Grundstücksverkauf

Neuer Ärger für Neuwoges - es geht um Millionen

Neubrandenburg / Lesedauer: 6 min

Neuwoges-Aufsichtsratschef Toni Jaschinski (Linke) will dem von ihm kontrollierten Unternehmen ein Grundstück im Wert von 1,5 Millionen Euro verkaufen. Das Innenministerium sieht erhebliche Interessenkonflikte.
Veröffentlicht:28.04.2021, 06:29

Von:
  • Mirko Hertrich
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Das ist kein Pappenstiel: Eine Fläche im Wert von 1,5 Millionen Euro soll die Chemnitzer Agrargesellschaft von Kommunalpolitiker und Bundestagsdirektkandidat Toni Jaschinski (Linke) für das zehn Hektar große Grundstück am Rande Neubrandenburgs bekommen, auf dem die Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft (Neuwoges) ein Wohngebiet erschließen will. Der Pferdefuß an der Sache ist aber, dass der Neubrandenburger Linksfraktionschef auch Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Tochtergesellschaft Neuwoges ist, was Neuwoges und Aufsichtsrat im Januar selbst öffentlich gemacht hatten. Das von Neubrandenburgs Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) daraufhin eingeschaltete Innenministerium in Schwerin hat das geplante Grundstückgeschäft nun bewertet und findet überraschend deutliche Worte.

Vertrauliches Schreiben an die Stadt

In einem vertraulichen Schreiben an Oberbürgermeister Witt, das dem Nordkurier vorliegt, empfiehlt der Chef der Kommunalaufsicht, Jörg Hochheim, der Stadt Neubrandenburg, den betreffenden Vorgang einschließlich des geplanten Grundstücksankaufes „vorerst auszusetzen und zunächst Transparenz durch eine unabhängige Untersuchung der Angelegenheit mittels eines bisher nicht beteiligten Wirtschaftsprüfers vorzunehmen“. Dies erscheine laut Schreiben vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses geboten, „um das Ansehen der Stadt Neubrandenburg, das Vertrauen der Bürger in die Demokratie und das Ansehen der Beteiligten zu schützen“.

Worum geht es? Um den Bedarf an Bauland in der Vier-Tore-Stadt zu befriedigen, hatte die Neuwoges im Januar angekündigt, 16,5 Hektar Land in dem B-Plan-Areal Nr. 128 „Weitin Hollerbusch“ erwerben zu wollen. Ein größerer zum Kauf angestrebter Grundstücksanteil gehört der Agrargesellschaft Chemnitz mbH. Einer der Geschäftsführer dort ist Toni Jaschinski. Nach Informationen des Nordkurier sind es mehr als zehn Hektar, die für einen Quadratmeterpreis von15 Euro durch die Neuwoges erworben werden sollten, was OB Witt zunächst stoppte. Laut Neuwoges sollte der Ankauf zu „marktüblichen Konditionen“ erfolgen. Viele andere Eigentümer der Grundstücke im insgesamt 36 Hektar großen B-Plan-Gebiet hätten zu diesen Konditionen nicht verkaufen wollen, hieß es.

Kommunalaufsicht sieht schweren Interessenkonflikt

Die Pläne für das Baugebiet beschäftigen die Stadtvertretung schon länger. Die Frage ist, inwieweit Toni Jaschinski gegen sein Mitwirkungsverbot verstoßen haben könnte. Hier konstatiert die Kommunalaufsicht: Da die Begünstigung durch den Verkauf des Grundstückes, dessen wirtschaftlicher Ertrag allein dem Aufsichtsratsvorsitzenden zufalle, hier annähernd dem Fünfzigfachen eines durchschnittlichen Bruttoeinkommens in Mecklenburg-Vorpommern entspreche, sei von einem „schwerwiegenden Interessenkonflikt“ auszugehen. Jaschinski wurde nach Auffassung des Innenministeriums einerseits durch die Interessen als Aufsichtsratsvorsitzender und andererseits durch die Interessen als wirtschaftlich Begünstigter, „die sich widerstreiten, bewegt und beeinflusst“.

Das Verhalten des Aufsichtsratsvorsitzenden verstößt nach Auffassung der Kommunalaufsicht auch gegen den von der Stadtvertretung beschlossenen „Public Corporate Governance Kodex“. Hiernach hätte der Aufsichtsratsvorsitzende an Entscheidungen „von interessenkonfliktbehafteten Angelegenheiten weder beratend noch entscheidend oder sonst mitwirken dürfen“, hieß es in dem Schreiben. Das bloße Entfernen aus Sitzungen bei gleichzeitiger Kenntnisnahme aller bedeutenden Informationen führe nicht zu der notwendigen Konfliktauflösung. „Dies stellt ein rein formales, gleichsam inhaltsaushöhlendes Umgehen der Regelung dar.“ Daher sehe der Kodex vor, dass das Mitglied des Aufsichtsrates „sich gänzlich von der Angelegenheit entfernt, also auch von allen Informationen und im Zweifelsfall auch aus dem Aufsichtsrat ausscheidet“.

