, wenn sich Unternehmen bei uns ansiedeln. Sicherlich wird es ein langwieriger Prozess sein, die ausgewiesenen Gebiete dann auch mit Leben zu füllen, aber dieser Kraftakt lohnt sich. Davon bin ich überzeugt. Ansonsten ist es natürlich schön, dass nach vielen Jahren endlich mit dem Neubau der Awo-Kita am Amtshof begonnen werden konnte, wodurch weitere Betreuungsplätze entstehen, die immer noch Mangelware sind.

Der Traum von einer Ausflugsgaststätte auf dem Klosterberg liegt vorerst auf Eis, weil es an potenziellen Investoren fehlt. Dennoch hat sich auf dem Areal nach der Hebung des Großen Steins einiges getan. Geht es 2023 mit genauso viel Elan weiter?

Das hoffe ich doch. Die sichtbaren Verschönerungen an der Liebesinsel oder am Standort des ehemaligen Frauenklosters sind insbesondere der Initiative des Klosterbergbeirats zu verdanken und den vielen ehrenamtlichen Helfern, die gemeinsam mit dem Stadtbauhof bei Arbeitseinsätzen mit angepackt haben.

Gab es denn auch einen Vorfall, der sie 2022 so richtig geärgert hat, weil alles anders irgendwie lief als ursprünglich geplant?

Ich fand es sehr schade, dass der Start der neu gegründeten Arbeitsgruppe zur Jugendbeteiligung ziemlich holprig war. Mittlerweile sind wir aber auf einem guten Weg, dass es ab 2023 besser läuft und wirklich nur diejenigen aus den Fraktionen daran mitwirken, die auch ein Interesse daran haben, den Jugendlichen bei ihren Wünschen und Anregungen zur Seite zu stehen. Es wäre natürlich von Vorteil, wenn wir Schüler aus mehreren Klassenstufen für die Mitarbeit begeistern können, damit künftig möglichst verschiedene Aspekte, die die junge Generation beschäftigen, behandelt werden. Es geht ja letztendlich auch darum, mit ihnen gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.

Heißt das, die Jugendlichen werden auch der Gestaltung des Skater-Platzes mit einbezogen?

Auf jeden Fall. Voraussichtlich im Frühjahr soll dann noch der Platz der Jugend errichtet und im Laufe der Jahre weiter ausgestaltet werden, damit die jungen Leute endlich wieder einen festen Ort haben, wo sie sich in ihrer Freizeit treffen können.

Seit einer halben Ewigkeit wird in der Stadt darüber diskutiert, ein neues Verkehrskonzept für den Innenstadtbereich zu erarbeiten, gerade auch im Sinne der Anwohner, die sich mehr Parkmöglichkeiten wünschen. Kommen wir diesem Wunsch im nächsten Jahr ein Stück näher?

Das Konzept ist bereits ausgeschrieben und soll im Januar beauftragt werden. Es geht dabei aber nicht nur darum, den Bedarf an Parkplätzen zu decken, sondern wir wollen die Innenstadt generell mit mehr Leben füllen, auch, was die Schaffung von Wohnraum betrifft. Ich hätte mir gewünscht, dass die eine oder andere Baulücke im Altstadtkern geschlossen werden kann, aber mit den explosionsartig gestiegenen Preisen in der Baubranche und der aktuellen Zinspolitik hat sich so manches Vorhaben leider verschoben oder gleich ganz zerschlagen. Ich hoffe, dass sich das Blatt in Zukunft wieder wendet und wir gerade junge Familien für die Kleinstadtidylle begeistern können.

Am Haushalt für 2023 wird im Rathaus gerade fleißig gefeilt. Der Plan ist aber eigentlich jetzt schon klar: Projekte auf den Weg bringen, die in diesem Jahr aus unterschiedlichen Gründen liegen geblieben sind. Oder gibt es noch andere Investitionen, die bislang nicht nach außen gedrungen sind?

Nein. Es geht vordergründig darum, die Vorhaben anzustoßen oder fortzuführen, die bereits für 2022 im Haushalt standen. Neben der bereits erwähnten Straßensanierung und dem Turnhallenbau ist auch das Naturnahe Kleingewässer als Mammutprojekt wieder mit eingeplant, obwohl der offizielle Förderbescheid nach wie vor auf sich warten lässt. Wann der im Rathaus eintrifft, konnte uns trotz erneuter Nachfrage niemand in Schwerin so genau sagen.

Welche Wünsche haben Sie als Bürgermeisterin für das kommende Jahr?

Dass es mit unseren Plänen für das Grüne Gewerbegebiet vorangeht, damit unser Amt aus wirtschaftlicher Perspektive zu einer Art Leuchtturm für die Region wird. Denn wenn sich Firmen bei uns niederlassen, steigen automatisch die Steuereinnahmen, wir könnten finanziell freier agieren und das Geld dort investieren, wo es dringend gebraucht wird. Zum Beispiel, um die Vereinsstrukturen zu stärken. Außerdem würde ich gerne den Markt umgestalten und denke dabei auch an die Kinder.

Oh, das klingt ja spannend. Um was handelt es sich genau?

Mir schwebt ein toller Wasserspielplatz vor, in dem die kleine Tollense integriert ist. Ob wir das im nächsten Jahr schon angehen können, wird sich zeigen. Aber es steht auf jeden Fall auf meiner langen To-Do-Liste.

Wo wir schon bei den Kindern sind: Neben der Grundschule am Klosterberg sollte in Zukunft doch ein neues Hortgebäude entstehen. Wie weit ist dieses Vorhaben gereift?

Das ist auch ein großer Wunsch von mir, diesen Neubau mithilfe von Fördermitteln realisieren zu können. Der Bedarf bei der Hortbetreuung ist viel höher, als der freie Träger im Moment leisten kann. Die räumlichen Kapazitäten sind ausgereizt. Wenn alles klappt wie gewünscht, können wir aber 2023 hoffentlich die Planungsphase anstoßen.

Und was wünschen Sie sich ganz persönlich?

Dass wir alle in der Stadt weiter an einem Strang ziehen und uns auch bei möglichen Problemen immer auf Augenhöhe begegnen. In der momentanen Situation ist es wichtiger denn je, offen und ehrlich miteinander umzugehen. Außerdem wünsche ich mir für meine Familie und mich, aber auch für die Altentreptower, dass wir alle gesund bleiben und trotz vieler Krisen zufrieden sind, mit dem was wir haben.

Gab es in Ihrer Amtszeit denn schon einen Moment, in dem Sie es bereut haben, für die Bürgermeisterwahl kandidiert zu haben?

Nein, ich bin seit dem ersten Tag im Amt gern Bürgermeisterin dieser Stadt. Mir macht meine Arbeit unwahrscheinlich Spaß. Altentreptow hat jede Menge Potenzial, das in den vergangenen Jahren noch nicht so genutzt werden konnte, wie wir es eigentlich gerne gewollt hätten. Aber ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam viel erreichen können.