Richter begründet Urteil
▶ Leonie floh aus der Wohnung, dann schlug ihr Mörder zu
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Gerald Bahr
Das Landgericht Neubrandenburg um den Vorsitzenden Richter Jochen Unterlöhner zeigte sich bei der Urteils-Verkündung am Donnerstag überzeugt davon, dass Leonie an den „Folgen gezielter, massiver, stumpfer und mehrzeitiger Gewalteinwirkung” – vor allem am Kopf – starb.
„Es gab kaum eine Körperstelle, an der die Rechtsmedizinerin keine Verletzungen fand”, sagte Unterlöhner zur Urteilsbegründung in dem Mordprozess. Und man müsse beachten, dass Leonie allein in ihrem Zimmer starb.
40 Zeugen wurden im Laufe des Prozesses verhört, die Mutter der Sechsjährigen sogar mehrmals und immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dennoch: „Vieles konnten wir nicht aufklären”, so Unterlöhner. Doch was aufgeklärt werden konnte, reiche, um genug Licht ins Dunkel dieses Todesfalls zubringen. Der angeklagte Stiefvater David H. aus Torgelow wurde daher wegen Mordes durch Unterlassen und Misshandlungen zu lebenslanger Haft verurteilt.
Leonies leiblicher Vater war nach der Verkündung des Urteils sichtlich bewegt. Zwar sei er auf der einen Seite erleichtert, dennoch schmerze es ihn sehr, täglich die Verletzungen seines Sohnes zu sehen. Er danke seiner Familie und seinen Freunden, die ihn im Prozess unterstützt haben:
Niemand sah Leonie sterben
Und auch die Mutter von Leonie, Janine Z., könne hier ihre Hände nicht in Unschuld waschen. Auf sie komme noch ein Strafverfahren wegen Leonies Tod zu. Im Publikum wurde im Gerichtssaal ebenso wie bei der Urteilsverkündung laut gejubelt, als Richter Unterlöhner dies sagte.
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Niemand habe gesehen, wie Leonie gestorben ist oder ob das Mädchen tatsächlich die Treppe hinunter gestürzt war. Dies hatte ihr Stiefvater als Grund für ihre schweren Verletzungen angegeben. Doch bei seinen Aussagen dazu habe er sich allein bei diesem Punkt so sehr in Widersprüche verstrickt, dass das Gericht ihm einen Sturz nicht als Erklärung für Leonies Verletzungen glaubte. Zumal laut des Gutachtens einer Rechtsmedizinerin viele Verletzungen des Mädchens nur durch Schläge und Tritte verursacht worden sein können.
Gericht: Es gab keinen Treppensturz
War die Familie einkaufen an Leonies Todestag, dem 12. Januar vergangenen Jahres? War die Mutter einkaufen? Auch dazu habe sich David H. in Widersprüche verstrickt. Wer das Mädchen nach einem angeblichen Treppensturz in die Wohnung brachte, wie das Kind danach versorgt wurde – oder eben nicht -, sei ebenfalls widersprüchlich geschildert worden. Und dann die vielen Blutspritzer in der Wohnung der Familie, im Treppenhaus jedoch kein Tropfen? Es gab gar keinen Treppensturz, davon sei das Gericht überzeugt, sagte Richter Unterlöhner.
Video - Das sagte Gerichtssprecher Christian Weidlich nach er Urteils-Verkündung zu dem Prozess in Neubrandenburg:
Janine Z. wollte Leonies Stiefvater verlassen, so Unterlöhner weiter. Als die Mutter am 12. Januar zum Einkaufen losgegangen sei, wollte Leonie auch aufbrechen, womöglich aus Angst, mit dem laut Gericht gewalttätigen David H. allein zu sein. Das Mädchen zog sich an, verließ die Wohnung, wurde aber von David H. Wieder reingeholt.
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„Jetzt erfolgte eine Bestrafungsreaktion, das was Leonie auf sich zukommen sah”, sagte Unterlöhner über die extreme Gewalt, die der 28-Jährige dem kleinen Mädchen dann antat – und an deren Folgen die Sechsjährige später starb.
Mutter soll um Hilfe gefleht haben
Als Janine Z. an Leonies Todestag ihre Tochter beim Baden unbekleidet sah, flehte sie laut des Gerichts darum, dass David H. einen Arzt ruft – denn er hatte ihr Handy weggenommen. Dann habe er einen Notruf vorgespielt. Er tat so, als habe er Hilfe geholt, doch bei der Rettungsleitstelle ging kein Anruf ein. H. wollte so die Misshandlungen vertuschen „das ist ein Mordmerkmal”, erklärte Unterlöhner.
Erst zwei Stunden später, als Leonie „in der allerletzten Phase ihres Todeskampfes war”, habe ihr Stiefvater wirklich Hilfe gerufen und einen Notarzt alarmiert. Während des Telefonates mit der Rettungsleitstelle habe H. simuliert, dass das Mädchen bei Bewusstsein sei. Da war Leonie jedoch schon tot, so Unterlöhner. Die Rettungskräfte kämpften dennoch etwa 45 Minuten um das Leben des Mädchens, bis der Notarzt den Tod feststellte. „Damit haben wir den vollendeten Mord”, erklärte der Richter.
Dabei war H. „mit soviel krimineller Energie aktiv”, dass keinerlei stramildernde Umstände in Frage kommen, hieß es weiter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verfahrensbeteiligten haben jetzt noch eine Woche Zeit, um gegen das Urteil Revision einzulegen.