Prozess
Axt–Opfer zeigt sich überzeugt - „Angreifer wollte mich töten“
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Den 9. September 2022 werden viele Neubrandenburger nicht vergessen. Die Polizei warnte öffentlich vor einem Mann (43) syrischer Herkunft, der mit einer Axt einen Landsmann (26) in Neubrandenburg angegriffen und schwer verletzt hatte und nun mit der Waffe in der Stadt unterwegs war. Hubschrauber kreisten über der Stadt, Eltern holten ihre Kinder sicherheitshalber von der Schule ab. Nach ein paar Stunden wurde der Mann zum Glück gefasst.
Früher waren beide gut befreundet
Nun im Prozess am Landgericht Neubrandenburg wurde klar: Der Angeklagte wollte seinen Landsmann töten — vermutlich, weil er mit der Situation in Deutschland so gar nicht mehr klarkam. Und: Der 43–Jährige soll sich im Internet auch mit Seiten des Terrornetzwerkes IS befasst haben.
„Wir waren vorher gut befreundet, ich hätte nie gedacht, dass es einmal so weit kommt“, sagte der 26–Jährige, der im Gegensatz zu seinem Landsmann fließend Deutsch spricht und auch einen Job hat. Der Zeuge und der Angeklagte waren beide 2015 als Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland gekommen.
Eine Frau veränderte alles
Über die Jahre hatte der Jüngere die neue Sprache gut gelernt, der 43–jährige Angeklagte tat sich hingegen sehr schwer. Der Zeuge half ihm aber, wo er konnte. Anfangs wohnten beide in einem Viertel. Dann lernte der 26–Jährige eine Frau kennen, die erst als Studentin in der Gemeinschaftsunterkunft tätig war und nun bei einer Ausländerbehörde arbeitet. Beide suchten sich 2020 eine gemeinsame Wohnung im Vogelviertel Neubrandenburgs.
Das war wohl eine Art Bruch. Der Angeklagte half zwar noch beim Umzug, sagte die Freundin. Beide sorgten dafür, dass der 43–Jährige auch eine ihrer alten Wohnungen bekam. Doch danach sah man sich seltener. Der Zeuge arbeitete viel und wollte Zeit mit der Freundin verbringen.
„Ich dachte, das ist der Paketdienst“
Der Angeklagte sei religiöser geworden. Er habe sich dann so geäußert, dass er nicht verstehen kann, dass der 26–jährige Zeuge mit einer deutschen Frau unverheiratet zusammenlebte und dass es in dessen Haushalt Alkohol gab. „Er kam in Deutschland nicht klar“, glaub der Angegriffene. Der Angeklagte habe irgendwann gesagt, dass er zurück nach Libanon gehen wollte.
Am 9. September kam es dann zu dem gefährlichen Vorfall. Der Mann mit der Axt fuhr per Rad zu dem Mehrfamilienhaus, wo der Zeuge und seine 33 Jahre alte Freundin wohnten. Der Axt–Besucher klingelte unten an der Hauseingangstür. Da die Gegensprechanlage nicht funktionierte, ging der Zeuge nach unten. „Ich dachte, das ist der Paketdienst.“
Zweimal mit der Axt zugeschlagen
Dann hörte er Rufe auf arabisch. „Er hat mich verflucht und meine Familie auch“, erläuterte der Geschädigte dem Gericht. Als er seinen früheren Kumpel vor der Haustür zur Rede stellen wollte, habe der Angeklagte gesagt, dass er ihn töten wolle. Und zweimal mit der Axt auf ihn eingeschlagen.
Der 26–Jährige wehrte die Hiebe mit den Armen ab und erlitt leichte Verletzungen. Seine Freundin lief hinunter und öffnete die ins Schloss gefallene Haustür, so dass er ins Haus fliehen konnte. Der Angreifer habe gegrinst und sei davongefahren, schließt das Opfer seine Schilderung.
Nachbarn haben von Balkonen alles gesehen
Mehrere Zeugen in einem Nachbarhaus, die den Vorfall von den Balkonen aus sahen, bestätigten vor Gericht diese Schilderungen. Der Angeklagte hat vor Gericht bisher noch geschwiegen. Der Prozess wird am 23. Februar fortgesetzt, unter anderem mit der gerichtsmedizinischen Gutachterin. Der Angeklagte wird auch psychologisch begutachtet.
Ein Urteil soll voraussichtlich am 10. März fallen.