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Interview

So soll Neubrandenburgs Jugend mehr Gehör finden

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Die neue Jugendbeteiligungskoordinatorin in Neubrandenburg will Jugend mehr zu Wort kommen lassen. Wie das klappen soll, verrät sie im Interview mit Henning Stallmeyer.
Veröffentlicht:20.03.2023, 19:32

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Seit fast drei Monaten sind Sie die neue Jugendbeteiligungskoordinatorin in der Stadt. Was genau sind denn die Aufgaben einer solchen Koordinatorin?

Sie organisiert, moderiert und unterstützt Jugendliche bei ihren Anliegen. Gleichzeitig diene ich als Verbindungsperson zur Stadtpolitik und versuche, zu vermitteln. In den letzten Jahren haben wir gemerkt, dass die Neubrandenburger Jugendlichen nicht mehr so wahrgenommen werden. Sukzessiv wurden Angebote für junge Menschen immer weiter abgebaut. Eskalierende Konflikte zwischen Jugendlichen und anderen Teilen der Stadtgesellschaft, wie prominent am Brodaer Strand, zeigen, dass die Einbeziehung der Interessen Jugendlicher in die Gestaltung der Stadt und der lokalen Angebotslandschaft dringend geboten ist. Jugendliche haben aber auch eine Stimme, die nicht immer gehört wird. 

Warum ist das so?

Jugendliche kommunizieren ganz anders als Erwachsene. Sie schreiben keinen offenen Brief oder dergleichen, sondern äußern ihre Meinung anders, deshalb können Erwachsene manchmal Schwierigkeiten haben, das überhaupt wahrzunehmen. Meine Aufgabe als Jugendbeteiligungskoordinatorin ist es, dann zuzuhören und zu übersetzen.

Und das schaffen Sie, obwohl sie erwachsen sind?

(lachend): Ich fühle mich noch jung. Ich bin selber stolze Neubrandenburgerin, habe meine Jugend hier verbracht. Ich bin Sozialarbeiterin und arbeite mit Jugendlichen gern zusammen.

Zurück zum Brodaer Strand. Die Diskussion wurde teilweise sehr hitzig gefühlt. Was ist denn die Meinung der Jugendlichen darüber?

Sie haben natürlich gemerkt, dass sie dort weggedrängt wurden durch regelmäßige Kontrollen des Ordnungsamtes, Lautstärkeregelung und so weiter. Sie fühlen sich unerwünscht, und das zeigt, wie wichtig eine Jugendbeteiligung ist, denn ihnen fehlen ganz einfach die Räume, wo sie hin können. Broda ist nur eins von vielen Problemen, dass aber in den Medien hochgekocht ist. Irgendwann muss es mit dem Thema aber auch mal gut sein.

Lange Nächte am Brodaer Strand in Neubrandenburg sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen. Die Jugendlichen sind inzwischen weiter gezogen, weil sie dort verdrängt wurden.
Lange Nächte am Brodaer Strand in Neubrandenburg sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen. Die Jugendlichen sind inzwischen weiter gezogen, weil sie dort verdrängt wurden. (Foto: Simon Voigt)

Wie weit sind wir denn mit der Jugendbeteiligung in der Stadt?

Das Thema stößt in Neubrandenburg sehr wohlwollend auf. Wir haben eine gute Gruppe von 17 SchülerInnen aus den weiterführenden Schulen der Stadt. Und die sind richtig klasse und sehr engagiert. Einmal im Monat tagen wir in der Jugend–AG und besprechen genau die Themen, die sie interessieren. Ganz aktuell erhielt die AG die Entscheidungsgewalt über den Jugendfonds der Partnerschaft für Demokratie.

Und das sind?

Das große Thema ist derzeit Jugendräume. Also nicht nur innerhalb von vier Wänden, sondern auch draußen. Ein öffentlicher Platz in der Stadt, wo die Jugendlichen ihre Freizeit–Interessen ausleben können. Dazu diskutieren wir derzeit viele Möglichkeiten mit der Stadtverwaltung. Wie genau das aussehen könnte, dazu starten wir gerade eine Umfrage. 

Ein großer Kritikpunkt ist, dass man ja sowieso nie alle Jugendlichen erreichen kann ...

Vollkommen richtig. Aber das ist bei Erwachsenen ja genauso. Wer sich nicht an politischen Entscheidungen beteiligen möchte, die erreichen wir auch nicht. Uns ist wichtig, dass wir ein Angebot schaffen für die, die es wollen. Trotzdem möchten wir ein möglich breites Feld an Jugendlichen abbilden. Wir befinden uns mit den Jugendklubs der Stadt im Austausch und wollen in Zukunft auch Grundschüler erreichen.

Die Stadtpolitik diskutiert gerade über eine Änderung der Hauptsatzung. Danach sollen Jugendliche in jede relevante Entscheidung mit einbezogen werden. Eine gute Idee?

Auf jeden Fall! Im Augenblick sind wir aber noch nicht so weit. Zunächst brauchen wir feste Strukturen für eine Jugendbeteiligung. Und ein paar Fragen sind auch noch zu klären, zum Beispiel: Was genau ist eigentlich für Jugendliche relevant? Generell stehen wir dem aber sehr wohlwollend gegenüber.

Wo steht Neubrandenburg mit der Jugendbeteiligung in einem Jahr?

Bis dahin haben wir hoffentlich feste Beteiligungsstrukturen etabliert und weitere Jugendliche erreicht. Außerdem würde ich gerne ein erstes Beteiligungsverfahren zum Thema Jugendräume bis dahin auf den Weg bringen. Langfristig wollen wir auch den Dialog zwischen den Generationen fördern, denn Jugendliche, Erwachsene und Senioren haben oft viel mehr gemeinsam, als man denkt.

Zum Beispiel?

Bei einer Sitzung der AG Kinder– und Jugendbeteiligung fand ein „Speed Dating“ mit allen teilnehmenden Akteuren, unter anderem aus der Stadtverwaltung, aus der Politik und den Jugendlichen statt. Fast alle haben den Tollensesee als ihren Lieblingsort in der Stadt angegeben. Da ist es doch auch logisch, dass Jugendliche sich dort gerne aufhalten.


ZUR PERSON
Michéle Arndt ist seit dem 1. Januar 2023 die neue Jugendbeteiligungskoordinatorin in Neubrandenburg. Ihre Stelle ist Teil des Projekts „Partnerschaft für Demokratie in Neubrandenburg‟ , das im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!‟ gefördert und vom Träger RAA – Demokratie und Bildung zusammen mit der Stadt Neubrandenburg durchgeführt wird. Die 31-jährige gebürtige Neubrandenburgerin absolvierte nach Stationen in Rostock und Berlin in der Vier-Tore-Stadt ihren Master-Abschluss im Studienfach „Social Work‟.