Gerichtsbericht
Mutter sagt nicht gegen Freund aus – harte Kritik von Richterin
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Thomas Beigang
Die Vorsitzende Richterin Diana Lieschke hört das in „ihrem“ Saal des Neubrandenburger Landgerichts auch nicht jeden Tag, dass jemand sie einen „Engel“ nennt. Der Verteiler solchen Lobes, ein geladener Zeuge, fehlte zunächst unentschuldigt, musste von der Polizei zu Hause abgeholt und aus der Kleinstadt bei Neubrandenburg ins Landgericht gefahren werden.
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Betrunkener Zeuge braucht Polizei-Taxi
Ohne viel Federlesen nannte er gleich den Grund für sein „Schwänzen“. Er besitze, sagte der 60-Jährige, kein Geld mehr für die Fahrt mit dem Bus in die Kreisstadt. Punkt. Und überhaupt wisse er nun auch gar nicht, wie er die kilometerweite Strecke zurück bewältigen solle.
Die Richterin steht dem Mann bei, der an diesem Vormittag schon 1,13 Promille intus hatte. Die Rücktour könne auch wieder die Polizei übernehmen. Die zeigt sich alles andere als begeistert, die Beamten beißen aber in den sauren Apfel. Dafür nennt der Bargeldlose die Richterin einen Engel. Das einzige Mal, das am Donnerstag etwas geschmunzelt werden konnte.
26-Jähriger schlug Dreijährigen und 60-Jährigen
Denn auf der Anklagebank sitzt ein 26-Jähriger, dem die Staatsanwaltschaft Körperverletzung vorwirft, weil er seinen dreijährigen Sohn im vergangenen Sommer mit einem Holzbrett verprügelt haben soll. Mindestens zwei Schläge auf den Rücken und den Po versetzte der Mann dem Kind, weil es während eines alkoholgetriebenen Streits seiner Eltern laut weinte und sich nicht auf der Stelle beruhigen wollte.
Ein weiterer Anklagepunkt: Wenige Wochen zuvor versetzte der junge Mann, der immerhin schon ein Dutzend Vorstrafen mit sich herumschleppt, einem anderen einen heftigen Faustschlag ins Gesicht – jenem 60-Jährigen, der die Richterin so mag.
Ältere und neue Verletzungen
Eine Rechtsmedizinerin attestierte dem kleinen Jungen während einer Untersuchung 48 Stunden nach der Tat „Zeichen beträchtlicher und mehrfacher stumpfer Gewalteinwirkung“. Die Ärztin entdeckte mehrere ältere und frische Verletzungen und berichtete, das Kind sei in seiner Entwicklung zurückgeblieben.
Das Gericht verurteilte den Mann, der seit dem Sommer bereits in U-Haft sitzt, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. In ihrer Urteilsbegründung setzt die Vorsitzende Richterin dem angeklagten Vater heftig zu. Statt ein verängstigtes Kind tröstend in die Arme zu nehmen, was normale Eltern tun würden, habe er zugeschlagen. „Hätten Sie in Ihrer Wut doch besser die Schrankwand zerlegt“, sagte sie.
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Mutter will nicht gegen Freund aussagen
Und weiter: „Ich möchte lieber nicht wissen, was der Junge in seiner kurzen Lebenszeit schon alles erdulden musste“, verurteilt sie moralisch auch die Mutter des Kindes, die sich während der Verhandlung weigerte, gegen ihren Freund auszusagen. Zwingen dazu konnte sie niemand – beide gaben an, verlobt zu sein. Ein solches Eheversprechen gestattet ihr das Recht, nicht gegen den Verlobten aussagen zu müssen.
Die Mutter soll sich laut Polizei sich vor ihr Kind gestellt haben, als der Vater es misshandelte – daraufhin schlug er auch sie. Die Frau hatte dann die Polizei alarmiert.
Alle könnten nur froh sein, hieß es in der Urteilsbegründung, dass der kleine Junge sich nunmehr in der Obhut einer Pflegefamilie befindet.