Heftige Kritik
Bürger wehren sich gegen geplantes Industriegebiet bei Altentreptow
Altentreptow / Lesedauer: 5 min

Tobias Holtz
Ein Industriegebiet direkt vor Haustür? Für die Einwohner von Klatzow und Rosemarsow sind die jüngsten Pläne der Stadt ein absolutes No–Go. „Die Energiewende darf nicht auf unseren Schultern ausgetragen werden“, brachte es Daniela Werth bei der jüngsten Stadtvertretersitzung auf den Punkt.Sie hatte bereits im Vorfeld in der Sprechstunde des Stadtvertretervorstehers gemeinsam mit anderen Bürgern aus den Ortslagen ihren Unmut darüber geäußert, dass in dem geplanten grünen Gewerbegebiet an der L35 nach dem vorgesehenen Änderungsbeschluss nun auch Industrieansiedlungen möglich sein sollen.
„Wir müssen schon seit Jahren die Geruchs– und Lärmbelästigungen vom Deutschen Milchkontor (DMK), der dazugehörigen Biogasanlage und Windräder ertragen. Hinzu kommt, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte nicht eingehalten werden. Wir fühlen uns in unserer Lebensqualität massiv eingeschränkt“, monierte Werth, die im Namen aller betroffenen Anwohner bereits eine Petition gegen das Vorhaben gestartet hat.
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Denn im Gegensatz zu reinen Gewerbegebieten dürfen sich in Industriegebieten laut Baunutzungsverordnung auch Betriebe niederlassen, die ein „ortsunübliches Maß“ an Umweltbelastungen verursachen und deshalb ausreichend weit von Wohngebieten entfernt liegen müssen.
Aufstellungsbeschluss nie öffentlich bekannt gemacht
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Thomas Kraft, hatte vor diesem Hintergrund beantragt, die entsprechenden Punkte von der Tagesordnung zu streichen, da es in dieser Angelegenheit noch jede Menge Diskussionsbedarf gebe. Doch die anderen Stadtvertreter schienen es anders zu sehen und stimmten mehrheitlich dagegen — auch wenn sich das Blatt im späteren Verlauf der Sitzung noch wenden sollte.
Für Kritik bei den Anwohnern sorgte außerdem die Tatsache, dass der ursprüngliche Aufstellungsbeschluss der Stadtvertretung zum Bebauungsplan für das grüne Gewerbegebiet bei Klatzow vom 5. April 2022 nie öffentlich bekannt gemacht wurde. „Aus welchem Grund ist das nicht erfolgt? Ist der Beschluss dann trotzdem rechtskräftig?“, wollte Dietmar Rüsing wissen. Es sehe fast danach aus, als sollten die Pläne den Bürgern ganz bewusst so lange wie möglich vorenthalten werden. „Das hat für mich nichts mehr mit aktiver Bürgerbeteiligung zu tun“, meinte der Mann aus Rosemarsow.
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Zweifel und Sorgen wegen Wasserstoffkraftwerk
Generell zeigten sich die Anwohner von der zur Abstimmung stehenden Beschlussvorlage mehr als enttäuscht. Eigentlich hatte ihnen Rathauschefin Claudia Ellgoth (parteilos) vorab zugesichert, die vorgesehene Fläche deutlich verkleinern zu wollen und gleichzeitig versprochen, dass ein neues Industriegebiet bei der DMK grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, weil das Hauptaugenmerk auf dem Standort in Richtung Grapzow liegt. Stattdessen solle das Areal lediglich als potenzielle Erweiterungsfläche für das Unternehmen dienen.
„Das stimmt so aber nicht. Wir wissen, dass dort ein Wasserstoffkraftwerk entstehen soll, was wieder neue Probleme mit sich bringt“, sagte Daniela Werth. Um mit dem Elektrolyseverfahren grünen Wasserstoff erzeugen zu können, werde sehr viel Strom benötigt. „Sollen dafür weitere Windräder hinter unseren Grundstücken gebaut werden oder wie sieht die Energieversorgung aus? Woher kommt das ganze Wasser, etwa aus der Tollense? Das macht in unseren Augen alles keinen Sinn“, verdeutlichte die Klatzowerin den Standpunkt der Bürger.
Bürgermeisterin widerspricht Vorwürfen
Wie groß die neue Beplanungsfläche nun letztendlich ausfällt, sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. „Da steht was von 45 Hektar, aber zuletzt war doch von einer ganz anderen Größe die Rede. Wir haben mittlerweile ernsthafte Zweifel daran, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird“, so Werth.
Anschuldigungen, die Claudia Ellgoth so nicht stehen lassen wollte. Es sei zwar richtig, dass es einen Interessenten für ein Wasserstoffkraftwerk gibt, aber der werde sich nicht bei der DMK niederlassen. Was die Größe der Fläche betrifft, sei die Stadt den Wünschen der Bürger mehr als entgegenkommen. „Es gab mehrere Änderungen, von anfangs 84 Hektar sind jetzt 28 Hektar übrig geblieben. Und ob die von der DMK am Ende auch genutzt werden, steht überhaupt noch nicht fest“, stellte Ellgoth klar.
Der zugehörige Aufstellungsbeschluss werde erst öffentlich bekannt gegeben, wenn sämtliche Änderungen eingearbeitet sind. Trotzdem konnten sich die Anwohner mit dieser Argumentation nicht zufriedengeben. Denn egal, in welche Richtung die Stadt das angedachte Gebiet auch reduziert, die Entfernung zu den Wohnhäusern würde immer gleich bleiben. „Das sind nur 300 Meter, es reicht jetzt“, hieß es aus dem Publikum.
Vorort–Termin soll Lösungen bringen
Thomas Kraft regte daraufhin erneut an, das Gebiet vorerst komplett aus der Beschlussvorlage herauszunehmen und nur über das Areal bei Grapzow abzustimmen — gerade auch, weil es die Verwaltung versäumt hatte, eine abgeänderte Tischvorlage mit den neuen Hektarangaben vorzubereiten. Nach einer kurzen Beratungspause waren dann auch die anderen Stadtvertreter davon überzeugt, dass in der angespannten Situation kein Weg an diesem Vorschlag vorbeiführt.
„Trotzdem müssen wir uns alle darüber im Klaren sein, dass sich Altentreptow wirtschaftlich weiter entwickeln muss und das gelingt eben nur mit den grünen Gewerbegebieten. Sobald hier wirklich ein konkretes Vorhaben auf dem Tisch liegt, werden die Interessen der Bürger im Abwägungsprozess mit berücksichtigt“, versicherte der Fraktionsvorsitzende der Wählergemeinschaft, Mirko Renger. Schon in der kommenden Woche soll es zudem einen Vorort–Termin mit der Bürgermeisterin geben, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie sich die schon vorhandenen Störfaktoren des DMK minimieren lassen. „Wir als Stadt sind kompromissbereit“, so Ellgoth.