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Strafverfahren gegen Querdenken-Anwalt eingestellt

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Neustrelitzer Polizeibeamte beschlagnahmten das Smartphone von Querdenken-Anwalt Ralf Ludwig. Die Anschuldigungen gegen ihn waren ernst, aber haltlos.
Veröffentlicht:16.01.2022, 13:00

Von:
  • Simone Schamann
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Ralf Ludwig, Nummer zwei hinter Querdenken-Gründer Michael Ballweg und Rechtsanwalt der umstrittenen Bewegung, geriet bei einem Kurzaufenthalt im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte in Konflikt mit den Behörden. Nun wurde bereits das zweite Verfahren gegen ihn eingestellt, weil sich Anschuldigungen hiesiger Beamter nicht bestätigten.

Für Rechtsanwalt Ludwig und Strafverteidiger Dirk Sattelmaier, der ihn in der Sache vertritt, ist das allerdings nicht das Ende der Mecklenburger Handy-Arie. „Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass an der gesamten seinerzeitigen Aktion etwas faul war”, so Sattelmaier zum Nordkurier.

Wer das vorausgegangene Lokal-Epos um den in Neustrelitz gestrandeten Querdenker-Bus, filmreife Kontroversen an einer Mecklenburger Bushaltestelle, den Neubrandenburger Polizeichef Torsten Rusch, Ministerpräsidentin Schwesigs (SPD) vielleicht etwas voreiligen Tweet dazu (siehe unten) und die damals geltende Corona-Landesverordnung noch mal nachlesen will, kann das hier tun:

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53 Seiten Ermittlungsakte um ein blinkendes Handy

Ralf Ludwig wurde beschuldigt, bei dem Polizeieinsatz in Neustrelitz im November 2020 heimlich Tonaufnahmen angefertigt zu haben (kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden). Die Beamten gaben zu Protokoll, während der Aktion ein verdächtiges Leuchten des Anwalthandys wahrgenommen zu haben und kassierten es mit dem Segen der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft ein. Zu dem Vorgang existiert eine 53 Seiten starke Ermittlungsakte.

Gegen die Beschlagnahme legte Ludwig umgehend Widerspruch ein, der richterlich abgelehnt wurde. Das Querdenker-Handy blieb zum Auslesen in Neubrandenburg.

Als sich der Nordkurier Wochen später bei der Staatsanwaltschaft erkundigte, was denn nun beim Durchleuchten des Geräts herausgekommen sei, gab es noch kein Ergebnis. Es sei schwierig, den Sperrcode des Samsung S10 zu knacken. Ein Kooperationsangebot des Querdenker-Anwalts, den Code vor Ort einzugeben und den Inhalt des Handys gemeinsam anzuschauen, habe man abgelehnt. „So ein Kasperletheater machen wir hier nicht“, so Oberstaatsanwalt Andreas Lins damals zum Nordkurier.

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Ludwigs Handy-Code: Ein Fall fürs LKA

Es wurde ruhig um das Querdenker-Handy. Und als der Nordkurier vor wenigen Tagen – mehr als ein Jahr später – noch mal nachhakte, war das Gerät noch immer in MV. Es sei gerade vom LKA in Leezen (bei Schwerin) nach Neubrandenburg zurückgekehrt. Dortigen Spezialisten sei es gelungen, den Sperrcode – ein gewöhnliches Eingabemuster – zu knacken, erklärte Oberstaatsanwalt Lins. Nun könne man die richterlich genehmigten 15 Minuten des 10. November 2020 endlich auslesen. Rechtsanwalt Ludwig zum Nordkurier: „Da ich keine Aufnahmen gemacht habe, habe ich auch nichts zu befürchten.“

Tatsächlich lösten sich sämtliche Anschuldigungen in Luft auf. Genau wie das Bußgeldverfahren um den Mega-Strafzettel – der Landkreis MSE wollte 1800 Euro wegen unerlaubter Einreise von Ludwig haben (siehe Links oben) – wurde nun auch das Strafverfahren gegen den prominenten Querdenker eingestellt. „Das Verfahren ist nach Paragraph 170 Absatz 2 eingestellt worden“, so Oberstaatsanwalt Lins zum Nordkurier. „Das bedeutet, es besteht kein hinreichender Tatverdacht.“

Es wurde also absolut nichts Verdächtiges auf dem Handy gefunden? Oberstaatsanwalt Lins: „Das ist richtig.“

Handy war sauber – der Polizeieinsatz nicht?

Wer hofft, dass die Causa Querdenker-Handy damit ad acta gelegt wird, muss jetzt ganz stark sein. Für die Juristen Ludwig und Sattelmaier ist die Sache noch längst nicht gegessen. Gleich nach der Beschlagnahme hatte Ludwig gegenüber dem Nordkurier, anderen Medien und mehrfach im Netz betont, dass die polizeiliche Maßnahme von MV-Beamten auf brandenburgischem Boden direkt hinter der Landesgrenze durchgeführt wurde. Da die Polizei außerhalb ihres Hoheitsgebietes gehandelt habe, könnte die gesamte Aktion rechtswidrig gewesen sein, so der Jurist. Zudem habe er sein Smartphone nicht freiwillig herausgegeben.

Mehr lesen: Demminer Amtsrichter zerfetzt Mega-Strafzettel

Video zeigt offenbar unfreiwillige Handy-Übergabe

Ein zwölf Minuten langes Video, das der Nordkurier einsehen konnte und Zeugen, die vor Ort waren, scheinen Ludwigs Version zu bestätigen. Auch die offenbar unfreiwillige Handy-Übergabe ist auf den Aufnahmen im brandenburgischen Fürstenberg zu sehen.

„Nachdem jetzt feststeht, dass alle Vorwürfe, die gegen meinen Mandanten erhoben wurden, völlig haltlos waren, werden wir sämtliche Handlungen der involvierten Beamten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen”, sagt Anwalt Sattelmaier zum Nordkurier. „Zu diesem Zweck haben wir erneut Akteneinsicht beantragt und werden deren Inhalt mit den uns vorliegenden zusätzlichen Beweismitteln abgleichen.”