Mordprozess
Leonies Stiefvater will sein Schweigen im Advent brechen
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
Gleich zu Beginn, am 24. September, schlug Bernd Raitor einen Pflock ein. Der Anwalt des Mordangeklagten David H. verkündete, dass sein Mandant zunächst schweigen werde und sich erst Ende Oktober – nach der Vernehmung der leiblichen Mutter – vor dem Landgericht Neubrandenburg äußern werde.
Doch dieser Zeitplan ist längst hinfällig – die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Vernehmungen von Leonies Mutter Janine Z. haben sich als äußerst zeitintensiv erwiesen. Zweimal schon saß die 25-Jährige Richtern, Verteidigern und Staatsanwalt gegenüber – zwei weitere Termine sind für Ende November/Anfang Dezember angesetzt.
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Angeklagter will sich äußern
Augenzeugen berichten, dass die psychisch offenbar angeschlagene Mutter immer wieder Pausen benötige und die Vernehmungen insgesamt eher zäh verlaufen würden. Wenn die Aussagen von Janine Z. dann aber abgeschlossen sind, schlägt die Stunde des Mordangeklagten. Am 9. Dezember, einen Tag nach dem 2. Advent, wird David H. seine Sicht zum Tod des sechsjährigen Mädchens schildern.
Leonie war am 12. Januar 2019 tot in der Wohnung der Mutter und des Stiefvaters in Torgelow gefunden worden. Rechtsmediziner stellten bei dem Kind eine Vielzahl von Verletzungen fest, die auf schwere Misshandlungen hindeuteten. Dem Stiefvater wird deshalb Mord durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Laut Anklage hat der Mann das Mädchen so schwer misshandelt, dass es infolge der Verletzungen starb.
David H. hatte bei der polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach dem Tod des Mädchens aber von einem Treppensturz Leonies im Hausflur gesprochen.
Mitte Januar, etwa ein Jahr nach den tragischen Geschehnissen in Torgelow, könnte das Urteil in diesem Prozess fallen. Es könnte aber sein, dass der Fall damit juristisch noch nicht abgeschlossen ist – denn seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg gegen Leonies Mutter wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch gegen Janine Z. Anklage erhoben wird.
Polizei hat ihre Arbeit „selbstkritisch ausgewertet“
Unter Druck stand in den vergangenen Monaten auch die Polizei – die zwischenzeitliche Flucht des mutmaßlichen Kindermörders aus dem Polizeihauptrevier Pasewalk hatte scharfe Kritik ausgelöst. Mittlerweile hat die Polizei reagiert – zusätzliche bauliche Sicherheitsmaßnahmen und Nachschulungen beim Personal sollen helfen, ein solches Flucht-Desaster künftig zu verhindern.
Dass jetzt im Prozess Stück für Stück weitere Details der achttägigen Flucht ans Licht der Öffentlichkeit kommen, wirft weitere Fragen auf: Warum beispielsweise ging David H. der Polizei nicht bereits kurze Zeit nach der Flucht aus der Polizeidienststelle ins Netz, als er offenbar bei Geschwistern in der Umgebung Pasewalks Unterschlupf fand?
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Antwort aus dem zuständigen Polizeipräsidium Neubrandenburg: „Die damaligen Fahndungsmaßnahmen der Polizei wurden intensiv und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Kräften durchgeführt. Zu den konkreten Maßnahmen können wir uns, auch im Hinblick auf zukünftige Fälle, aus einsatztaktischen Gründen nicht äußern.“
Weiter heißt es von der Polizei: „Die Erkenntnisse, die uns jetzt vorliegen (beispielsweise Weg und Aufenthaltsort des Flüchtigen) wurden mit den durchgeführten Fahndungsmaßnahmen abgeglichen, ausgewertet und selbstkritisch betrachtet.“
Gutachter werden befragt
Im Prozess um den gewaltsamen Tod der sechsjährigen Leonie aus Torgelow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) sollen am Donnerstag erste Gutachter zu Wort kommen. Die beiden Experten sind für die toxikologischen Untersuchungen sowie für die DNA-Analysen zuständig. So wurden unter anderem Blutspuren in der Wohnung der Familie gefunden, die per DNA-Test überprüft wurden. Bisher war im Prozess nicht klar, von wem das Blut stammt.