Zuwanderung
Erstmals fast jeder zehnte Neubrandenburger ohne deutschen Pass
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Mirko Hertrich
Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist der Ausländeranteil in Neubrandenburg noch einmal deutlich angestiegen. Wie der Neubrandenburger Integrationsbeauftragte Remo Bock jüngst in einem Ausschuss der Stadtvertretung mitteilte, liegt der Ausländeranteil in Neubrandenburg laut Melderegister inzwischen bei 9,6 Prozent.
Engpässe an allen Ecken und Enden
In den vergangenen Jahren ist der Anteil von Menschen in Neubrandenburg ohne deutschen Pass kontinuierlich angestiegen. Laut statistischem Jahrbuch der Stadt lag der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung 2002 bei 1,5 Prozent, zehn Jahre später waren es 2,9 Prozent. Ein deutlicher Anstieg wurde verzeichnet mit der Flüchtlingsbewegung von 2015/16. Im Jahr 2021 betrug der Ausländeranteil 6,4 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit hatte 2022 knapp ein Viertel der Bevölkerung eine Einwanderungsgeschichte.
Neubrandenburgs Integrationsbeauftragter Remo Bock sagte, der Zuzug aus der Ukraine gehe schneller vonstatten als die Anstiege von 2015 bis 2017. Dies stelle die Strukturen in der Stadt mit Schulen, Kitas und auch Ausländerbehörde vor „erhebliche Herausforderungen“, sodass es an „allen Ecken und Enden“ räumlich wie personell zu Engpässen komme. Das zeige sich an den Bearbeitungszeiten in der Ausländerbehörde, bei Sprach– und Integrationskursen seien die Wartelisten sehr lang, mit den räumlichen Kapazitäten an den Schulen gerate das Schulamt in Nöte, die Schüler unterzubringen.
„Kein Anlass zur Panik“
Der Integrationsbeauftragte hob aber deutlich hervor, dass Neubrandenburg bei der Betreuung von Flüchtlingen „spätestens seit 2015“ über ein sehr stabiles Netzwerk verfüge, „sodass wir den Mangel noch sehr gut verwalten können“. Es gebe „keinen Anlass zur Panik“.
Durch den starken Zuzug kommt es auch zu Engpässen auf dem Wohnungsmarkt. „Der günstige Wohnraum, der für die Geflüchteten in Betracht kommt, ist ziemlich abgegrast“, sagte Neubrandenburgs Vize–Oberbürgermeister Peter Modemann (CDU). Drei bis vier Prozent Leerstand seien das Minimum, was man brauche, um überhaupt umziehen zu können. „Das haben wir Land und Landkreis sehr deutlich kommuniziert.“
Wiedereröffnung in Fünfeichen wird geprüft
Laut dem Integrationsbeauftragten hat der Landkreis, der für die Unterbringung und Versorgung während des Asylverfahrens zuständig ist, eine Erweiterung der Kapazitäten auf der Agenda. Hier werde in erster Linie geschaut, wo die Infrastruktur gut ausgebaut und etwa Schulen und Kitas vorhanden seien. Entsprechend komme es in den Oberzentren zuerst zu Engpässen. „Daher schaut der Landkreis auch weiter in der Peripherie.“
Zu den möglichen Plänen des Landes für eine Wiedereröffnung der Flüchtlingsunterkunft in Fünfeichen sagte Peter Modemann, der Stadt sei bekannt, dass MV versuche, auch diese Aufgabe in den Städten unterzubringen. Unter anderem werde dies in Kombination mit der Gemeinschaftsunterkunft in Fünfeichen geprüft. „Das war am Anfang die Idee, bisher können wir dazu nichts weiter sagen.“
Auf die Frage nach der Stimmung in der Gesellschaft antwortete Remo Bock, die Entwicklung werde teilweise mit Wohlwollen betrachtet, auf der anderen Seite gebe es Vorbehalte. Die Stadt habe es mit von höchst traumatisierten bis hin zu sehr gut integrierten Menschen zu tun. Mit Blick auf die Ukraine sagte der Integrationsbeauftragte, viele hegten den Wunsch, „möglichst schnell zurückzukehren, während sich andere recht gut mit dem Gedanken arrangieren können, länger in Deutschland zu bleiben.“