Anlaufstelle
Hier gibt es Hilfe für Kinder von psychisch kranken Eltern
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Matthias Lanin
Manchmal hat Mama Feuer im Kopf. Was geht in Kindern vor, die von der Schule nach Hause kommen und nicht wissen, ob es ihre Mutter heute aus dem Bett geschafft hat. Vielleicht ist sie depressiv. Vielleicht hört sie wieder Stimmen, die es nicht gibt. Etwa 30 Prozent aller Kinder wachsen in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Elternteil auf, der psychisch erkrankt oder suchtkrank ist.
Anlaufstellen im Nordosten
Das Landessozialministerium hat deshalb jetzt ein Projekt ins Leben gerufen, um diese Kinder besser zu unterstützen. Für das Projekt „KipsFam“ (kurz für: Kinder und Jugendliche aus psychisch oder suchtbelasteten Familien) werden bis 2027 rund fünf Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds zur Verfügung gestellt.
Nach einer Landesfachstelle sind nun Regionalstellen in den Landkreisen eingerichtet. Die Träger, welche bei der Ausschreibung das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lagus) im Sommer überzeugten, haben im Nordosten Anlaufstellen eingerichtet und in diesen Tagen mit der Arbeit begonnen. „Es sind 20 Wochenstunden plus Sachkosten pro Landkreis gefördert“, informiert Frank Brehe, Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in der Mecklenburgischen Seenplatte.

Der erfahrene Sozialarbeiter macht zugleich auf ein Novum bei diesem Projekt aufmerksam. Weil die Seenplatte der größte Landkreis der Republik ist, haben sich drei Träger zu einem Verbund „KipsFam Regio MSE" vereint, um den betroffenen Kindern der Region zu helfen. Neben dem ASB sitzt auch das Sozialwerk der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Malchin-Teterow und das Neubrandenburger Suchthilfezentrum mit im Boot, das vielleicht ein Rettungsboot für die Kinder psychisch oder suchtkranker Eltern werden kann.
Hotline-Nummern für Jugendliche, Kinder und Eltern
Malchin 03994‐632584
Woldegk 0173‐4074359
Neubrandenburg 0176‐7061208
Greifswald 0176‐31708019 oder 0176‐31708313
Keine Wartelisten, anonyme Beratung
In der Mecklenburgischen Seeplatte gibt es drei Unterstützungsstellen, die zu unterschiedlichen Zeiten geöffnet haben. Hier beraten Sozialarbeiter Hilfesuchende. Es gibt keine Wartelisten, erklärt Brehe, dem bei der Hilfe der Kinder wichtig ist, so wenig Hürden wie möglich zu bauen. „Das heißt, die Beratung ist anonym. Wir haben unsere Erfahrungen aus einer bereits bestehenden Gruppe solcher Jugendlichen einfließen lassen“, sagt der Sozialarbeiter.

Die Träger wüssten bereits, dass die Kinder psychisch kranker und suchtkranker Eltern oftmals Schamgefühle haben. Sie verbergen das heimische Leid und den Zustand der Eltern vor den Freunden, vor den Mitschülern, vor der Außenwelt, sagt Frank Brehe. Seine Greifswalder Kollegin Kathrin Seemann stimmt zu und ergänzt, dass diese Symptome oftmals zu einer Isolation der Kinder führen. Die Vorsitzende des Fördervereins für Suchtkrankenhilfe hat im Landkreis Vorpommern-Greifswald die Anlaufstelle für betroffene Kinder und Jugendliche eingerichtet.
Betroffene Kinder drohen, später selbst zu erkranken
„Es ist deshalb enorm wichtig, dass diese Kinder und das Thema Aufmerksamkeit bekommen“, sagt Seemann. Und Aufklärung, fügt sie hinzu. Sie würde sich in Schulen und Kindergärten mehr Raum für das Thema psychische Krankheiten in der Familie wünschen. Die Sozialarbeiter in Vorpommern wollen deshalb auch an die Bildungseinrichtungen gehen und dort zum Beispiel für geeignete Bücher werben. Es gebe wundervolle Lektüre und Bilderbücher, die den Kindern die eigene Welt mitsamt den Problemen erklären können. „Denn meistens geben sich die Betroffenen selbst die Schuld an den häuslichen Zuständen, weil sie die Krankheit der Eltern nicht verstehen“, sagt Seemann.
Dass Kinder von seelisch kranken Eltern oftmals zu viel Verantwortung übernehmen, findet auch Sozialministerin Stefanie Drese (SPD). "Dadurch laufen sie Gefahr, im späteren Leben selbst zu erkranken. Deshalb benötigen diese Kinder und Jugendlichen dringend Hilfe und Aufmerksamkeit“, sagte sie beim ersten Netzwerktreffen der Landesfachstelle „KipsFam“.