Corona an Schulen

Heftige Kritik an Maskenpflicht im Unterricht

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

An vielen Schulen in der Seenplatte gelten inzwischen verschärfte Corona-Maßnahmen. Der Chef der Neubrandenburger Kinderklinik hält die Entscheidung für nicht nachvollziehbar.
Veröffentlicht:03.12.2020, 05:57

Von:
  • Simon Voigt
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Der Chefarzt der Neubrandenburger Kinderklinik hält die verschärften Corona-Maßnahmen an Schulen im Kreis Mecklenburgische Seenplatte für unnötig. „Die Entscheidung des Landkreises, nun auch Kinder jenseits des Grundschulalters Masken im Unterricht tragen zu lassen und eine defacto Teilschulschließung der weiterführenden Schulen mit einem Wechselmodell sind in keiner Weise nachvollziehbar”, schreibt Dr. Sven Armbrust, Chefarzt der Kinderklinik am Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg, in einer Stellungnahme für den Nordkurier. Der Medizinier hatte sich bereits im August - kurz nach dem Start des neuen Schuljahres - skeptisch über einige Schutzmaßnahmen geäußert.

Lesen Sie hier: Den gesamten Gastbeitrag von Dr. Sven Armbrust im Wortlaut

Maskenpflicht im Unterricht

Laut Armbrust widerspreche es dem aktuellen Stand der Wissenschaft, zu suggerieren, dass die Schulen schuld an den aktuell hohen Inzidenzwerten im Landkreis seien. Der Inzidenzwert für die Seenplatte lag am Mittwoch bei 72,5. Der Wert gibt an, wie viele Menschen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner positiv auf das Coronavirus getestet worden sind. In einzelnen Ämtern wie Friedland hatte dieser Wert rechnerisch allerdings schon bei 595 gelegen.

Als Reaktion hatte der Landkreis am Mittwoch unter anderem verfügt, dass Schüler in weiten Teilen der Seenplatte eine Maske im Unterricht tragen müssen. Landrat Heiko Kärger (CDU) hatte diese Maßnahme für die Amtsbereiche Woldegk, Friedland, Stargarder Land und Seenlandschaft Waren angeordnet. „Es ist bisher leider nicht gelungen, die Ausbreitung des Virus im Nordosten unseres Landkreises zu bremsen“, begründete Kärger diese und weitere Maßnahmen am Montag.

Kaum Infektionen bei Kindern

Bis zu den Weihnachtsferien gilt in den betroffenen Schulen nun Wechselunterricht. Pro Woche dürfen nur noch die Hälfte der Schüler und Lehrer zum Unterricht kommen. Alle anderen erhalten Distanzunterricht. Darüber hinaus fällt in allen Berufsschulen des Landkreises zwischen dem 3. Dezember und 8. Januar der Präsenzunterricht ganz aus.

Keine hohe Dunkelziffer

„Kinder sind weder Treiber noch ein relevantes Problem in der Pandemie”, sagt Chefarzt Armbrust. Die Inzidenz bei Kindern unter 14 Jahren in gesamt MV liege seit Beginn der Pandemie bei gerade mal 0,25 Prozent. Dass sich dahinter hohe Dunkelziffern verbergen, sei – durch deutschlandweite Studien – weitgehend ausgeschlossen.

Studien der letzten Monate aus besonders betroffenen Regionen auf der ganzen Welt hätten gezeigt, dass Kindergärten und Schulen nicht zu einer relevanten Ausbreitung des Virus beigetragen hätten. Corona müsse vielmehr als eine „Alterspandemie“ verstanden werden, weil die Todesrate unter den Erkrankten erst ab einem Alter über 65 drastisch ansteige.

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Unwirksame Maßnahmen endlich unterlassen

Armbrust zieht für seine Analyse auch Aussagen zweier Berufsverbände heran, der Süddeutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin und des Verbandes Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands. So würden diese schlussfolgern: „Die öffentliche Diskussion und Darstellung (…) untergräbt das Engagement von Lehrenden, Schülerinnen und Schülern und Eltern, die sich tagtäglich mit Erfolg für einen Schulbetrieb und damit für die Bildung und Zukunft unserer Zivilgesellschaft einsetzen.” Dies führe nur zu Unsicherheiten und lenke von einer gezielten Lösungsfindung ab.

Laut Armbrust müsste eine pragmatischerer Umgang mit dem Virus gefunden werden. Maßnahmen, die sich als wenig wirksam herausgestellt haben, sollten unterlassen werden. Und dies gelte auch für die Maskenpflicht im Unterricht, abgesperrte Schulhöfe, Teilschulschließungen oder „unsinnige Lüftungsorgien mit frierenden Kindern”.

„Schulen sind ein in vieler Hinsicht geschützter Raum für die Kinder”, betont Armbrust. „Wir sollten sie in Ruhe und ungestört ihre Arbeit machen lassen und nur dann aktiv werden, wenn sich echte Cluster herausbilden.”