Prozess

Pfefferspray-Einsatz gegen Ninja-Nachbarn bringt Mann vor Gericht

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Ein Mann sitzt vor der Richterin und soll sich für die Tränen eines zum Fürchten verkleideten Nachbarn verantworten. Der Prozess entbehrt nicht einer gewissen Komik und endet schließlich vorhersehbar.
Veröffentlicht:15.09.2021, 06:14
Aktualisiert:06.01.2022, 22:13

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Der Udo war verschwunden. Hat sich die Welt angesehen, vielleicht auch nur Neubrandenburg oder Friedland. Für die Behörden jedenfalls war der 33-Jährige nicht greifbar, offiziell nennt man das bei den Ämtern „unbekannten Aufenthalts“. Dabei hatte der Staat noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen und wirft ihm gefährliche Körperverletzung vor. Einem Nachbarn seiner Ex-Freundin soll der junge Mann Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben.

Lautstarker Streit in der Morgenstunde

Die Behörden haben ihn jetzt entdeckt und der Wiedergefundene, nunmehr ordentlich in einer Kleinstadt bei Neubrandenburg gemeldet, sitzt als Angeklagter im Amtsgericht der Vier-Tore-Stadt und muss sich für die leidige Angelegenheit verantworten, die sich schon im Herbst 2018 zugetragen hat. Ein lautstarker Streit mit der Mutter des gemeinsamen Kindes rief den Mann, der über ihr wohnt, auf den Plan. Immerhin, die Uhr zeigte erst kurz vor Fünf an, am ganz frühen Morgen, nur ganz Fleißige sind um diese Zeit eigentlich auf den Beinen. Ob der Nachbar zu jenen zählt ist fraglich, der hat sich beim Spielen an seinem Computer gestört gefühlt, so gab er später bei der Polizei an – deshalb klopfte und klingelte er, verbat sich den Lärm und versprach, die Polizei zu rufen. Sein gutes Recht.

Mit Ninja-Maske und Samuraischwert

Dann aber geschah, was mit merkwürdig zu beschreiben den Umständen vielleicht nicht völlig gerecht wird. Denn jener Nachbar hat früher vielleicht zu viele schlechte Filme gesehen oder am frühen Morgen das falsche Computerspiel am Wickel gehabt. Der erschien jedenfalls mit einer schwarzer Maske wie ein Ninja und zwei Samuraischwertern an der Tür und fuchtelte mit den Dingern vor der Nase des Angeklagten herum. Warum er dies tat, die Frage muss leider unbeantwortet bleiben. Der Nachbar mit dem Hang zu japanischen Stichwaffen hat der Richterin Tanja Krüske eine Krankschreibung geschickt, die es ihm unmöglich macht, vor Gericht zu erscheinen. Schade.

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Der Angeklagte jedenfalls, der später für die Behörden so lange verschwunden war, griff beim Anblick des fernöstlichen Kriegers in seine Hosentasche, holte eine Dose Pfefferspray raus und sprühte den scharfen Inhalt dem Nachbarn mitten ins Gesicht. Eigentlich dürfen Samurais nicht flüchten – dieser aber trat den ungeordneten Rückzug an und musste sich im Klinikum die Augen ausspülen lassen. Warum eigentlich besaß der Angeklagte solches Reizgas, will die Richterin wissen. Er gehe oft in den Wald, sagt der Sprüher und dort laufen auch Wildschweine umher. Zur Selbstverteidigung trage er das deshalb bei sich.

Der Verteidiger plädiert auf Notwehr

Für seinen Verteidiger Wolfgang Bartsch ist die Sache mit dem Samurai-Nachbarn klar, Notwehr, was sonst. Und das Gericht würde die Angelegenheit, die schon fast drei Jahre zurückliegt, auch am liebsten begraben. Ob sich die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung vorstellen können, die Verhandlung gegen eine kleine Auflage einzustellen, fragt Richterin Krüske. Die nicken und das Gericht schlägt 20 Stunden Arbeit für einen gemeinnützige Verein vor. Zu wenig, wehrt sich die Staatsanwältin und verlangt 50. Man einigt sich schließlich auf 30 Stunden, die der Pfefferspray-Mann schwitzen soll.

Der ist froh über das Ende des Verfahrens und verschwindet ganz schnell.