Konzertkirche
Die Konzertkirche, sie lebe hoch!
Neubrandenburg / Lesedauer: 5 min

Frank Wilhelm
Der Hausherr
„Kann man die Konzertkirche als ihr zweites Wohnzimmer bezeichnen?“ Die Antwort von Manfred Tepper kommt wie aus der Pistole geschossen: „Und was soll mein erstes Wohnzimmer sein?“ Der 71-Jährige lacht. Kaum ein Mensch in Neubrandenburg ist so eng verbunden mit Konzertkirche wie Tepper. Der Mitarbeiter des Veranstaltungszentrums (VZN) ist seit der Übergabe der Kirche an das VZN, das den Konzertsaal vermarktet, verantwortlich für das Schmuckstück: Bis auf wenige Ausnahmen steht er seit 20 Jahren bei jeder Veranstaltung am Einlass, begrüßt und verabschiedet die Besucher – immer mit einem Lächeln. Seine Hauptarbeit fällt indes im Vorfeld an: Der Kontakt mit den Stars, die Verhandlungen mit den Managements, angefangen über die Gagen bis hin zu den Wünschen für Essen und Trinken.
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Dabei sind es die Stars aus dem Osten, die eher bescheiden auftreten. Die Catering-Liste von Armin Mueller-Stahl belief sich auf vier Zeilen: „Der Künstler würde sich freuen, wenn es ein Stüllchen und eine Kanne Tee gebe“, zitiert Tepper. Oder die große Gisela May: Sie habe sich ein Brot und einen Tee mitgebracht und im Auto verzehrt. Auch Gerd Michaelis und Karat („Dürfen wir noch ein Bier haben?“) seien durch Genügsamkeit und Höflichkeit in Erinnerung geblieben. Für die Catering-Anforderungen des belgischen Sängers Milow brauchte es dagegen 14 Seiten. Viele, viele Anekdoten hat Tepper abgespeichert: Dass Hermann van Veen eine halbe Stunde vor seinem Auftritt ein Steak medium orderte, dass die Garderobe von Vicky Leandros 25 Grad Raumtemperatur aufweisen musste und dass Max Raabe erst auftreten wollte, wenn das richtige Haarspray vorm Spiegel stand.
Der Chefdirigent
Wir wissen nicht, ob Sebastian Tewinkel (50) Haarspray benutzt. Wir wissen aber, dass der Generalmusikdirektor der Philharmonie wohl der Mensch ist, der sich am besten mit der Akustik der Kirche auskennt, die viele für den besten Konzertsaal Norddeutschlands halten. Bevor er 2015 als Chefdirigent in Neubrandenburg startete, hatte er die Konzertkirche kurz nach deren Eröffnung bei einem Seminar für junge Dirigenten kennengelernt. „Ich war damals schon sehr beeindruckt. Der Saal ist einfach fantastisch.“
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Schon bei kleinen Ensemblegrößen zeige sich die ausgezeichnete Akustik. „Das verleitet dazu, dass man denkt, das klingt schon so gut, dass man nichts mehr machen muss.“ Aber nicht mit Tewinkel. Er probt Passagen, die ihm noch nicht ideal erklingen, immer und immer wieder, bis sie sitzen. Auch „wenn wir sehr verwöhnt sind durch unseren Konzertsaal“, hat er einige Wünsche. Beispielsweise Podeste links und rechts der Bühne für die beiden äußersten Streicherreihen. Das würde die Geiger und Bratschisten klanglich aber auch optisch besser zur Geltung bringen.
Die Harfenistin
Rosa Díaz Cotán spielt seit 2013 als Solo-Harfenistin der Philharmonie. „Ich fühle mich an der Harfe vom Klang des Orchesters umarmt“, sagt sie. Das ließe sich nicht von allen Konzertsälen sagen. Aber in der Konzertkirche komme nicht nur der Klang der Harfe – „nicht zu viel und zu wenig“ – zur Geltung, auch die benachbarten Blechbläser würden vom Orchester aus sehr gut zu hören sein. Es ist aber auch das Ensemble, in dem sich die Spanierin sehr wohl fühlt. Das gab ihr das Selbstbewusstsein, Tewinkel zu Beginn seines Engagements anzubieten, „sehr gerne vorne an der Bühne zu spielen“, als Solistin. Mittlerweile habe sie im Schnitt je Saison ein Solokonzert gespielt. Das nächste Mal wird Rosa Díaz Cotán mit der Konzertmeisterin Elsa Claveria als Solistin beim Jubiläumskonzert zu erleben sein.
Die Organistin
Iveta Apkalna ist vor allem mit der Orgel verbunden, die sie seit der Planung begleitete. Das erste Mal beeindruckte sie Neubrandenburg bei der Einweihung der Orgel 2017. Die Karten für die zwei Konzerte waren binnen weniger Stunden ausverkauft. Seitdem gastiert sie in jedem Jahr mindestens einmal in Neubrandenburg. Beim Proben kann es schon mal passieren, dass sie nachts in der Kirche die Zeit vergisst.
„Für mich ist die Konzertkirche ein ganz besonderer Ort. Ich als Organistin gastiere entweder in Konzertsälen oder in Kirchen. Hier ist die einmalige Symbiose: die beiden ‚Welten’ an einem Ort vereint. Eine exzellente Akustik gekrönt mit einem wahrlich königlichen Instrument!“, sagt Iveta Apkalna.
Vor einigen Monaten hat sie in der Kirche auch ihr Trippel-Album „Triptychon“ aufgenommen, das am 27. August erscheint. „Durch den umfassenden Prozess und die intensive, freundschaftliche Zusammenarbeit mit den beiden Orgelbauern Philipp Klais und Martin Schwarz sowie dem Stifter Günther Weber ist diese Orgel wirklich zu einer persönlichen Liebesgeschichte geworden“, schwärmt sie.
Der Fotograf
Viele wunderbare Bilder von Iveta Apkalna gibt es von Geert Maciejewski. Der Greifswalder Grafikdesigner ist regelmäßig für die Festspiele MV und beim Jazzfrühling als Fotograf in der Konzertkirche anzutreffen. Mitte der 1980er war er schon einmal in der Kirche – da war gerade das Dach gedeckt, die Formsteine lagen gestapelt auf dem Boden. „Diese Bilder habe ich vor Augen, wenn ich heute diesen Saal mit seiner totalen Klarheit betrete.“ Konzertfotografen arbeiten normalerweise eher im Hintergrund. „In der Konzertkirche befindet man sich als Fotograf immer auf dem Präsentierteller“ – gut zu beobachten vom Publikum. Das schadet der Qualität von Maciejewskis Fotos nicht, er weiß die besonderen Momente einzufangen, beispielsweise die Zehntelsekunde vor dem Applaus für die Geigerin Patricia Kopatchinskaja nach ihrem grandiosen Tschaikowski-Violinkonzert. „Wenn die Musik gut ist, dann werden auch meine Bilder gut.“
Eine Auswahl der Fotos von Geert Maciejewski ist in der Kirche zu sehen. Ein Jubiläumskonzert der Philharmonie findet am 13. Juli um 19.30 Uhr statt. Iveta Apkalna gastiert am 12. und am 13. August in der Konzertkirche.