Erneuerbare Energien
Tollensewinkel-Bürgermeister stemmen sich gegen Solar-Ausbau
Altentreptow / Lesedauer: 6 min

Tobias Holtz
Kaum wurde die erste Welle im Rathaus abgearbeitet, da trudeln bereits die nächsten Anträge ein. So stellt sich aktuell die Situation bei den Solarpark-Vorhaben im Amt Treptower Tollensewinkel dar. Seit die Landesregierung im vorigen Jahr erklärt hatte, auf insgesamt 5000 Hektar in Mecklenburg-Vorpommern neue Photovoltaikflächen (PV) auf Äckern zulassen zu wollen, reißen die Anfragen von potenziellen Investoren und Flächeneigentümern nicht ab. „Wir werden regelrecht überschwemmt“, brachte es Bauamtsleiterin Hendrikje Kmietzyk beim jüngsten Amtsausschuss auf den Punkt.
Gemeinden bislang ohne Orientierungshilfe
Was bislang fehlt, ist ein amtsübergreifendes Planungswerk, aus dem einerseits hervorgeht, wo es noch geeignete Areale gibt, die ausgewiesen werden können, und das andererseits Landschaftsbereiche aufzeigt, die besser geschont oder als Standorte für die Landwirtschaft und den sanften Tourismus gesichert werden sollten. Die Gemeinden besitzen zwar die Planungshoheit bei PV–Projekten und entscheiden über die Ausweisung der Freiflächen, sind aber in allen anderen Fragen auf sich allein gestellt, weil es für sie keine beispielhafte Orientierungshilfe gibt.
Dies führt im Umkehrschluss dazu, dass die Bürgermeister und Gemeindevertreter in der Vergangenheit sehr unterschiedlich an die Sache rangegangen sind. „Wir hätten uns als Verwaltung gewünscht, dass die Gemeinden bei geplanten Photovoltaik–Anlagen auch mal nach links und rechts zu ihren Nachbarn schauen, wie die damit umgehen. Aber das klappt in der Praxis leider nicht so wie erhofft, wodurch es für uns immer schwieriger wird, die ganzen Vorgänge bei der Bauleitplanung zu steuern und hier eine gewisse Ordnung reinzubekommen“, betonte Altentreptows Bürgermeisterin Claudia Ellgoth.
Aus diesen Gründen hatte die Verwaltung das Amt als Teilnehmer für eine neue „Fallstudie zur Rahmenplanung von Freiflächenphotovoltaik“ ins Rennen geschickt, die gerade vom Regionalen Planungsverband in der Mecklenburgischen Seenplatte vorbereitet wird. Auch die Ämter Woldegk, Stargarder Land und die Gemeinde Feldberger Seenlandschaft sind Teil der Studie, die nach der Ausschreibung frühestens im Oktober beginnen und mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nehmen wird, wie Hendrikje Kmietzyk erklärte. Auf Vorhaben, die bereits von den Gemeinden angeschoben und geplant wurden, habe die Untersuchung keinen Einfluss.
Planungshoheit soll nicht eingeschränkt werden
Die Kosten werden auf 70.000 bis 100.000 Euro geschätzt, wobei sich die teilnehmenden Ämter und der Landkreis davon nur einen Eigenanteil von 30 Prozent zu teilen haben. Für das Amt Treptower Tollensewinkel wären demnach 6250 Euro an überplanmäßigen Ausgaben fällig, die aber durch eine Umschichtung der Gelder in den Produktsachkonten im Haushalt gedeckt werden können. Die Studie soll nach der Fertigstellung als Blaupause für andere Ämter und Kommunen in der Seenplatte dienen.
„Das Konzept dient lediglich als Diskussionsgrundlage und wird die Planungshoheit der Gemeinden in keinster Weise einschränken. Sie führen weiterhin das B–Plan Verfahren und dürfen am Ende selbst darüber entscheiden, was sie von den Vorschlägen per Beschlussfassung umsetzen“, hob Ellgoth hervor. Es gehe vielmehr darum, Potenziale aufzuzeigen, die der Amtsbereich in Sachen Photovoltaik noch hat, und Investoren anhand der aufgeführten Bewertungskriterien von vornherein klarzumachen, wo definitiv keine neuen Anlagen entstehen sollen. „Denn natürlich soll nicht jede freie Ecke mit Solarpanelen zugepflastert werden“, so die Rathauschefin.
