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Vorwurf – Bundeswehr spielt Beschwerden über Fluglärm runter

Seenplatte / Lesedauer: 4 min

Derzeit üben wieder vermehrt Kampfjetpiloten über der Region. Anwohner kritisieren den Umgang mit Beschwerden darüber. Die Bundeswehr beklagt wiederum etwas anderes. 
Veröffentlicht:04.06.2023, 06:36

Von:
  • Robin Peters
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In den vergangenen Tagen sind Kampfjets der Bundeswehr wieder lautstark  am Himmel der Seenplatte und Vorpommern gerauscht. Die Übungsmanöver erschrecken nach wie vor viele Menschen. Ein Geflüchteter berichtete etwa, dass er bei jedem Überflug über Neustrelitz Herzklopfen verspüre und an sein zerbombtes Haus erinnert werde. Auf der letzten Lärmschutzkommission im Fliegerhorst in Laage erklärte das Luftfahramt der Bundeswehr zwar, dass die Zahl der Beschwerden aus dem Nordosten verhältnismäßig überschaubar ist. Doch genervte Anwohner werfen der Bundeswehr vor, die Relevanz des Problems herunterzuspielen. 

Anrufer kämen kaum durch

„Da wird man nur veräppelt“, sagt Andreas Pippert aus Röbel über den Bürgerservice rund um den militärischen Flugbetrieb. Oft komme man als Anrufer in der Leitung überhaupt nicht durch. Sollte es gelingen, werde der Beschwerdegrund nieder geredet. Man werde nicht ernst genommen. Nicht nur viele Anwohner störe der Lärm durch Überschall– und Tiefflüge. Auch Touristen halte die beklemmende Atmosphäre von einem erneuten Besuch in der Seenplatte oder Vorpommern ab. Während die Zivilbevölkerung kleinteilig auf Umweltschutz achten und sparen muss, stehe das Verbrennen von Kerosin durch Flüge mit Kampfjets offensichtlich nicht zur Diskussion. „Es ist erstaunlich, was sich die Bundeswehr herausnimmt“, so der Unternehmer.

Auch Stefanie Striller aus Wustrow versuchte bereits vergeblich, in der Hotline der Bundeswehr durchzukommen. „Also doch so viele Beschwerden, dass es die Kapazität der Beschwerde–Hotline übersteigt? Oder eine Maßnahme, die Beschwerdeführer abzuwimmeln?“, fragt sie. Was derzeit am Himmel passiere, sei „unglaublich“. „Es fängt morgens an und geht bis abends spät!“ Dabei sei der Nordosten geprägt von sensibler Natur und Möglichkeiten des Erholungstourismus. „Es wäre zum Lachen, aber es ist zum Weinen.“ Steuergelder schieße man in die Luft und belaste dabei noch die Umwelt.

Sachliche Gespräche, aber auch Beschimpfungen

Nach Angaben des Luftfahrtamtes der Bundeswehr sind im Jahr 2023 bisher 241 schriftliche oder telefonische Anfragen aus Mecklenburg–Vorpommern eingegangen. Alle würde man statistisch erfassen. Es würden aber nicht immer genug Angaben für eine vollumfassende Auswertung vorliegen, zum Beispiel wenn der Betroffene seinen Wohnort nicht nennen möchte. Sämtliche Anfragen an die Flugbetriebs– und Informationszentrale (Fliz) würden durch erfahrenes Fachpersonal beantwortet, versichert man.

Wer die Telefonate entgegennimmt, sei in der Regel in freien Bildungsinstituten für diese Art der Kommunikation geschult worden. „Viele Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Beschwerden an uns wenden, sind allerdings bereits vor ihrem Anruf verärgert und gehen emotional ins Gespräch. Hier kommunizieren wir grundsätzlich deeskalierend, um auf den sachlichen Hintergrund eingehen zu können. Leider kommt es bei einigen Anrufen auch zu Beschimpfungen und persönlichen Beleidigungen unseres Personals oder zu grundsatzpolitischen Monologen. Hier behalten wir uns vor, das Gespräch zu beenden“, so ein Sprecher des Luftfahrtamtes der Bundeswehr. 

700 bis 1000 Anfragen pro Woche

Eine Auswertung von Anfragen habe zudem ergeben, dass die Erwartungshaltung vieler Anrufer augenscheinlich enttäuscht wird. Das führe wahrscheinlich zu Unzufriedenheit. „So rufen viele Menschen uns an, damit unsere Dienststelle eine Änderung des militärischen Flugbetriebs im Sinne der Beschwerdeführenden herbeiführt.“ Doch Eingriffe seien bei Fehlverhalten vorgesehen. Und das an Flügen beteiligte Personal würde dank seiner  Professionalität äußerst selten gegen flugbetriebliche Bestimmungen verstoßen. 

Pro Woche gehen den Angaben zufolge in der Fliz in Köln zwischen 700 und 1000 Anfragen ein — ein großer Teil per Mail. Die Zahlen würden je nach Jahreszeit und Flugbetrieb schwanken. „Wenn also ein bestimmtes Flugereignis eine hohe Anzahl von Anrufen generiert, kann es vorkommen, dass die Leitung belegt ist.“ Dann könne man aber eine Nachricht hinterlassen und um Rückruf bitten, auch außerhalb der Betriebszeiten. Das Bürgertelefon der Fliz sei für das Luftfahramt eine „wichtige Schnittstelle zur Bevölkerung“.

Bündnis gegen Fluglärm

Andreas Pippert hofft nun, dass er weitere Verbündete findet, mit denen er sich für ein schlagkräftiges Vorgehen zusammenzuschließen kann. Schließlich seien vor vielen Jahren auch schon Flüge über das ehemalige Bombodrom gestoppt worden. „Unsere Eltern haben es geschafft. Jetzt müssen wir es machen.“ Stefanie Striller erinnerte ebenfalls an die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte: „'Der Himmel ist frei' lautete der Abschluss der Kampagne gegen das Bombodrom. Die war glücklicherweise erfolgreich. Aber frei ist der Himmel lange nicht.“