Toter Joel (6)

Darum ermittelt die Polizei wegen Totschlag und nicht wegen Mord

Pragsdorf/Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

In den sozialen Medien entlud sich nach der Tötung des kleinen Joel teilweise Wut über die Polizei. Warum ermitteln die nicht wegen Mordes? Das hat einen bestimmten Grund.
Veröffentlicht:18.09.2023, 17:37

Von:
  • Henning Stallmeyer
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Nach dem gewaltsamen Tod des sechsjährigen Joel in Pragsdorf bei Neubrandenburg ermittelt die Polizei weiterhin wegen Totschlags. Genau das stößt einigen Leuten in den sozialen Netzwerken sauer auf.

Vorwurf des Täterschutzes

„Wieso ermitteln die denn nicht wegen Mord, wenn doch klar ist, dass der Junge getötet wurde?“, fragt ein Facebook–Nutzer. Bei einigen entlädt sich die Wut über den traurigen Vorfall bei der Polizei. Sie unterstellen ihr sogar Täterschutz, da man nicht wegen Mordes ermittelt.

Dem widerspricht die Polizei vehement. Eine Ermittlung wegen Totschlags sei die ganz normale Verfahrensweise, wenn nicht sofort klar ist, dass es sich um Mord handelt, teilte eine Polizeisprecherin mit. Zwischen den Straftatbeständen Mord und Totschlag gibt es ein paar wesentliche Unterschiede. Zwar handelt der Täter in beiden Fällen vorsätzlich und führt willentlich den Tod eines anderen Menschen herbei, damit jemand aber wegen Mordes verurteilt wird, müssen die sogenannten Mordmerkmale erfüllt sein.

Anklage wegen Mordes noch möglich

Zu diesen Mordmerkmalen zählen unter anderem Habgier, niedere Beweggründe wie Eifersucht oder Ausländerfeindlichkeit oder auch Grausamkeit. „Die meisten Mordmerkmale sind subjektiv, das heißt, es kommt auf das Motiv des Täters an“, ordnet ein Jurist die Sachlage für den Nordkurier ein. Heißt im Klartext: Ohne den Täter gefasst zu haben, ist es schwierig von einem Mord zu sprechen.

„Ein Vorteil für den Täter erwächst aus einer Ermittlung wegen Totschlags aber nicht“, stellt der Jurist klar. „Weil die Staatsanwaltschaft die Anklage ohne weiteres auch wegen Mordes verfassen kann, wenn das erwiesen ist.“

Spuren an Messer werden noch ausgewertet

In Pragsdorf hat man am vergangenen Donnerstag einen kleinen Jungen tot aufgefunden. Die Obduktion ergab, dass der Sechsjährige erstochen wurde. Bislang hat die Polizei noch keinen Tatverdächtigen. Auch eine Wohnungsdurchsuchung noch am Donnerstagabend sowie dutzende Befragungen brachten noch nicht den entscheidenden Hinweis.

Die Beamten hatten zudem ein Messer gefunden. Ob es sich dabei aber um die Tatwaffe handelt, ist noch unklar. Die Polizisten müssen auf die kriminaltechnische Analyse warten. Mit einem Ergebnis rechnet die Polizei frühestens Ende der Woche.