Arbeitsmarkt Seenplatte
Fehlende Industrie zahlt sich während Corona-Krise aus
Seenplatte / Lesedauer: 3 min

Susanne Böhm
Woran der Arbeitsmarkt in der Mecklenburgischen Seenplatte sonst krankt, erweist sich in der Corona-Krise als Vorteil: fehlende Industrie. Anders als in anderen Teilen Deutschlands gibt es im Süden Mecklenburg-Vorpommerns wenig große Unternehmen. Massenentlassungen blieben deswegen trotz des Lockdowns aus. Das Ergebnis: Die Arbeitslosenquote ist mit neun Prozent vergleichsweise stabil und sogar schon wieder rückläufig.
„Die Entlassungszahlen liegen deutlich unter denen des Vorjahresmonats. In anderen Regionen sieht es schlimmer aus“, sagte Arbeitsagentur-Chef Thomas Besse am Dienstag. 11.748 Menschen waren im August in der Seenplatte arbeitslos gemeldet. Das sind 959 mehr als im August 2019, aber 176 weniger als im Juli 2020. „Die direkten Auswirkungen der Corona-Pandemie, wie wir sie April bis Mai mit voller Härte erlebt haben, lassen nach.“
Ausnahme Neubrandenburg wegen Webasto und Klinikum
Eine Ausnahme bildet allerdings Neubrandenburg. Weil dort mit Webasto und dem Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum die größten Arbeitgeber ansässig sind und es dort generell viel verarbeitendes Gewerbe gibt, schlugen die vorübergehende Stilllegung einiger Branchen und vorübergehend geschlossene Grenzen hier richtig ins Kontor. Außerdem, so erklärt Thomas Besse, seien in den vergangenen Jahren viele gering qualifizierte Menschen aus dem Umland in die Kreisstadt gezogen. Diese seien meistens die Ersten, die entlassen werden.
Hinzu kämen viele junge Leute in der Stadt. Die Jugendarbeitslosigkeit steige ohnehin jedes Jahr nach dem Ende der Ausbildungszeit und in den Ferien. Zwölf Prozent der Neubrandenburger waren im August arbeitslos. „Damit hat Demmin die rote Laterne abgegeben. Dort liegt die Quote bei 11,7 Prozent.“ Die Tourismus-Hochburgen an der Müritz seien am wenigsten von Arbeitslosigkeit betroffen. Spitzenreiter sei die Stadt Röbel mit fünf Prozent.
27.450 Menschen in Kurzarbeit
Ohne Corona hätte die Seenplatte in diesem Jahr die Sieben-Prozent-Marke geknackt, schätzt Thomas Besse. Das werde nun wohl frühestens in zwei Jahren gelingen. „Wir beobachten eine große Bereitschaft, neue offene Stellen zu melden und Personal einzustellen, wenngleich die Nachfrage nach Arbeitskräften im Vergleich zum Vorjahr sank.“ 2574 offene Stellen gebe es aktuell in der Seenplatte, gleichzeitig gebe es Engpässe auf dem Fachkräftemarkt.
„Ob sie eine Fachkraft aufgrund einer Nachfrageschwäche entlassen wollen, überlegen sich viele Betriebe lieber zwei Mal. Schließlich haben sie in den Jahren zuvor die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist, Mitarbeiter zu finden“, weiß Thomas Besse. Viele Unternehmen sehen sich daher nach Alternativen um. „Aktuell erkundigen sich viele nach Kurzarbeit. Das ist ein bewährtes Mittel, Entlassungen zu vermeiden.“ Bis Mitte August sei für 27.450 Menschen im Landkreis Kurzarbeit angemeldet worden. „Die Unternehmer bekommen Angst und beantragen vorsorglich Kurzarbeit.“ Erfahrungsgemäß würden aber nur rund 50 Prozent der Antragsteller tatsächlich Kurzarbeit in Anspruch nehmen.
Nach derzeitigem Kenntnisstand würden sich fast alle Unternehmen irgendwie über Wasser halten. „Es gibt überhaupt keine Auffälligkeiten. Nur das Hotel am Ring in Neubrandenburg ist seit gestern geschlossen, aber das hat nichts mit Corona zu tun.“ Ob und wie sich die Betriebe durch die Krise retten, werde sich aber erst im kommenden Jahr zeigen. Dann werde man sehen, ob die für den Winter gesammelten Vorräte trotz Umsatzeinbruch im Frühjahr groß genug waren.