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Gesellschaft

Expertin aus der Seenplatte zeigt, was gegen Einsamkeit hilft

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Wer ist einsamer, Mann oder Frau? Gibt es gute und schlechte Einsamkeit? Was kann ich dagegen tun? Diese und andere Fragen besprach unser Reporter mit Prof. Dr. Claudia Vogel.
Veröffentlicht:24.09.2023, 12:09

Von:
  • Matthias Lanin
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Sie sprechen über das Thema „Einsamkeit und Gesundheit“. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Einsamkeit wird in Deutschland nicht als Krankheit angesehen, kann aber psychische und körperliche Folgeerscheinungen haben. Diese reichen von depressiven Symptomen über Angststörungen bis hin zu Bluthochdruck.

Was ist Einsamkeit?

Einsamkeit und Alleinsein werden oft fälschlicherweise gleichgesetzt. Dabei kann man auch allein und völlig zufrieden mit sich sein. Wer ohne andere Menschen ist, hat allerdings ein größeres Risiko, einsam zu sein. Einsamkeit definiere ich als den Zustand, wenn ich weniger und auch weniger intensive soziale Kontakte habe, als ich mir wünsche. Das verursacht Traurigkeit und ein schmerzhaftes Gefühl von innerer Leere.

Es ist also nicht nur die Frage, wie viele Menschen da sind?

Das spielt eine Rolle. Man kann die Leere aber auch zwischen hunderten Menschen empfinden. Es kommt genauso auf die Qualität der Kontakte an. Ist genug Vertrauen, Nähe, Offenheit vorhanden, dann braucht es keine großen Gruppen.

Ist es eine Frage des Alters?

Nein. Zwar haben ältere Menschen ein größeres Risiko. Ich bringe immer das Beispiel, die Menschen heiraten mit dem schönen Versprechen: Bis dass der Tod uns scheidet. Das bedeutet auch, irgendwann endet jede Ehe mit dem Tod eines Ehepartners. Nahe Angehörige versterben, Freunde versterben und deswegen steigt im Alter die Isolation. Es gibt weniger Menschen, die man um sich herum in seinem Netzwerk hat. Einsamkeit ist aber kein spezifisches Altersphänomen. Es gibt ältere Menschen, die trotz der Verluste wegen ihrer Lebenserfahrungen sehr gut klarkommen. Im mittleren Lebensalter zwischen 40 bis 60 Jahren leiden genauso viele Menschen wie bei den über 60-Jährigen.

Ist es eine Frage des Geschlechts?

Statistisch schon. Dadurch dass Frauen eine höhere Lebenserwartung als Männer haben, sind sie im hohen Alter öfter allein und damit möglicherweise auch von Einsamkeit bedroht. Sie pflegen am Ende der Ehe ihre kranken Männer und gehen nach deren Tod ins Heim. Im Gegensatz dazu sind die Männer im mittleren Alter öfter einsam, weil Frauen es besser verstehen, soziale Kontakte zu pflegen. Als Beispiel: Wer kennt in einer Familie denn die Geburtstage aller Freunde, Bekannten und Arbeitskollegen, die Mutter oder der Vater?

Veranstaltungsplan

Aktionswoche

In der Zeit vom 25. September bis 6. Oktober findet in der Mecklenburgischen Seenplatte die „Woche der Seelischen Gesundheit“ statt. Unter dem bundesweiten Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“ widmet der Landkreis sich in diesem Jahr dem Thema „Ängste in Krisenzeiten ‐ Verstehen und Bewältigen“. Im ganzen Landkreis beteiligen sich etliche Kooperationspartner an der Aktionswoche des Landkreises: Von den Kliniken, über die Beratungsstellen der Caritas und des DRK, bis zu lokal engagierten Vereinen.

Hier finden Sie alle Termine im Überblick.

Es gibt die typische Angst, dass die Rente zu Einsamkeit führt. Ist diese Angst begründet?

Der Wegfall der Erwerbsarbeit führt auf jeden Fall zu einem Wegfall der guten, gelebten Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen. Und wenn man möchte, dass diese Beziehungen aufrechterhalten werden, muss man sich privat weiter darum kümmern. Diese Beziehungspflege ist jetzt eine neue Aufgabe. Ich empfehle, zu überlegen, was denn andere soziale Beziehungen sind, die einem wichtig sind. Ehrenamtliche Arbeit kann diese Verluste kompensieren. Rente bedeutet ja nicht, dass ich in meinem Sport- oder Kulturverein aufhören muss. Ich kann Feste organisieren, am dörflichen Leben teilnehmen oder mich für Jugendliche engagieren.

Ist das ein Mittel gegen Einsamkeit?

Eines der besten. Wer gern mehr Kontakte möchte und sich dann anstrengt, um die zu bekommen, kann schnell etwas gegen dieses Leid machen. Aber wer über Jahre einsam ist, braucht meistens Hilfe von außen. Wenn die Leere groß ist, sollte man sich beraten lassen oder sogar zu einem Psychotherapeuten gehen. Nochmal zu ihrer Altersfrage: Wir haben Zahlen, die belegen, dass die meisten Menschen, die im Alter an Vereinsamung leiden, bereits in mittleren Jahren daran litten.

Dann ist Prävention möglich?

Davon bin ich überzeugt. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Netzwerk 60plus“, das es in Neubrandenburg seit diesem Frühling gibt. Es gehört zum Bundesprogramm "Stärkung der Teilhabe älterer Menschen" und wird durch die Europäische Union gefördert. Hier können sich zum Beispiel Arbeitnehmer hinwenden, die solche Ängste vor der Rentenzeit haben, die Sie erwähnten. Ich finde die Initiative wunderbar und hoffe, dass sich keiner scheut, die Angebote zu nutzen.