Sozialwohnungen in Gefahr
Neue Probleme bei Neubrandenburgs Wohnungsunternehmen Neuwoges
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Jörg Franze
Steht Neubrandenburgs Wohnungsunternehmen Neuwoges die nächste Affäre ins Haus? In dieser Woche sind sowohl Oberbürgermeister Silvio Witt als auch der wegen der sogenannten Vermietungs-Affäre angeschlagene Neuwoges-Chef Frank Benischke zum Rapport ins Schweriner Innenministerium geladen worden. Es ging offenbar um Unstimmigkeiten bei einem Wohnungsbauvorhaben im Irisweg. Und es betraf ein Thema, das der Oberbürgermeister ohnehin schon als Kritikpunkt an dem Chef der städtischen Tochtergesellschaft aufgeführt hatte. Das Ministerium machte klar, dass es bei zukünftigen Neuwoges-Projekten ähnlicher Art von Anfang an eingebunden werden will.
Zweifel bei neuem Wohnungsprojekt
Stadt und Neuwoges halten sich bedeckt. Zumindest etwas auskunftsfreudiger ist hingegen das Innenministerium. „Bei dem Gespräch ging es um eine Erörterung der differenzierten Rechtsauffassungen zu Grundstückskaufverträgen mit noch zu errichtenden Gebäuden im Allgemeinen und die durchgeführte Verfahrensweise des Projektes im Irisweg im Besonderen“, sagte eine Sprecherin auf Nordkurier-Anfrage.
Der Punkt, der auf höchster Ebene im Land diskutiert wurde, betrifft damit einen der vielen Vorwürfe, die Oberbürgermeister Witt kürzlich in internen Vorlagen für Neubrandenburgs Stadtvertreter aufgeführt hatte, um das angeblich zerrüttete Vertrauensverhältnis der Rathaus-Spitze gegenüber Benischke in der Vermietungs-Affäre zu untermauern.
Zwischen Dezember 2015 und Anfang 2020 war mehrfach ein von der Neuwoges verwalteter Raum im Haus für Kultur und Bildung (HKB) für den CDU-Stadtverband angemietet worden, dessen Vorsitzender Benischke bis vor Kurzem war. Ein Teil der Raumnutzungen war aufgrund organisatorischer Versäumnisse seitens Benischkes nicht zeitnah und ordnungsgemäß berechnet worden, wie er selbst sagte. Insgesamt handelte es sich um eine Summe von 1281 Euro, die die CDU nachzahlen musste. Benischke wurde vom Neuwoges-Aufsichtsrat abgemahnt und musste 21.000 Euro Strafe zahlen, eine vom OB geforderte fristlose Kündigung lehnte das Gremium aber ab.
Warum fand keine Ausschreibung statt?
Nun saßen beide Protagonisten des damaligen Streits im Innenministerium. Und diskutierten mit den Kommunal-Prüfern darüber, warum 2019 beim Ankauf eines Baugrundstückes im Süden Neubrandenburgs keine Ausschreibung stattgefunden hat.
Im Irisweg entstehen für die Neuwoges vier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 60 Zwei- und Dreizimmerwohnungen. In zwei Häusern sollen es Sozialwohnungen sein, also mit bestimmten Mietpreisgrenzen. Die Neuwoges hatte das ganze Projekt der Vakon Baugesellschaft im vergangenen Jahr erworben.
Dass mit Ralf Kohl ein ehemaliger CDU-Ratsherr Geschäftsführer von Vakon Bau ist, wurde in einem NDR-Bericht in einen Zusammenhang mit dem Neuwoges-Vorhaben gebracht. In dem Bericht wurde ebenso die Tatsache herausgestellt, dass die kommunale Wohnungsgesellschaft 9,3 Millionen Euro für 60 neue Wohnungen bezahlt, einige Monate zuvor aber selbst mit dem Verkauf von 425 Wohnungen und Gewerbeeinheiten für knapp 11,2 Millionen Euro nur etwas mehr eingenommen hatte. Davon musste zudem mehr als die Hälfte an den Stadthaushalt zum Altschuldenabbau abgeführt werden.
Die Neuwoges wehrte sich: Eine Ausschreibung für das Bauprojekt Irisweg sei nicht erforderlich gewesen. Der Ankauf von Grundstücken falle nicht unter das Vergaberecht, zudem sei ein kommunales Unternehmen nach Ansicht einiger Gerichte nicht unbedingt als öffentlicher Auftraggeber anzusehen und deshalb nicht zur Ausschreibung verpflichtet. Um die Grundsätze der Transparenz und Wirtschaftlichkeit zu wahren, habe man aber freiwillig ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt.
Förderfähigkeit des Projekts steht in Frage
Im Innenministerium teilt man diese Sichtweise aber offenbar nicht. „Im Ergebnis des Gesprächs sind sich die Teilnehmer darin einig, dass das Ministerium ... eine erneute Prüfung nach Eingang weiterer Unterlagen seitens der Neuwoges vornehmen wird und bei zukünftigen Projekten ähnlicher Art das Ministerium ... als Rechtsaufsicht im Vorfeld beratend hinzugezogen wird“, heißt es aus dem Haus von Lorenz Caffier (CDU) auf Nordkurier-Anfrage.
Zu Details gibt es keine Auskunft. Nach Nordkurier-Informationen wird aber vor allem kritisch gesehen, dass der Ankauf des Grundstücks nur etwa 13 Prozent der Projektsumme ausmacht, mithin der Anteil für die zu errichtenden Gebäude viel größer ist und eine Ausschreibung erforderlich gewesen sein dürfte. Eine Sichtweise, die der OB und das Ministerium teilen. Der Aufsichtsrat der Neuwoges hatte hingegen keine Probleme gesehen. Und die Stadtvertreter hatten dieses Thema in ihrer ersten Sitzung nach der Kommunalwahl 2019 unter Ausschluss der Öffentlichkeit zumindest zur Kenntnis erhalten.
Mit der kryptischen Formulierung des Ministeriums könnte nun alerdings die Förderfähigkeit des Projektes aus den Mitteln für den sozialen Wohnungsbau in Frage stehen. Die Neuwoges, die derzeit um Mietinteressenten für die bald fertigen ersten beiden Häuser wirbt, müsste dann alle Wohnungen auf dem freien Markt anbieten. Und muss bei ähnlichen Projekten wohl mehr Vorbereitungszeit in Kauf nehmen, um sich im Vorfeld mit den Prüfern im Ministerium abzustimmen.