Ehrenamt
Luis und seine Mutter sorgen für große Geschichten bei kleinen Patienten
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Matthias Lanin
Mit einer alten Kunst hilft eine Neubrandenburger Familie kranken Kindern. Anja Lütcke und ihr Sohn Luis lesen den jüngsten Patienten des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums jeden zweiten Sonnabend Geschichten vor: ein wenig Trost in schmerzvoller Zeit, ein wenig liebevolle Ablenkung zwischen Diagnosen, Therapien und den üblichen Abläufen des Krankenhaus–Alltags.
In anderen Welten schwelgen
„Geschichten erzählt zu bekommen, ist ein menschliches Bedürfnis“, sagte Schauspieler Alan Rickman, der als vermeintlicher Bösewicht der Harry-Potter-Filme bekannt ist. Die in Neubrandenburg geborene und aufgewachsene Anja Lütcke kann dem verstorbenen Schauspieler hundertfach zustimmen. Denn sie erlebt an Samstagen oft, wie Kinder durch ihre „Vorlesungen“ in anderen Welten schwelgen.
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Durch einen Aufruf im Nordkurier kam die Neubrandenburgerin im Winter 2017 auf die Idee mit dem ehrenamtlichen Lesen. Bürgermeister Silvio Witt und die Stadtverwaltung hatten damals nach Vorlesepaten für die Regionalbibliothek gesucht. Gemeinsam mit ihrem Zweitklässler Luis hatte Anja Lütcke sich aus Neugier gemeldet, eine Schulung durch die Bibliotheksmitarbeiter bekommen und anschließend begonnen, dort regelmäßig an Samstagen für Kinder zu lesen. „Diese ersten Sonnabende im Monat haben uns dann schnell nicht mehr gereicht. Sodass wir nach einer weiteren Gelegenheit suchten, bei der wir anderen Menschen mit dem Lesen Freude bereiten“, erinnert sich Lütcke, die bei der Arbeitsagentur in der Kreisstadt arbeitet.
Harry Potter, Gregs Tagebücher, Drache Kokosnuss
Seit dem Frühjahr 2019 liest sie daher im Klinikum auf der Kinderstation. Während der Corona–Zeit durfte ihr Sohn Luis wegen des Infektionsrisikos nicht mit ins Klinikum, hat sich aber vor einem Jahr diesem mütterlichen Ehrenamt auch angeschlossen.

Wenn Luis und Anja Lütcke alle 14 Tage auf die Kinderstationen gehen, haben sie einen großen Beutel mit Büchern dabei. „Das erste Kapitel von Harry Potter kann ich schon lange auswendig“, sagt sie lachend. Je nach Alter und Interesse der Kinder bringen die Vorleser den kleinen Maulwurf, den Drachen Kokosnuss oder Gregs Tagebücher mit. „Manche Kinder können mit dem Lesen auch nichts anfangen und wollen das nicht“, berichtet Luis, der die neunte Klasse des Albert–Einstein–Gymnasiums besucht. Andere würden es sich mit den Geschichten aber gemütlich machen und zwei Stunden lang angespannt lauschen.
Luis Lütcke, ehrenamtlicher VorleserDas ist ein unglaublich schönes Gefühl.
Während die Mutter den kleinen Patienten ihre Freizeit schenkt, lässt sich Luis eine geringe Aufwandsentschädigung durch die Krankenhaus–Seelsorge auszahlen. „Was wir den Kindern geben, ist Zuwendung und Zeitvertreib“, fasst Anja Lütcke zusammen. Die große Freude, die sie damit auf der Station bei den Kleinsten auslösen, sei so stark und offensichtlich. „Das ist ein unglaublich schönes Gefühl“, fasst Luis Lütcke zusammen.
Informationen unter dbknb.de/khs