Artenschutz

Nach dieser seltenen Pflanze haben Naturfreunde gesucht

Werder / Lesedauer: 4 min

Früher war die Mehlprimel in den Mooren Vorpommerns eine weit verbreitete Blume. Doch die Zeiten haben sich geändert – deshalb wurde nun bei Siedenbollentin durchgezählt.
Veröffentlicht:24.05.2023, 18:18

Von:
  • Author ImageKai Horstmann
Artikel teilen:

„Die Mehlprimeln zählen zu den sehr seltenen Pflanzen und stehen auf der Roten Liste der bedrohten Pflanzenarten“, sagt Klaus Bollmann. Der neue Organisator der Naturfreunde Siedenbollentin ist erneut mit seinen Mitstreitern in das FFH-Gebiet Landgrabenwiesen gefahren. Laut seinen Aussagen treffen sich die Naturfreunde hier seit mehreren Jahrzehnten dreimal jährlich, um zu zählen.

An einem Tag werden hier die Mehlprimeln (Primula farinosa) gezählt und an einem anderen Tag die ebenfalls bedrohte Orchideen. Die Zählergebnisse werden schließlich an das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) weitergeben, damit diese die Entwicklung der bedrohten Pflanzenarten im Auge behalten.

Image with id: hzwwQM7dzIxo
Die Naturfreunde Siedenbollentin zählten wieder Mehlprimeln. (Foto: Kai Horstmann)

Mit ihren rosa Blüten sticht vor allem die Mehlprimel in der grünen Moorlandschaft hervor. An einem Stängel hängen gleich mehrere Blüten. Um das Zählen für die Naturfreunde zu erleichtern, werden nicht die Pflanzen, sondern immer nur die Blütenstände gezählt. Insgesamt haben die Naturfreunde allein auf der Hauptwiese davon insgesamt 8041 gezählt.

Entwässerte Moore als Vieh-Wiesen genutzt

Obwohl sie so schön anzuschauen sind, sind sie für Gartenfreunde aus doppelter Hinsicht ein Tabu: Weil diese Pflanzenart unter Schutz gestellt wurde, ist die Mitnahme strafbar. „Zudem wächst eine Mehlprimel nicht in einem Garten. Würde man sie dort einpflanzen, stirbt sie in kurzer Zeit ab, weil diese Pflanzenart nur unter besonderen Voraussetzungen wachsen kann. Um es klar zu sagen, eine Mehlprimel wächst nur auf Torfböden mit einem andauernd hohen Wasserstand aus kalkreichem Grundwasser“, schildert Margitta Schönfeld von den Naturfreunden.

Image with id: 98ID29sJlHfM
Durch Entwässerungsgräben sollen die Moore trocken gelegt werden. (Foto: Kai Horstmann)

Auch Carl Barnick von der Michael-Succow-Stiftung interessiert sich für die Ergebnisse der Pflanzenzählung. In der Stiftung kämpft er besonders für den Moorschutz. Wie der Biologe erklärt, war das ganze Tal früher voll mit Mehlprimeln. Das Wasser floss von den Hängen hinunter in das Tal, wo sich wie überall in Vorpommern ein Moor bildete, welches so nass war, dass es kaum landwirtschaftlich nutzbar war. Die Landschaft wurde zuvor wesentlich durch die Eiszeit geprägt. Um die Moorflächen dennoch zu nutzen, wurden diese durch Gräben wie den Landgraben entwässert.

Image with id: 7vHmsw1aIL4Y
Margitta Schönfeld und Klaus Bollmann entdeckten hier besonders viele Mehlprimeln. (Foto: Kai Horstmann)

Man konnte zwar auf den Böden keinen Ackerbau betreiben, so der Biologe, aber man konnte sie als Wiese für das Vieh nutzen. „Je tiefer man die Moore entwässerte, desto intensiver konnte man die Flächen als Wiese nutzen. Zwar stiegen somit die Erträge und die Qualität an Heu, zu späterer Zeit auch Silage, gleichzeitig wurden aber Pflanzen wie der Mehlprimel die Lebensgrundlage entzogen“, schildert Carl Barnick. „Durch die Entwässerung sank dramatisch die Artenvielfalt. Die Folgen erleben wir heute.“

„Moorschutz ist gleich Artenschutz und gleich Klimaschutz.‟

Carl Barnick, Michael-Succow-Stiftung

Zudem wird in Zeiten des Klimawandels immer deutlicher, dass Moore keine sinnlos verschwendeten Flächen ohne jeglichen Nutzen sind. Eine Folge der stark abgesenkten Wasserstände durch Entwässerung war das Sacken der Torfe um stellenweise bis zu einem Meter. Mit der Zersetzung der Torfschicht verbindet sich im Moor gespeicherter Kohlenstoff (C) mit eindringendem Sauerstoff (O2), es entsteht klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Etwa 13 Prozent der Landesfläche Mecklenburg-Vorpommerns sind Moore. Ein Großteil davon ist immer noch stark entwässert und trägt zu rund 30 Prozent der landesweiten Emissionen bei. Diese liegen bei insgesamt etwa sechs Millionen Tonnen Kohlendioxidausstoß pro Jahr.


Der Anteil von entwässerten Mooren nimmt damit einen wesentlich höheren Anteil als zum Beispiel der Kraftfahrzeugverkehr mit Verbrennungsmotoren ein. „Damit wir unsere Artenvielfalt erhalten können und der Kohlendioxid weiter in den Mooren gespeichert wird, ist es wichtig, die Wasserstände möglichst hoch zu halten“, fordert Carl Barnick. „Moorschutz ist gleich Artenschutz und gleich Klimaschutz.“