Treffen
Damals in der DDR waren sie stolz! Russisch-Klasse trifft sich nach 70 Jahren
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Mirko Hertrich
Als für die Mädchen und Jungen der Ernst des Lebens begann, lag Neubrandenburg noch in Schutt und Asche und die DDR war erst wenige Jahre alt. "In den ersten Jahren auf dem Weg zur Schule konnte ich von einem Tor zum anderen schauen“, erinnert sich Helmut Wasmund an die Folgen der massiven Zerstörung der Neubrandenburger Innenstadt in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. 70 Jahre ist es nun her, dass er zusammen mit heute teils ergrauten Männern und Frauen am 1. September 1953 zum ersten Mal die Schulbank drückte.
Leistungsstarke Schüler ausgewählt
In der vergangenen Woche trafen sie sich die ehemaligen Mitschüler anlässlich des runden Jubiläums im Neubrandenburger Hotel St. Georg, das gern für solche Anlässe gebucht wird. Neben dem Einschulungsdatum verbindet die ehemaligen Schüler eine weitere Besonderheit. Sie besuchten die sogenannte R-Klasse, wobei R für Russisch stand. Es war der erste Jahrgang in der Vier-Tore-Stadt, der ab der dritten Klasse in der DDR die Sprache des großen Bruderstaates lernte.

„An der Postschule, der Fritz-Reuter-Schule, der Adolf-Diesterweg-Schule, der Pestalozzi-Schule sowie der Curie-Oberschule wurden wir eingeschult und dort verliefen auch die ersten zwei Jahre“, lässt Helmut Wasmund, der heute in Dresden lebt, die Vergangenheit anhand von Fotos Revue passieren.
Aus den zweiten Klassen dieser Schulen wurden leistungsstarke Schülerinnen und Schüler ausgewählt, die in der Curie-Oberschule zusammen die Klasse 3 R bildete. "Da waren wir schon stolz drauf." Fast täglich stand Russisch auf dem Stundenplan. Mit Beginn der 4. Klasse wurde die Pestalozzi-Schule der neue Schulort. Mit der 8. Klasse beendeten bereits die ersten Schüler die Schule, die anderen blieben weiter zusammen und machten zusammen an der Oberschule Friedrich-Engels den Abschluss.
„Neulinge“ sind zum Jubiläum auch dabei
Durch die verschiedenen Abschlüsse zerfaserte der Klassenverband etwas, doch viele Freund- und Bekanntschaften hielten ein Leben lang. Das Klassentreffen in Neubrandenburg war nicht das erste dieser Art. Vor Corona haben regelmäßige Zusammenkünfte stattgefunden, allerdings in kleinerer Runde, sagt die ehemalige Mitschülerin Elke Hausner, die in Neubrandenburg lebt. Für das 70-jährige Jubiläum konnten aber einige ehemalige Schüler ausfindig gemacht werden, die bislang nicht dabei waren. Entsprechend groß ist auch das Hallo beim Wiedersehen, das mit Umarmungen und Schulterklopfen gefeiert wird. "Wo ist mein Schatz?“, sucht ein Herr mit lauter Stimme in der Gruppe eine ehemalige Mitschülerin, während ein anderer neckisch mit "Na, Du alte Eule" begrüßt wird.

Obwohl sich die Teilnehmer naturgemäß langsam schon ihren 80. Geburtstagen nähern, machen sie fast alle einen fitten und aufgeweckten Eindruck, auch wenn nicht nur die Schule, sondern auch ihr ganzes Berufsleben in DDR und BRD schon ein Weilchen hinter ihnen liegt.
Sprache hat im Berufsleben geholfen
Die Erinnerung an die Mitschüler oder selbst das eigene Aussehen ist nach sieben Jahrzehnten teils etwas verblasst. "Das auf dem Foto müsste wohl ich sein“, rät Karl Krenz und zeigt auf ein junges Kindergesicht, das von einem Klassenfoto lacht, das er aufgehängt hat. Der 78-Jährige lebt mittlerweile in Berlin. Den Russisch-Unterricht konnte er während seines Berufslebens gut gebrauchen. Zu DDR-Zeiten hat er nach eigenen Worten als Ingenieur im Kombinat Industrielle Mast gearbeitet und den Aufbau von Anlagen begleitet im damaligen Ostblock von Polen über die Ukraine bis in den "Fernen Osten" im russischen Wladiwostok.
Karl Krenz freut sich, die ehemaligen Klassenkameraden wiederzusehen, auch wenn einige der alten Freunde schon verstorben sind.l Obwohl er schon lange nicht mehr in Neubrandenburg wohnt und damals als Heimatvertriebener in die Stadt kam, fühlt er sich der Vier-Tore-Stadt immer noch verbunden. „Es war damals die längste Zeit, wo ich als Kind gewesen bin.“