Wut auf Politik
Einwohner stemmen sich gegen Windradpläne im Stargarder Land
Rowa / Lesedauer: 4 min

Pablo Himmelspach
Sie wollen „Sturm laufen“. Die Mitglieder der Bürgerinitiative „Gegenwind Stargarder Land“ haben sich zusammengeschlossen, um gegen mögliche Windräder in der Nähe ihrer Dörfer zu protestieren. Diese könnten bald auf einem Gebiet zwischen Ballwitz, Groß Nemerow, Holldorf, Rowa und Zachow stehen, sagt Mario Borchardt, Bürgermeister der Gemeinde Holldorf.
Planungsverband entscheidet Ende November
Zwar sei noch nichts entschieden, doch eine Firma habe bereits Pachtverträge mit Grundstückseigentümern festgesetzt ‐ ohne die Kommunen zu informieren. „Das wurde hinter dem Rücken der Kommunen gemacht. Das geht nicht. Wir alle müssen mit den Anlagen klarkommen“, empört sich Mario Borchardt.

Vonseiten des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte spricht noch niemand vom Bau der Windräder. Einen Investor gebe es noch nicht. Am 27. November berate der Regionale Planungsverband über „Potenzialflächen“, die im Stargarder Land infrage kommen, teilte die Kreisverwaltung mit. Ob bereits Maßnahmen eingeleitet wurden und welche beabsichtigt sind, erfahre die Öffentlichkeit nach der Versammlung.
Bürgermeister Mario Borchardt will aber schon jetzt aktiv werden. Er sei bereits mit einem bayrischen Anwalt in Kontakt. Das sei einer, den die ganze Windkraftgeschichte „stinksauer“ mache und der viel Erfahrung auf dem Gebiet habe. Die Gemeindevertreter müssten noch das „Go“ geben, damit Geld für den Juristen lockergemacht werden könne.
Petition gegen Windräder vorbereitet
Borchardt erzählt das alles vor Beginn einer Bürgerversammlung im Gemeindehaus Rowa, zu der er und seine drei Mitstreiter Peter Müller, Anke Bahlke und Klaus Suchodoletz zum zweiten Mal eingeladen haben. Sie alle wollen den Bau von Windrädern im Stargarder Land unbedingt verhindern. „Unsere Landschaft wird verwüstet und wir als Region verlieren unser Pfund. Wenn ich als Tourist diese Windräder sehen würde, ich würde direkt umdrehen“, sagt Peter Müller.
Der 63-Jährige ist Schauspieler am Theater und hat für die Initiative eine Website gestaltet sowie eine Petition vorbereitet. Die darin angeführten Argumente sind nicht neu: Zerstörung der Natur sowie der Lebensräume von Tieren, Nachteile für den Tourismus und Lärmbelästigung. „Wir müssen ganz viele werden“, schwört Müller die Anwesenden ein.
Der große Ansturm blieb bei der zweiten Versammlung jedoch aus. Es sind weniger Leute da, als beim ersten Mal, sagt Mario Borchardt. Dennoch kochen die Gemüter schnell über. „Das ist alles nur wegen einer Ideologie, die besagt, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Das ist längst widerlegt. Aber die Medien berichten darüber nicht“, empört sich ein Mann mit lauter Stimme. Der 74-jährige Klaus Suchodoletz pflichtet ihm bei: „Der Klimawandel wird hochgespielt. Und Windräder bewirken wenig.“
Nächstes Treffen am 28. November
Aussagen, die von der Wissenschaft so nicht belegt sind. Zahlreiche Studien weltweit weisen den menschengemachten Klimawandel nach. Der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) legt dazu regelmäßig seine wissenschaftlich fundierten Berichte vor. Ein Windrad alleine erzeugt natürlich weniger Strom als beispielsweise ein Kohlekraftwerk, dennoch kann ein modernes Windrad mit durchschnittlich 15 Millionen Kilowattstunden Ertrag pro Jahr etwa 4000 Haushalte mit grünem Strom versorgen.
Klaus Suchodoletz und die anderen Windkraftgegner müssen nun erst einmal abwarten. Abwarten, ob das Planungsverfahren für die Windräder überhaupt beginnt. Abwarten, ob die Gemeindevertreter Geld für Anwaltskosten lockermachen. Das nächste Treffen steht aber schon fest. Am 28. November wollen sie sich wieder in Rowa zusammenfinden. Einen Tag, nachdem entschieden wurde, welche Gebiete des Stargarder Landes für Windräder infrage kommen.
Zum Windkraftausbau verpflichtet
Das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) des Bundes schreibt vor, dass Mecklenburg-Vorpommern bis 2032 2,1 Prozent seiner Fläche für Windräder zur Verfügung stellt. Wo diese gebaut werden dürfen, entscheiden die Kommunen zusammen mit dem Land. Vor dem Baubeginn wird unter anderem geprüft, ob Anwohner durch Schall und Schattenwurf belästigt werden, zudem werden Naturschutzgutachten erstellt. Naturschutz- sowie Naherholungsgebiete sind tabu. Planungsprozess und Genehmigung dauern durchschnittlich vier bis fünf Jahre. In MV lief der Windkraftausbau zuletzt schleppend: 2022 wurden gerade mal sieben neue Windräder gebaut.