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DDR-Kunst

Hitzige Diskussion um Marx im Neubrandenburger Rathaus

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Das riesige Marx-Wandbild im Rathaus soll freigelegt und restauriert werden – allerdings mit einer Einschränkung. Vor der Entscheidung dazu kochten noch einmal die Gemüter über.
Veröffentlicht:03.02.2023, 19:54

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Am Ende hat Dora die Nase vor Anton. Denn als alle 38 anwesenden Stadtvertreter am Donnerstagabend namentlich aufgerufen wurden, antworteten 23 von Ihnen mit „D wie Dora“ und nur 15 plädierten für „A wie Anton“. Zum Schluss einer knapp vierstündigen Stadtvertretersitzung beschlossen die Ratsmitglieder die Freilegung und Restaurierung eines XXL-Wandbilds aus der DDR-Zeit. Es soll allerdings hinter einer Glasscheibe verborgen werden, die bei Bedarf verdunkelt oder beleuchtet werden kann, um es sichtbar zu machen.

Marx und Lenin nach der Wende übertapeziert

Das Fresko mit dem Titel „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“ des Künstlers Wolfram Schubert war rund 30 Jahre verdeckt. Nach der friedlichen Revolution fanden die Zeitgenossen die 30 Quadratmeter große Arbeit, die unter anderem Karl Marx als Vordenker des Sozialismus und Wladimir Iljitsch Lenin als russischen Revolutionsführer zeigt, wohl unpassend für ein repräsentatives Gebäude in einer Demokratie und ließen es übertapezieren.

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Bei der Rathaussanierung tauchte das Bild dann wieder auf. Das Landesamt für Denkmalpflege hatte das zweiteilige Fresko Schuberts aus dem Jahr 1969, als in dem Gebäude noch die SED-Machthaber saßen, als Denkmal anerkannt. Deshalb entbrannte in der Kommunalpolitik eine leidenschaftliche Diskussion, wie man in der Stadt mit solcher Kunst umgehen möchte. Schließlich standen gleich fünf Vorschläge zur Auswahl, wie das Bild künftig präsentiert werden solle.

„Ein Rathaus ist kein Museum”

Von einer vollständigen Freilegung ohne Einschränkungen bis zu einer nur teilweisen Freilegung oder der Möglichkeit, ein Rollo vor dem Bild zu montieren, war alles dabei. Die Fraktion der Grünen machte sich in einem Änderungsantrag vor allem dafür stark, nicht nur das Bild an sich sichtbar zu machen, sondern auch die Verdeckungen nach der friedlichen Revolution mit in der Restaurierung zu berücksichtigen. Doch sowohl dieser als auch ein Änderungsantrag der Fraktion Bürger für Neubrandenburg (BfN) wurden abgelehnt.

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„Ein Rathaus ist kein Museum, wo Menschen hinkommen und sich mit Kunst auseinandersetzen“, erklärte Diana Kuhk von der BfN-Fraktion und warb für eine Teilverdeckung des Kunstwerks, „deshalb müssen wir die Bürger ein wenig vor der Ideologie schützen.“ Die Meinungen zu dem Thema gingen weit auseinander. Ratsherr Ingo Gille (SPD) führte an, dass er nicht verstehe, warum bei diesem Bild so ein Aufstand betrieben werde. Schließlich gebe es im gesamten Stadtbild ähnliche Kunstwerke mit sozialistischem Hintergrund, die nicht verdeckt werden. „Wie können wir das eine verdecken wollen, das andere aber nicht“, fragte er und sprach sich, wie die meisten seiner und der Linksfraktion für eine vollständige Freilegung aus.

Spender sollen Restaurierung finanzieren

An einem Punkt in der Diskussion kochten die Gemüter auch schon mal über. Plötzlich ging es für einen Stadtvertreter auch darum, ob nun westdeutsche Zugezogene oder alteingesessene Neubrandenburger, welche das Schubert-Fresko noch aus Kindheitstagen kennen, entscheiden sollten. Und ob jüngere Stadtvertreter, die die DDR nie erlebt hätten, sich überhaupt eine fundierte Meinung dazu bilden könnten.

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Die Verfechter einer vollständigen Freilegung konnten sich mit ihren Argumenten am Ende nicht durchsetzen. Für die Restaurierung werden etwa 25.000 Euro veranschlagt, die über Spenden finanziert werden sollen. Die neue Glas-Licht-Konstruktion werde 32.000 Euro kosten, schätzt die Stadtverwaltung.