Energie
Wann wird in der Seenplatte aus Wind „grüner“ Wasserstoff?
Altentreptow / Lesedauer: 4 min

Robin Peters
Grüner Wasserstoff gilt als neuer Energie-Heilsbringer für die Zukunft des ganzen Nordens. Nur läuft die Ansiedlung einer zusammenhängenden, grünen Industrie ausgerechnet in den von Windrädern übersäten Gebieten im Osten des Landes wie dem Treptower Tollensewinkel noch eher schleppend. Dabei sind sich die meisten Akteure einig, dass wirklich grüner Wasserstoff aus sauberer Energie wie Windstrom erzeugt werden muss.
Neuen Schub erwartet
Die jüngst beschlossene Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung könnte allerdings bald für neuen Schub sorgen. So sieht es zumindest Carlo Schmidt von der Wind-Wasserstoff-Projekt GmbH und Co. KG, die bereits eine Anlage zur Wasserstoffproduktion aus Windstrom in Grapzow betreibt. „Verbindliche Einsatz- und Vermarktungsmöglichkeiten für die Region zeichnen sich ab, sei es in der Stromversorgung, Mobilität oder Gas- und Wärmeversorgung“, so Schmidt auf Nachfrage des Nordkurier.
In Grapzow könnten schon jetzt 200 Normkubikmeter Wasserstoff pro Stunde produziert werden. Und nicht nur dieser Standort lasse sich „fantastisch“ ausbauen. Grüner Wasserstoff aus Windenergie sei eine nachhaltige Chance für die ganze Region. „Gut bezahlte, hoch qualifizierte Arbeitsplätze können entstehen, sofern dieser angekündigte Markthochlauf Wirklichkeit wird.“
In Pripsleben geht der Widerstand weiter
Kritiker wehren sich allerdings seit Jahren gegen ein Projekt des Unternehmens zwischen Pripsleben, Tützpatz und Gültz. Denn die Firma Wind-Wasserstoff-Projekt will bald nicht nur Wasserstoff direkt ins Erdgasnetz einspeisen, sondern auch gleich neue Windräder bauen – noch dazu in einem dafür gar nicht vorgesehenen Gebiet, per Zielabweichungsverfahren. Der Regionale Planungsverband befindet sich deshalb noch immer im Klageverfahren am Oberverwaltungsgericht Greifswald, wie dem Nordkurier aus der Geschäftsstelle bestätigt wurde.
Die Gemeinde Pripsleben hat nach dem Scheitern im ersten Anlauf vor dem Verwaltungsgericht zwar kein Geld für weitere Verfahren, wird sich laut Bürgermeister Kai-Uwe Zirzow aber auf jeden Fall im Genehmigungsverfahren des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt (Stalu) noch dagegen aussprechen. „Es ist ein Unding, Windräder zu bauen, wo sie gar nicht hingehören“, sagte Zirzow. Der Bürgermeister hält das damit verbundene Wasserstoff-Vorhaben überdies für wenig erfolgsversprechend.
Bewerbung um Status als HyStarter-Region
Dass die Wasserstoff-Industrie hierzulande aber insgesamt weiter vorangetrieben wird, hat sich unter anderem die Industrie- und Handelskammer für das östliche Mecklenburg-Vorpommern (IHK) in Neubrandenburg auf die Fahnen geschrieben. Wirtschaftsvertreter haben beispielsweise zusammen mit der Stadt Neubrandenburg eine Bewerbung abgeschickt, um sogenannte HyStarter-Region zu werden.
Das Bundesinfrastrukturministerium gibt bei diesem Programm Gelder, um ausgewählte Standorte mit Wasserstofftechnologien hochzurüsten. Neubrandenburg könnte damit zu einer Modellregion werden, die sich im Falle eines totalen Blackouts mit regenerativer Energie schnellstmöglich wieder hochfahren lässt. Ende August soll eine Entscheidung fallen, ob die Vier-Tore-Stadt dabei ist.
Ministerium: Konzentration auf Rostock nicht geplant
Zwar laufen derzeit noch weitere Projekte im Osten von MV – wie grüne Gewerbeparks in Anklam oder Neustrelitz oder das aus Greifswald koordinierte regional übergreifende Forschungsprojekt Campfire zur Gewinnung von Ammoniak als Energieträger. Doch auf den ersten Blick scheinen große Prestigeprojekte der Wasserstoffproduktion überwiegend rund um die Hansestadt Rostock zu entstehen. Dass in diese Region mehr Anstrengung als in andere Gebiete fließt, weil es für Projekte in der Hansestadt und dem Landkreis Rostock Ausgleichsgelder des Bundes zwecks Schließung des Steinkohlekraftwerks in Höhe von rund 50 Millionen gibt, bestreitet wiederum das MV-Energieministerium. „Die Landesregierung begleitet und unterstützt alle Akteure und Projekte im Land, die sich dem Thema Wasserstoff widmen und sinnvolle Anträge stellen – ohne regionale Präferenzen“, so Sprecherin Renate Gundlach.
Die Entwicklung der Wasserstofftechnologien stehe aber noch am Anfang. „Die Bereitschaft wirtschaftlicher Akteure, solche Projekte anzugehen, ist ... nicht erzwingbar, sondern setzt deren selbstbestimmte Aktivität vor Ort voraus.“ Projekte entstünden zunächst an Standorten, wo Wasserstoff nicht nur erzeugt, sondern auch verbraucht werden könne. „,Abgelegenere‘ Standorte haben hier einen gewissen Standortnachteil, da Transportkosten hinzukämen.“ Sobald sich der Markt vergrößere, werde sich die Wasserstoffindustrie aller Wahrscheinlichkeit nach auch in der Fläche stärker ausbreiten.