Stadt und ihre Gremien in die Pflicht genommen

Die Auflösung des Konflikts sollte laut Innenministerium „mit Blick auf das Recht und die Pflicht zur Selbstverwaltung“ in Eigenverantwortung der Kommune und ihrer Gremien erfolgen. Dies hält die Rechtsaufsicht insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Kritik des Landesrechnungshofes an nicht aufgelösten Interessenkonflikten bei den Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen für wichtig.

Toni Jaschinski sagte dem Nordkurier gestern auf Anfrage, der Interessenskonflikt sei von ihm „nie verneint“ worden. Er habe an den entsprechenden Abstimmungen aber nicht teilgenommen und so sein Mitwirkungsverbot angezeigt. Der Kommunalpolitiker gab auch zu bedenken, dass es schwierig sei, die entsprechenden Informationen nicht zu bekommen, beispielsweise wenn der Punkt auf die Tagesordnung der Stadtvertretung oder eines Ausschusses gesetzt werde und man die Tagesordnung „ungefragt“ zugesandt bekomme, deren Kenntnisnahme ja nach Auffassung des Innenministeriums bereits einen Verstoß darstellen würde. „Wie will man sich vor solchen Informationen schützen, da müsste man Hellseher sein, um vorab zu wissen, wann man befangen ist.“

Stadt Neubrandenburg hält sich zu dem Fall bedeckt

Seinen Worten nach hat der Kommunalpolitiker und Unternehmer vorab mit dem Leiter der Rechtsabteilung im Rathaus, Dominik Meyer zu Schlochtern, gesprochen, der geraten habe, Mitwirkungsverbot anzuzeigen. Das habe er so „korrekt gehandhabt“. Der Neuwoges-Aufsichtsratschef findet es auch schade, dass das Innenministerium in seiner Stellungnahme keine „wirkliche Handlungsempfehlung“ gegeben habe, sondern in einer eher „politischen Stellungnahme“ den Ball zurück an die Stadt gespielt habe, die sich jetzt Gedanken machen müsse, wie man damit umgehe. Er selbst werde sich in den Prozess „nicht einmischen“ wegen seines Mitwirkungsverbots. Es bleibe abzuwarten, wie die Stadtvertretung oder der Hauptausschuss in dem Fall entscheidet.

Bei der Stadt Neubrandenburg hielt man sich zu dem Fall bedeckt. Seitens des Innenministeriums sei die Angelegenheit Hollerbusch abgeschlossen, hieß es auf Nordkurier-Anfrage. Die Stellungnahme aus dem Ministerium werde nun „intern geprüft, um daraus weitere Schritte abzuleiten“. Die Neuwoges wollte vor Abgabe einer Stellungnahme noch gemeinsam mit der Stadt die Schlussfolgerungen aus dem Schreiben des Innenministeriums prüfen, teilte Neuwoges-Geschäftsführer Frank Benischke mit.

Wie wirkt die Benischke-Affäre nach?

Pikant an der Angelegenheit ist auch, dass die Stadtvertretung mit der Mehrheit von CDU, Linken und AfD jüngst die zum überwiegenden Teil mit Stadtvertretern besetzten Aufsichtsräte bei den kommunalen Unternehmen Neuwoges sowie Neubrandenburger Stadtwerken gestärkt hat und der Oberbürgermeister somit keine Befugnis mehr hat, deren Geschäftsführer einzustellen oder zu entlassen.

Vor genau einem Jahr hatte Silvio Witt versucht, Neuwoges-Geschäftsführer Frank Benischke fristlos entlassen zu lassen wegen einer Affäre um die nicht korrekt abgerechnete Überlassung von Neuwoges-Räumlichkeiten an den Neubrandenburger CDU-Stadtverband, von dessen Vorsitz Frank Benischke in der Folge zurücktrat und Fehler einräumte. Der von Toni Jaschinski geführte Neuwoges-Aufsichtsrat hielt damals eine Abmahnung sowie eine Schadenersatzzahlung über 21.000 Euro durch Frank Benischke als Sanktion für ausreichend. Dieser Auffassung folgte auch die von CDU und Linke dominierte Stadtvertretung und nahm mit Verweis auf den Aufsichtsrat als das „kompetente Gremium“ einen entsprechenden Punkt von der Tagesordnung.