Kleinstadt mit Weltruhm
Geschichte Burg Stargards reicht bis auf den Mond
Burg Stargard / Lesedauer: 5 min

Paulina Jasmer
Da mussten erst die Chinesen anrufen, damit des Rätsels Lösung ans Tageslicht kommen konnte. Dass Burg Stargard einen so berühmten Sohn hat, das hat selbst Museumsleiter Frank Saß nicht für möglich gehalten. Und dabei kennt sich der Mann aus.
Seit mehreren Jahren wartete die Geschichte um Carl Rümker darauf, erzählt zu werden. Denn dass etwas mit diesem Mann los sein muss, ist Frank Saß und vor allem der Burg Stargarderin Gerda Boldt, die sich mit der Heimatgeschichte des Städtchens beschäftigt, schon vor rund zehn Jahren aufgefallen. Doch von vorn.
Als Erwachsener nach Australien ausgewandert
Vor rund einem Jahrzehnt hatte sich laut Frank Saß eine Australierin beim Neubrandenburger Museum gemeldet. Sie hatte eine Schiffsreise unternommen, war an der Ostseeküste an Land gegangen, um dann weiter nach Berlin zu fahren. Auf der Reise durch Neubrandenburg sei ihr an einem Schild das Wort „Stargard“ aufgefallen. „Sie berichtete von einem Ort in Australien in der Nähe von Sydney, der Stargard heißt“, erzählt Frank Saß.
Die Recherche startete. Es stellte sich heraus, dass ein Carl Rümker einst dort gelebt hatte. Er war 1788 in Burg Stargard geboren und hatte dort seine ersten Kindheitsjahre verlebt, bis seine Familie nach Neubrandenburg gezogen ist. Später, als Erwachsener, war er nach Australien gekommen und hatte seine Farm „Stargard“ genannt. So weit, so gut, das ist aber längst nicht das Ende.
Carl Rümker war Sohn eines Richters. Er besuchte später das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster und wurde 1807 Bauingenieur. Allerdings drohten Napoleons Truppen in Berlin einzumarschieren und „Carl war ein Napoleon-Hasser“, hat Frank Saß herausgefunden. Daher floh Rümker nach Hamburg. Dorthin zog es aber 1809 auch die Franzosen. Rümker hat sich daraufhin nach England abgesetzt.
Dort wollte er sich der britischen Armee anschließen, um gegen Napoleon zu kämpfen. „Doch er war nicht besonders groß und auch nicht besonders kräftig. Er wurde abgelehnt“, erklärt Stargards Museumsleiter. Rümker habe sich daraufhin entschieden, zur See zu fahren. Dort begann er sich für die Nautik zu interessieren und avancierte in diesem Bereich zu einem gefragten Mann, der später gar Steuermänner ausbilden sollte, nach den Sternen navigieren zu können.
1813 ist Rümker dann während eines Landgangs in England von einem sogenannten Heuerkommando gekidnappt worden – und wurde so letztlich doch Teil der britischen Armee. Er war auf drei Schlachtschiffen – mit 74 Kanonen – tätig. Aufgrund seiner hervorragenden Kenntnisse über Sternenbilder ereilte ihn 1819 ein Ruf nach Hamburg. Dort wurde er stellvertretender Direktor der Navigationshochschule. Letztlich begab Rümker sich allerdings nach Australien, wo er mithalf, eine Sternwarte aufzubauen. „Außerdem galten die Sterne der Südhalbkugel als noch nicht ausreichend erforscht“, spricht Frank Saß von einer Herausforderung für Rümker.
Nach ihm ist ein Berg auf dem Mond benannt
Während dieser Zeit entwickelte der gebürtige Burg Stargarder einen Ehrgeiz in Hinsicht
auf den Enckischen Kometen, dessen Bahn und Wiederentdeckung er berechnet hat. Allerdings war damals laut Frank Saß ein Streit darüber entbrannt, ob Rümker oder dessen Kollege, der die Messinstrumente zur Verfügung gestellt hatte, den Ruhm einstreichen durfte. Im Zwist gingen die Herren auseinander und Rümker zog aufs Land – auf seine Farm „Stargard“. 1830 war er wieder nach Hamburg zurückgekehrt und wurde Direktor der Sternwarte und nautischen Schule und kartierte unter anderem bis zu seinem Tod 1862
12 000 Fixsterne. Er erlag einem Lungenleiden.
Damit waren die Nachforschungen zu Carl Rümker zunächst erschöpft – bis vor wenigen Wochen, als sich die Organisatoren der „Tage der Raumfahrt“, die Mitte November zum 33. Mal stattfinden, an Frank Saß wandten. Das Anliegen: Die Chinesen erkundigten sich nach Carl Rümker und wollten wissen, was es mit ihm auf sich hat. Denn nach ihm ist ein Berg auf dem Mond benannt worden, zu dem die Chinesen bald mit einer Rakete fliegen wollen! Es stellte sich durch diesen Anruf und weiteren Nachforschungen heraus, dass die Internationale Astronomische Union im Jahre 1935 in Paris einem Berg auf dem Mond, mit einer Höhe von 1100 Meter, Rümkers Namen verliehen hat. Auch die Hamburger haben Carl Rümker nicht vergessen. Sie würdigten ihn mit einem Relief von seinem Konterfei am Hamburger Rathaus, zwischen Johann Franz Encke und Heinrich Hertz.
Eine Stele soll an den Sohn der Stadt erinnern
Von diesen Ehrungen hat die Stadt Burg Stargard bisher wenig gewusst. Dafür jetzt umso mehr, wie Frank Saß zu berichten weiß. Vor allem, weil sich für den 17. November zum Auftakt der Raumfahrttage in Neubrandenburg hoher Besuch in der Kleinstadt angekündigt hat: Eine Delegation der chinesischen Botschaft soll kommen, womöglich auch Taikonauten, wie die Raumfahrer Chinas genannt werden. Als sicher gilt der Besuch von Prof. Dr. Dieter B. Herrmann, einstiger Leiter der Berliner Sternwarte und aus dem DDR-Fernsehen bekannt. Er wird einen Vortrag zum Thema Rümker und „Mythos Mond“ halten. Zuvor wird laut Frank Saß eine Stele zu Ehren Rümkers am Ziegenmarkt eingeweiht werden – die erste Stele, die Burg Stargard einer seiner mehr als 20 Persönlichkeiten widmen will.