Corona–Beihilfen

Corona–Prozess - Angeklagte schweigen sich zum Freispruch

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Obwohl Staatsanwältin und Richterin keine ernsthaften Zweifel hegen, dass eine 44–Jährige ungerechtfertigt Corona–Beihilfen beantragt hat, geht die Angeklagte straffrei aus.
Veröffentlicht:01.06.2023, 19:02

Von:
  • Thomas Beigang
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Die 22–jährige Tochter sitzt am Zeugentisch. Eigentlich soll die junge Dame Licht in eine dunkle Angelegenheit bringen, für die ihre bei Pasewalk lebende Mutter im Neubrandenburger Amtsgericht angeklagt ist. Richterin Tanja Krüske muss sie aber extra belehren, weil es das Gesetz so verlangt: Als Zeugin müsse sie die Wahrheit sagen, klar. Lügt sie, kann sie bestraft werden.

Aber — sie muss nichts sagen, was sie eventuell selbst belasten könnte. Und sie kann sogar den Mund halten und muss gar nicht aussagen, weil doch ihre eigene Mutter auf der Anklagebank sitzt. Familienangehörige dürfen in Deutschland von ihrem sogenannten Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Die Tochter schweigt also.

Für Antrag war nicht mal eine Unterschrift nötig

Die Staatsanwaltschaft wirft der Mutter Betrug vor. Im Mai 2020 soll die Frau während der Corona–Pandemie und des vom Staat verordneten Lockdowns 9000 Euro Beihilfe beantragt haben, die ihr gar nicht zustanden. Laut Anklage hat sie damals für ihren im brandenburgischen Prenzlau ansässigen Baubetrieb Unterstützung eingefordert, immerhin seien Aufträge weggebrochen und laufende Kosten müssten beglichen werden, so ihre Begründung.

Das Ausfüllen des Antrages an die zuständige Investitionsbank des Landes Brandenburg war unkompliziert, alles konnte online abgeschickt werden, nicht mal eine Unterschrift wurde verlangt. Schnell und unbürokratisch sollte damals alles über die Bühne gehen, hatte die Regierung den geplagten Unternehmern versprochen. Allein bis April 2021 wurden damals bundesweit mehr als 31 Milliarden Euro Corona–Hilfen ausgezahlt, eine Wahnsinnssumme.

Firma war offenbar gar nicht mehr aktiv

9000 Euro erhielt seinerzeit auch die in der Nähe des Städtchens Pasewalk lebende Antragstellerin mit dem Baubetrieb in Prenzlau. Das Geld floss schnell, nur wenige Tage nach dem Antrag tauchte die Summe auf dem angegebenen Konto auf, das der Tochter der Angeklagten gehörte. Den Baubetrieb hatte die Dame schon im Jahr 2014 gegründet, die Beschreibung des Tätigkeitsfeldes gemäß den Unterlagen im Gewerbeamt klingt gewaltig: Fußboden– und Fliesenlegearbeiten, Gestaltung mit Mosaiken, die Pflasterung von Einfahrten und Straßen und vieles mehr.

Nur war der Betrieb wohl schon zwei Jahre nach Gründung stillgelegt worden. Polizisten, die nach dem Aufkommen des Verdachts auf Subventionsbetrug die Adresse der Firma in Augenschein nahmen, fanden — nichts. Jedenfalls nichts, was auf einen florierenden Betrieb schließen ließ.

Muss wenigstens das Geld zurückgezahlt werden?

Aber so einfach Antrag und Bewilligung waren, so kompliziert scheint es zu sein, der durchgängig schweigenden Angeklagten Betrug zu beweisen. Das Gericht hat große Schwierigkeiten, die Antragstellung auch auf die Angeklagte zurückzuführen. Denn online und ohne Unterschrift könne dies jeder gewesen sein, der sich eine Kopie des Personalausweises und die Steuernummer der Firma besorgen konnte. Vielleicht sogar die Tochter?

Die Staatsanwältin hat eigentlich keine ernsthaften Zweifel an der Schuld der Angeklagten, muss aber zugeben, diese nicht mit der erforderlichen Gewissheit beweisen zu können. Also beantragt selbst die Anklägerin zähneknirschend einen Freispruch, so lautet dann auch das Urteil des Gerichts.

Und die 9000 Euro, die auf dem Konto der Tochter gelandet sind? Muss diese zurückzahlen. Wenigstens daran lässt die Staatsanwaltschaft keine Zweifel.