Schuldnerberatung
„Die Insolvenz kann auch eine Erleichterung sein“
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Henning Stallmeyer
Die Schuldnerberatung der Caritas rechnet für dieses Jahr mit einer sehr großen Nachfrage. Als Hauptgrund führt die Caritas die gestiegenen finanziellen Belastungen bei den Bürgern an. Die stark gestiegenen Preise für Energie und die Inflation treffen vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen und führen so häufiger in sozial schwächeren Familien zur Überschuldung.
Hohe Belastung für Schuldenberater
Diese Belastung spürt Nicolas Mantseris, einer von fünf Schuldenberatern der Caritas in Neubrandenburg im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, schon seit etwa einem Jahr. So sei die Zahl der Neuaufnahmen von Schuldnern 2022 bei der Caritas schon enorm gestiegen, nahm die Caritas 2021 noch rund 300 neue Kunden auf, waren es 2022 schon 375. Tendenz eher steigend. Insgesamt berät die Schuldnerberatung etwa 1100 Menschen pro Jahr.

Dabei steht bei jeder Beratung der Slogan der Caritas „Von Mensch zu Mensch“ im Vordergrund, beteuert Nicolas Mantseris: „Wir verurteilen niemanden. Wir schauen uns die Situation der Betroffenen an und beraten anschließend.“ Nicht selten endet so eine Beratung in der Privatinsolvenz der Betroffenen. Dabei klinge das deutlich dramatischer, als es am Ende sein muss, meint Mantseris. „Für viele bedeutet die Insolvenz auch Erleichterung“. Damit meint er, dass die Schuldner ein Licht am Ende des Tunnels sehen. Es würden keine Mahnungen mehr kommen, keine Termine beim Gerichtsvollzieher stehen mehr an.
Nach drei Jahren Neuanfang möglich
Nach drei Jahren Insolvenzverfahren könne man einen Neuanfang starten. „Viele wehren sich am Anfang gegen die Insolvenz und versuchen krampfhaft, ihre Schulden abzustottern. Doch wenn der finanzielle Spielraum nicht gegeben ist, macht das teilweise keinen Sinn“, sagt der Schuldnerberater. 2022 hat die Caritas etwa 320 Insolvenzanträge für ihre Kunden gestellt. Auch hier befürchten die Schuldenberater einen Anstieg. Das ist kein Phänomen in der Seenplatte, dieser Trend zu mehr Privatinsolvenzen besteht bundesweit, geben die Statistiken der Caritas Auskunft.
Geringe Einkommen sind eine Ursache
Laut Mantseris gibt es vor allem drei Ursachen dafür, dass Menschen in eine Überschuldungssituation zu kommen. Erstens die Einkommensarmut. „Wenn man nur wenig hat, kann man nicht auf Unvorhergesehenes reagieren“, sagt Mantseris. Das kann ein kaputter Kühlschrank sein, der ersetzt werden muss oder die hohen Stromkosten am Jahresende. Nur mit Sozialhilfe oder mit geringem Einkommen sei das nicht zu stemmen.
Als zweiten Grund nennt er den Einkommensverlust. Durch plötzliche Arbeitslosigkeit, Krankheit oder auch durch Trennung. Dadurch rutsche man schneller ins Dispo, als man denke, weiß Mantseris aus seiner Erfahrung als Schuldenberater.
Finanzielles Grundwissen fehlt
Als dritten Punkt nennt er noch die Unbekümmertheit. Seiner Erfahrung nach verfügen viele Menschen nicht über finanzielles Grundwissen, heben Rechnungen nicht auf, kümmern sich nicht um Mahnungen und geben einfach mehr Geld aus, als sie können.
Dazu registriert er in den vergangenen Jahren immer mehr die psychische Belastung seiner Klienten. „Viele befinden sich in einer richtigen depressiven Spirale, aus der sie dann nicht mehr herauskommen.“
Neue Schulden vermeiden
Um seinen Kunden zu helfen, versucht Mantseris als Erstes, sich immer einen Überblick über die Schuldensituation zu verschaffen. Wie hoch sind die Gesamtschulden, wie viele Gläubiger gibt es und wie viel Geld kommt jeden Monat rein? Dann kommt der wichtigste Schritt: Neue Verschuldung vermeiden. „Oft sage ich: Deine Schulden sind mir erst mal egal. Erst müssen wir das Feuer löschen, dann beheben wir den Schaden“, erklärt Mantseris.
Viele Gläubiger sind ein Problem
Wie es dann weitergehe, hängt vom Einzelfall ab. Bei geringen Schulden von etwa 1000 Euro würde man natürlich noch nicht über eine Insolvenz nachdenken. Doch wer kein Einkommen hat und etwa 3000 Euro Schulden angehäuft hat, bei dem führe oft kein Weg daran vorbei. Ähnlich sieht es bei Menschen aus, die zu viele Gläubiger haben. „Die alle zu bedienen, ist oft unmöglich“, sagt Mantseris.
Ohne Verzicht ist es schwierig
Letztlich gehe aber nichts ohne die Entscheidungen der Schuldner selber. Der beste Haushaltsplan nütze nichts, wenn die Schuldner keine Bereitschaft zum Sparen haben, merkt Nicolas Mantseris an. „Ich hatte mal eine Schuldnerin, die wollte partout nicht auf ihr Sky–Abo verzichten. Das ist dann natürlich schwierig.“