Sowjetische Ehrenmale
Reaktionen aus Russland – Ehrenmal in Neubrandenburg geschändet
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Simon Voigt
Nachdem der Nordkurier vor einer Woche über Schmierereien am sowjetischen Ehrenmal in Neubrandenburg berichtet hatte, wanderten die Fotos davon schnell durch das Internet. Besonders russischsprachige Nachrichtenseiten griffen den Angriff auf und kamen, anders als die Polizei vor Ort, schnell zu ihren eigenen „Ermittlungsergebnissen”.
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Für russische Medien stehen die Täter fest
So hätten ukrainische Flüchtlinge in Deutschland das Denkmal für die sowjetischen Soldaten geschändet, behauptet die Kreml-nahe Zeitung „Readovka” auf ihren Kanälen bei Telegram und VK.„Wilde Nazis” seien für die Schmierereien verantwortlich, die sich das Recht herausnehmen würden, über das Eigentum eines anderen Staates zu verfügen und das Ehrenmal zu entweihen.
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Die Zeitung stützte sich bei ihren Schlussfolgerungen offenbar auf die Tatsache, dass die kyrillischen Schriftzüge und rechtsextremen Symbole in gelber und blauer Farbe gezeichnet wurden – den Nationalfarben der Ukraine. Sie wurden am Morgen des 20. April, auch dieses Datum könnte mit Absicht gewählt worden sein, an dem sowjetischen Ehrenmal und einer Tafel am Frauenehrenmal für Opfer der KZ-Außenstelle Ravensbrück am Neuen Friedhof in Neubrandenburg entdeckt. Neben einem Hakenkreuz und einer Wolfsangel stand dort „Ruhm der Ukraine” (Слава Україні!) und „Den Helden Ruhm” (Героям слава!). Dabei handelt es sich um den offiziellen Gruß der ukrainischen Streitkräfte.
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Gehirnwäsche wie in Nazi-Deutschland
Die Bilder aus dem Nordkurier-Artikel kursierten schnell auf Telegram, VK oder Twitter. Häufig ging dabei unter, dass es laut der Polizei bislang keineswegs einen Anhaltspunkt zur Motivation der unbekannten Täter gibt.
Das Foto wurde mit dem falschen Hinweis, die Täter seien Flüchtlinge, sogar in völlig fachfremdem Foren, wie etwa auf „Mens Tennis Forums”, diskutiert. Ein Nutzer antworte dort: „Vielleicht waren es einige Russen, die versuchen, einen Beweis für ihre Lügen zu fälschen?” Weiter schrieb er: „Ihr Russen seid einer totalen Gehirnwäsche unterzogen, um Ukrainer zu hassen.” Es sei wie in Nazi-Deutschland, als den Juden die Schuld für alles mögliche gegeben worden sei.
Faktenprüfer aus Paris rufen in Neubrandenburg an
Auch die Rubrik „CheckNews” in der französischen Zeitung „Libération” griff das Thema auf und rief bei der Polizei in Neubrandenburg an. Diese antworte laut dem Artikel, dass man trotz der blauen und gelben Inschriften in Kyrillisch nicht davon ausgehe, dass sie von Ukrainern geschrieben wurden. Dies sei nur eine Möglichkeit von vielen: „Wir ermitteln gegen X und alle Möglichkeiten.“
Am selben Tag hatte die Botschaft der Russischen Föderation in Berlin schon eine Protestnote an das Auswärtige Amt geschickt, in der sie forderte, die Schmierereien sofort zu beseitigen. Die Botschaft reagierte damit auf verschiedene Schmierereien an sowjetischen Kriegsgräbern und Gedenkstätten, die es in Deutschland gegeben hat, etwa auch in Berlin, Potsdam und dem sächsischen Syhra und erinnerte an das russisch-deutsche Abkommen über die Kriegsgräberfürsorge vom 16. Dezember 1992.
Russische Botschaft verschiebt Neubrandenburg nach Brandenburg
„Diese frevelhaften Aktionen betrachten wir als eine zynische Missachtung des Gedenkens an die Soldaten, die für die Befreiung der Welt und Europas vom Nationalsozialismus ihr Leben hingaben”, schrieb die Botschaft in einer Stellungnahme. Zum Thema „frevelhaft und zynisch” reagierten da Nutzer auf Twitter mit Aufnahmen von Massengräbern in der Ukraine.
In einer Bildergalerie zeigte die russische Botschaft ebenfalls das Foto aus Neubrandenburg, verwechselte das Mahnmal aber mit jenem in Potsdam. Ebenfalls zeigte sich, dass in diesen Tagen in der russischen Politik offenbar noch mehr Grenzen zur Disposition stehen: So ordnete die Botschaft die Stadt Neubrandenburg in einer Bildunterschrift dem Bundesland Brandenburg zu.