Raubtier

Ein Wolf streift rund um Neubrandenburg umher

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Das Video ist kurz, aber eindeutig: Da läuft ein Wolf von einer Straßenseite zur anderen. Der Wolf streift offenbar rund um Neubrandenburg. Das sagen Experten zum Video.
Veröffentlicht:25.02.2023, 20:07

Von:
  • Thomas Beigang
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Da ist einem Autofahrer in der Nacht zum Sonnabend nur wenige Kilometer von Neubrandenburg entfernt aber eine ganz besondere Entdeckung gelungen. Der Mann, der seinen kleinen Videofilm gleich auf Facebook mit allen seinen Freunden teilte, ist zu später Stunde bei Lindenhof zwischen Burg Stargard und Neubrandenburg einem ausgewachsenen Wolf begegnet. Das Tier überquerte die Straße von links nach rechts und blieb anschließend auf dem benachbarten Acker noch einen Moment stehen — wie, um sich von dem Autofahrer zu verabschieden. „Der war überhaupt nicht ängstlich“, teilte der reaktionsschnelle Hobby–Filmer mit.

Forstamt Neubrandenburg ist Wolfsstreifgebiet

Donnerwetter - ein Wolf so dicht vor den Toren der großen Stadt? „Nichts besonderes“, winkt der Förster des Forstreviers Neuendorf, Thorsten Loop, ab. Alle naselang komme das schon fast vor, er selbst registriere in seinem Revier regelmäßig die Anwesenheit eines einzelnen Wolfes. Und im benachbarten Müritz-Nationalpark sei immerhin ein Rudel heimisch, wisse man seit langem. Von dem kleinen Rudel aus Eichhorst bei Friedland mit seinen vier Welpen, das vor zwei Jahren für Aufsehen sorgte, hätte man allerdings schon länger nichts mehr gehört oder gesehen. Unwahrscheinlich sei das also nicht, dass jemand in der Nacht einem Wolf bei Lindenhof begegnet sei, resümiert Revierförster Loop.

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Der gesamte Bereich des Forstamtes Neubrandenburg gelte schon als Wolfsstreifgebiet. Er selber könne damit ganz gut leben, sagt er. Denn — der Wolf nehme ihm einige Arbeit ab. Das Damwild in seinem Revier sei zahlenmäßig schon geringer geworden, da muss er selbst nicht mehr so oft auf die Jagd gehen. Und noch eine Besonderheit ist dem Mann des Waldes aufgefallen: Das Wild „rudele“ sich mehr zusammen, die Zahl der Damhirsche und Rehe in den Rudeln sei viel größer als früher. „Um sich besser zu schützen“, so der Förster.

Unter bestimmten Umständen streift der Wolf durchs Stadtgebiet

Seinen Kollegen Joachim Rieck, Chef des Forstreviers Neubrandenburg, haut die Nachricht vom gefilmten Wolf zwischen Burg Stargard und Neubrandenburg auch nicht vom Hocker. „Der Wolf ist am Stadtrand von Neubrandenburg ein regelmäßiger Gast“, sagt er. Nicht selten sei es schon zu Sichtungen von Spaziergängern und Jägern gekommen, etwa im Brodaer und im Nemerower Holz. Gerissenes Wild und Aufnahmen von Wildkameras würden die Anwesenheit des sich hier längst heimisch fühlenden Vierbeiners immer wieder beweisen.

Dass die Tiere dabei aber auch tiefer in die Stadt vordringen, sei doch eher unwahrscheinlich. „Wir haben noch keine gesehen, die sich im urbanen Raum einfinden“, sagt Rieck. Obwohl Wölfe anderswo, etwa in einem harten Winter, durchaus mal in die Stadtgebiete kommen. Dann suchen sie in Abfällen nach Essbarem. Frisches Fleisch bleibe aber ihre bevorzugte Nahrungsquelle. Vielleicht aber, so der Neubrandenburger Revierförster, würde die Anwesenheit eines Wolfes irgendwo mitten in der Stadt dann doch einige Leute aufwachen lassen und fällige Gegenmaßnahmen würden endlich ins Leben gerufen.

Wahrnehmbare Stimme für Menschen aus der Seenplatte

Neue Erkenntnisse über eine weiter anwachsende Wolfspopulation in Deutschland rufen immer mehr kritische Stimmen auf den Plan. Nachdem sich in Mecklenburg–Vorpommern bereits die Schaf– und Ziegenhalter für mehr wirksame Gegenmaßnahmen ausgesprochen haben, fordern auch Kommunalpolitiker den Bedenken gegenüber dem Wolf stärkere Beachtung zu schenken.  So verlangte etwa die Feldberger Bürgermeisterin Constance von Buchwaldt (SPD), den Menschen aus dem ländlichen Raum eine wahrnehmbare Stimme zu geben. „Die Menschen vor Ort wollen diesen hohen Besatz an Wölfen nicht. Die Bedürfnisse der Tierhalter, Produzenten, der Land– und Forstwirte und der Einwohner sind endlich ernst zu nehmen“, erklärte sie erst vor wenigen Wochen gegenüber dem Nordkurier.

Neue Wolfsvorkommen wurden neben den bereits bestehenden zum Beispiel in der Region um Neustrelitz erkannt. Begegnungen und auch Konflikte zwischen Mensch und Raubtier bleiben da nicht aus. So war der Feldberger Bürgermeisterin von einem Fall berichtet worden, wonach Pferde in der Nacht panisch reagierten und Zäune niederrissen. Die Vermutung liegt nahe, dass Wölfe die Panik unter den Pferden auslösten. Ein Jäger habe Spuren dem Wolf zuordnen können.

Zum Ende des Monitoringjahres 2021/2022 konnten in Mecklenburg–Vorpommern 28 Wolfsvor­kommen bestätigt werden. Aktuell haben 18 Wolfsrudel, davon sechs grenzübergreifend, sechs Wolfspaare sowie vier territoriale Einzelwölfe ein festes Territorium im Nordosten.