Notfallsanitäter

Vor dem Leben als Lebensretter steht ein hartes Training

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

In Neubrandenburg werden Soldaten und Zivilisten als Notfallsanitäter ausgebildet – mit möglichst realistischen Szenarien von schwersten Verletzungen bis zur Geburt eines Babys.
Veröffentlicht:04.01.2023, 08:34
Aktualisiert:04.01.2023, 08:35

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Im Regal liegen Ampullen, Spritzen und Rettungsdecken neben abgetrennten Beinen und Armen. Diese Schule schreibt das Wort „Praxis“ groß. Die private berufliche Schule „Ecolea“ in Neubrandenburg bildet Notfallsanitäter für die Bundeswehr und für zivile Einrichtungen aus. Schulleiter Benjamin Grohs zeigt die 1200 Quadratmeter großen Räume seiner Schule nicht ohne Stolz. Das Anschauungsmaterial sei nahezu lebensecht und komme dem eigentlichen Notfall sehr nahe. Die Beine, Arme und ganzen Menschen, die hier herumliegen sind natürlich nur Attrappe, manchmal seien aber auch Schauspieler dabei, mit denen dann ein Notfall simuliert werde, sagt Grohs.

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Nicht nur Personen, Verletzungen und Medikamente werden nachempfunden, sondern auch die Umgebung: Ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer, ein geräumiges Kinderzimmer oder auch ein Ehebett – fast wie im Einsatz. Auch Notfallsanitäter, die zu Fortbildungen kämen, profitieren von realitätsnahen Simulationsübungen. In Zukunft sollten in diesen Räumen zusätzlich Kameras hängen, damit die Klasse im Nebenraum sitzen und ihre Klassenkameraden auf dem Bildschirm beim Einsatz beobachten kann, so Grohs.

Schule hat alle Technik wie draußen im Einsatz

Die Ausbildung solle auch eine gute Kommunikation fördern, etwa mit den Patienten, ihren Angehörigen, dem Arzt oder auch den eigenen Teamkameraden. Nicht nur die emotionale Komponente stehe dabei im Blickfeld, sondern auch die Technik, denn dafür besitze die Schule eine eigene Funkfrequenz für ihre Funkgeräte. Außerdem stehen fünf voll ausgerüstete Rettungswagen-Ausstattungen inklusive Monitoring zur Verfügung.

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Die Einsätze zu simulieren, sei auch insofern sinnvoll, dass viele Fälle im Berufsalltag nur selten vorkämen und man sie hier üben könne. Viele Notfallsanitäter hätten etwa jahrelang keine Möglichkeit, bei einer echten Geburt zu helfen, könnten hier mit dem „Geburtentrainer“ aber an einem Gerät üben, bei dem tatsächlich ein Baby herauskomme.

Auch einen nachgestellten Rettungswagen gibt es, der im Innenraum vom Original kaum zu unterscheiden ist. Grohs demonstriert dafür die kippbare Liege und die verschiedenen Notfall-Instrumente. „Das ist alles Echtmaterial wie draußen im Rettungswagen“, sagt er. Nicht nur die Diagnose und die erste Behandlung vor Ort würden geübt, sondern auch das Wissen um das passende Krankenhaus sei notwendig. Wenn bei einem Unfall beide Beine amputiert seien und der Verletzte ins falsche Krankenhaus gebracht werde, könne es sein, dass es dort gar keine Möglichkeit gäbe, ihn zu behandeln – das wäre eine Katastrophe.

Ausbildung dauert drei Jahre

Auch die Schülerin und Soldatin Romina Wilhelm lobt ihre Schule, denn die Dozenten seien super und kümmerten sich um alles. Besonders die Simulation eines Verletzten nach einem Verkehrsunfall und dessen Versorgung habe sie beeindruckt.

Die Ecolea besitzt neben Grundschulen und Gymnasien noch weitere Berufsschulstandorte in Schwerin, Rostock und Stralsund. Die Schule in Neubrandenburg hat etwa 80 Schüler, die zu gleichen Teilen aus dem zivilen und militärischen Bereich kommen. Die Ausbildung dauert drei Jahre und findet in Kooperation mit verschiedenen Ausbildungsbetrieben statt wie etwa der Berufsfeuerwehr und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) Neubrandenburg.

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Die Soldaten sind während der dreijährigen Ausbildung Angehörige der Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung (ZAW) Betreuungsstelle Neubrandenburg. Diese Dienststelle ist seit 2015 am Standort Neubrandenburg beheimatet und der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ unterstellt. Die Einheit betreue durchschnittlich 50 Schüler im Jahr, schildert der Kompaniechef, Hauptmann Steffen Hülse.

Neubrandenburger Absolventen im ganzen Bundesgebiet im Einsatz

Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zum Notfallsanitäter beendet die insgesamt knapp vierjährige militärische Ausbildungszeit und findet ihren feierlichen Abschluss in der Beförderung zum Feldwebel oder auch Bootsmann.

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Die Soldaten werden danach in ihre Stammeinheiten in das gesamte Bundesgebiet versetzt. Dort werden sie als ausgebildete Notfallsanitäter zum Beispiel auf Schiffen, auf Truppenübungsplätzen, in Bundeswehrkrankenhäusern oder in den zahlreichen Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr eingesetzt. Die Verwendungsmöglichkeiten sind sehr vielfältig.

„Viele der Absolventen haben in den drei Jahren den Standort und die umliegende Region besonders schätzen gelernt, sodass sie auch gerne noch in der Dienstzeit oder nach der aktiven Dienstzeit hierher zurückkehren“, führt Hauptmann Steffen Hülse an.

Von Daniel Neubert