Doch genau diese Befürchtung hatten einige der anwesenden Bürgermeister. „Wenn so ein Konzept vorliegt, in dem steht, welche Standorte in den Gemeinden für PV–Anlagen theoretisch noch ausgewiesen werden können, lockt das doch automatisch noch mehr potenzielle Investoren an“, meinte Roland Schulz. In seiner Gemeinde Tützpatz sei der Ausbau schon relativ weit vorangeschritten. „Hier soll nichts weiter hin. Und wir möchten als Gemeinde auch nicht ständig mit weiteren Anfragen dazu konfrontiert werden. Diese Gefahr sehe ich aber, wenn wir der Teilnahme an der Studie zustimmen“, meinte Schulz.
„Das Geld können wir uns sparen“
Ähnlich argumentierte Michael Korczak. „Ich werde die Tür für irgendwelche Investoren in Kriesow auf gar keinen Fall auch nur einen winzigen Spalt öffnen. Es ist schon schlimm genug, dass wir den Windparkbetreibern nicht Herr werden können. Wir brauchen keine Studie. Es lohnt sich nicht, weiter darüber zu diskutieren. Unsere Gemeinde will das nicht“, machte Korczak unmissverständlich klar.
Auch Pripslebens Bürgermeister Kai–Uwe Zirzow lehnte eine Beteiligung vehement ab. „Wir wollen das Tollensetal für den Tourismus erschließen und bauen unsere schöne Landschaft immer mehr mit Industrie zu. Das ist für mich nicht mehr nachvollziehbar“, monierte Zirzow. Jede Gemeinde wisse seiner Ansicht nach auch ohne Studie, wo noch mögliche Flächen zur Verfügung stehen. „Oder die Investoren klopfen von sich aus bei uns an und sagen, was machbar ist.“
Bartows Bürgermeister René Nast schlug darauf hin vor, Gemeinden, die keinen Bedarf an weiteren PV–Anlagen haben, gleich aus der Planung rauszunehmen. „Das Geld können wir uns sparen. Einen Überblick zu den möglichen Freiflächen kann man sich auch über die Bodenpunkte im Geoportal verschaffen“, so Nast. Wie seine Amtskollegen sieht auch er in der Studie die Gefahr, damit noch mehr Investoren auf verfügbare Standorte im Treptower Tollensewinkel aufmerksam zu machen.
Sorge wegen „grüner Ideologie im Bundestag“
Claudia Ellgoth verwies hingegen erneut auf die Notwendigkeit der Studie als Hilfsinstrument bei der Bearbeitung der einzelnen Anträge. „Die Solarparks schießen wie Pilze aus dem Boden, wir kriegen das als Verwaltung nicht mehr eingefangen und geordnet“, machte sie den Ernst der Lage deutlich. Rückendeckung bekam sie dabei von Burows Bürgermeisterin Heidelinde Kurzhals. „Ich kann durchaus nachvollziehen, dass so ein Konzept die Verwaltung entlasten könnte. Denn dort häufen sich gerade die Anträge. Und deren Bearbeitung liegt in den Händen der Mitarbeiter in den zuständigen Fachabteilungen und nicht bei uns ehrenamtlichen Bürgermeistern“, appellierte Kurzhals an die anderen Ausschussmitglieder.
Der Bauausschussvorsitzende, Roman Krepelin, zweifelte indes an, wie lange die Gemeinden überhaupt noch die Planungshoheit bei Photovoltaik–Vorhaben besitzen. „Bei der grünen Ideologie, die im Bundestag derzeit praktiziert wird, könnte aus dem Segen der Studie schnell ein Fluch werden. Ich sehe es schon vor mir, wie der ländliche Raum mit PV–Anlagen alternativlos verschandelt wird. Die werden oft fast in Bodenhöhe gebaut, sodass sich die darunter liegenden Flächen nicht mehr anderweitig nutzen lassen“, monierte er
Aufgrund der vorgebrachten Argumente sah sich Claudia Ellgoth gezwungen, die Vorlage zurückziehen. Somit wird das Amt entgegen den Vorstellungen der Verwaltung nun doch kein Teil der Studie sein. Wie es beim Photovoltaik–Ausbau ohne übergreifendes Konzept weitergeht, bleibt abzuwarten.