Sexuelle Vielfalt

Deshalb geht Nils (18) in der Disko auf die Frauentoilette

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Nils Berghof ist queer, also nicht heterosexuell. In Neubrandenburg geht er trotz Anfeindungen offen damit um. Anderen Jugendlichen will er Sicherheit geben – auch mit Partys.
Veröffentlicht:31.01.2023, 08:35
Aktualisiert:31.01.2023, 14:58

Von:
  • Author ImagePablo Himmelspach
Artikel teilen:

Nils Berghof trägt künstliche Nägel, Parfum und eine seidene Bluse. Für den 18-jährigen Neubrandenburger ist Mode ein Ausdruck der eigenen Identität – er bezeichnet sich selbst als „queer“, also nicht heterosexuell. Als Mitglied des Vereins queerNB hat er es sich zur Aufgabe gemacht, junge, queere Neubrandenburger zu vernetzen. Zwei Mal pro Monat kommen sie beim „U27 Meetup“ zusammen, um sich auszutauschen und einen Raum frei von Homophobie zu schaffen. „Ziel ist es, dass sich junge Leute bei uns frei ausleben können“, sagt Nils Berghof.

Lesen Sie auch: Streit um Sex-Plakat mit Schwulen-Paar in Neubrandenburg

Hinter einer großen Brille mit runden Gläsern klimpern seine geschminkten Wimpern, er spricht mit weicher Stimme. Auch eine Stütze wollen sie sein, sagt er – eine Stütze für all jene, die es zu Hause schwer haben: Jugendliche, die ihre Sexualität verheimlichen müssen, oder denen die Eltern mit einem Rausschmiss drohen.

Im vorpommerschen Heimatdorf haben sich viele lustig gemacht

Nils Berghof selbst geht offen mit seiner Sexualität um, will sich nicht verstecken. Gerne trage er auch mal einen Rock oder ein bauchfreies T-Shirt. In Neubrandenburg klappt das im Vergleich zu seinem Heimatort relativ problemfrei, sagt er. „Ich komme eigentlich aus einem kleinen Dorf im Landkreis Vorpommern-Greifswald, da haben sich viele über mich lustig gemacht. Hier bin ich deutlich mehr ich selbst geworden.“

Lesen Sie auch: „QueerNB” setzt Zeichen gegen Diskriminierung und Homophobie

Dass Nils Berghof etwas anders ist, konnten seine Eltern bereits in seiner Kindheit bemerken. Als kleiner Junge habe er sich zu Weihnachten eine Küche zum Spielen gewünscht – sein Vater schenkte ihm dennoch eine Werkbank. Die Reaktion des kleinen Nils verrät einiges über seinen Charakter. Statt traurig zu sein, machte er das Beste aus der Situation und nutzte das Geschenk nach seinen eigenen Vorstellungen: „Ich habe dann einfach auf der Werkbank gekocht“, sagt er, während er seine Hände wie ein servierender Kellner präsentiert.

„In ein gutes soziales Umfeld reingerutscht“

Dass er sich in Neubrandenburg wohlfühlt, liegt aber nicht nur daran, dass er sich offen und selbstbewusst zeigt. „Ich bin in ein gutes soziales Umfeld reingerutscht“, sagt Nils Berghof. Auf dem Datzeberg macht er sein Fachabitur mit dem Schwerpunkt auf Sozialpädagogik und Psychologie, mit seinen Mitschülern verstehe er sich gut. Was jedoch nicht heißt, dass er keine Anfeindungen erleben muss.

Lesen Sie auch: Ampel beschließt Plan zum Schutz queerer Menschen

In seinem Nebenjob beim Supermarkt, auf offener Straße, oder in der Diskothek – immer wieder muss er verletzende Sprüche aushalten. „Wenn ich in der Disco im Colosseum bin, gehe ich immer auf die Frauentoilette. Bei den Männern kommen immer gleich Leute an und sagen, dass die Mädchentoilette woanders ist“, sagt Nils Berghof mit einem Kopfschütteln.

Für Partys fehlt noch ein fester Raum

Auch deshalb engagiert er sich beim U27Meetup. Schon mehrere Partys habe er mit der Gruppe organisiert – auch mit dem Ziel, für Abwechslung in der Neubrandenburger Partyszene zu sorgen. „Ich will ein queeres Nachtleben etablieren. Für Jugendliche gibt es hier nur wenig“, findet er. Bisher fehlt ihm und seinen Mitstreitern dafür aber noch ein fester Raum.

Allzu viel Zeit bleibt Nils Berghof für seine Pläne jedoch nicht. Wie viele andere auch zieht es ihn nach seinem Fachabitur nach Berlin. Die große queere Gemeinschaft dort reize ihn, die vielen Bars und Möglichkeiten. Mit einem schlechten Gefühl wird er Neubrandenburg wohl aber nicht hinter sich lassen: „Natürlich ist es hier nicht perfekt, aber wo ist es das schon“, sagt Nils Berghof.

Am 31. Januar findet der erste U27 Meetup des Jahres statt. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen treffen sich um 16.30  Uhr im Wiekhaus Nummer 12 in der 2.  Ringstraße.